Aloisiuskollegs (Ako) "Das ist ein Sieg"

Schauspieler Miguel Abrantes Ostrowski begrüßt die Verschärfung des Sexualstrafrechts. Der GA sprach mit dem ehemaligen Schüler des Aloisiuskollegs (Ako), der als erster öffentlich zum Missbrauch an dem Kolleg Stellung bezog.

Er war 2004 und 2010 der erste Schüler des Aloisiuskollegs (Ako), der öffentlich zum Missbrauch Stellung bezog: der Schauspieler Miguel Abrantes Ostrowski, der momentan in Goethes "Faust" im Münchener Residenztheater spielt. Ebba Hagenberg-Miliu sprach mit ihm über die am Mittwoch im Kabinett beschlossene Reform des Sexualstrafrechts.

Wie bewerten Sie, dass auch das Fotografieren fremder nackter Kinder unter Strafe gestellt wird? Und dass die Verjährungsfrist bei Missbrauch verlängert wird, bis das Opfer 50 Jahre als ist?

Miguel Abrantes Ostrowski: Das ist ein Sieg. Wäre diese Gesetzeslücke früher geschlossen worden, wären einige unserer geliebten Godesberger Patres und Erzieher schon vor Jahren ins Gefängnis gekommen.

Sie haben 2004 in Ihrem Buch "Sacro-Pop" geschrieben: Die erotischen Phantasien Ihres damaligen Internatsleiters schrien nach nackten Knabenkörpern. Er knipste von Ihnen und Ihrem Freund in der Ako-Dusche und im Park viele Filme voll. Wie war das in den 80er Jahren möglich?

Abrantes: Man muss sich das Kolleg von damals wie ein kleines Königreich vorstellen. Dort herrschten zwei Tyrannen, fadenscheinig im Auftrag der Gesellschaft Jesu unterwegs, aber im Grunde nur darauf erpicht, die Situation zum eignen Vorteil zu nutzen. Viele im Orden wussten davon, aber keiner hatte den Mut, es mit diesen beiden Patres aufzunehmen.

Warum trauten Sie 2004 sich mit ihrem Schlüsselroman zum Ako-Missbrauch heraus?

Abrantes: Wenn ich belustigt Außenstehenden von meiner Internatszeit erzählte, kippte die Stimmung, weil nicht Eingeweihte fassungslos vor diesen gewöhnungsbedürftigen Anekdoten standen. Da wusste ich, dass ich das aufschreiben sollte. Die wirklichen Missbrauchsgeschichten machten sich beim Schreiben Luft.

Wie waren 2004 die Reaktionen? Sie wurden als Nestbeschmutzer beschimpft...

Abrantes: Oh ja. So ziemlich jeder meiner damaligen Schulfreunde brach den Kontakt zu mir ab. Jeder war besorgt, dass ich ihnen ihre so wertvolle und beneidenswerte jesuitische Vergangenheit zerstören würde, die ja schließlich die Eintrittskarte zu einem erfolgreichen Leben ist.

Wie bewerten Sie die Übergriffe heute, Stichwort Edathy-Affaire?

Abrantes: Splitterfasernackt durch den Park gescheucht und dabei abfotografiert zu werden - manchmal gewürzt mit jähzornigen Ohrfeigen oder Kopfnüssen: Das waren schon sehr eigenwillige Erziehungsmethoden, die eigentlich auch die Neugier von Staatsanwälten geweckt haben müssten. Eine Hausdurchsuchung gab es aber auch 2010, als der Missbrauchsskandal aufflog, nicht.

Vor vier Jahren waren Sie der erste Ako-Betroffene, der bundesweit öffentlich Stellung bezog. Wie sehen Sie diese Monate im Rückblick?

Abrantes: Es war die beängstigendste und glücklichste Zeit meines Lebens. Zuerst hatte ich die Hosen voll, mit nächtlichen Schweißausbrüchen. Keiner wusste ja, wie die Geschichte enden würde - niemand hatte sich mit diesen Despoten angelegt. Aber ich habe gewonnen, und das machte mich sehr glücklich!

Noch 2005 soll es einen Missbrauchsfall durch den damals immer noch im Internat tätigen Pater gegeben haben. Ein Schüler erstattete 2010 Anzeige. Die Ermittlungen wurden mit dem Tod des Paters eingestellt. Wie kommentieren Sie das?

Abrantes: Ich deute es als vollkommenes Versagen der Staatsanwaltschaft.

Sie haben 2010 mit anderen die Betroffenengruppe Eckiger Tisch gegründet...

Abrantes: Wir haben die Könige entthront. Das war mein Ziel.

Ist das Ako, ist der Orden auf Sie zugekommen?

Abrantes: Vom Orden habe ich 5000 Euro erhalten. Und einen pauschalen Brief. Mehr nicht. Bis heute hat sich bei mir keiner vom Internat entschuldigt. Stattdessen weichen sie mir lieber aus.

Wie beurteilen Sie die Aufklärungs- und Aufarbeitungsbemühungen?

Abrantes: Als Jesuitenprovinzial hätte ich sämtliche Täter und Mitwisser hochkant aus dem Orden geschmissen. Aber ich weiß, dass so etwas bei den Jesuiten nicht möglich ist.

2010 sagten Sie, viele Ihrer damals nackt fotografierten Internatskollegen litten darunter, anderen nicht vertrauen zu können. Wie beurteilen Sie die Folgen heute?

Abrantes: Da kann ich heute nur von mir sprechen. Ich arbeite daran, mich endlich zu binden und Nähe zuzulassen. Bisher gelingt es kaum. Leider.

Zur Person

Miguel Abrantes Ostrowski, 42, machte 1993 am Aloisiuskolleg (Ako) Abitur, studierte Schauspiel und ist am Münchener Residenztheater engagiert. Aktuell steht er in einer vielgepriesenen Inszenierung von Goethes "Faust" auf der Bühne. Er ist Mitautor des 2014 herausgegebenen Buchs "Unheiliger Berg" über die Missbrauchsaufarbeitung am Ako.

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