Bedeutung der Früherkennung nimmt zu Beratungs- und Förderdienst der katholischen Kindergärten zieht nach dem ersten Jahr Bilanz

BAD GODESBERG · Ein Jahr nach seiner Gründung hat der heilpädagogische Beratungs- und Förderdienst der katholischen Kindergärten in Bad Godesberg eine erste Bilanz gezogen. Das Ergebnis: Die Zahl der durch soziale Umstände beeinträchtigten Kinder steigt, und ohne Fachkräfte kann der Bedarf kaum gedeckt werden.

"Wir machen die Erfahrung, dass Platzanfragen für Kinder mit klassischen Behinderungsbildern abnehmen, dafür aber für Kinder mit sozial bedingten Auffälligkeiten und Förderbedarfen deutlich zunehmen", sagt Dechant Wolfgang Picken. Aufgrund dieser Tendenz verändere sich auch die Aufgabe und Verantwortung in den pädagogischen Einrichtungen. "Hier braucht es mehr Aufmerksamkeit und Qualifikation, um den Kindern gerecht zu werden und zusätzlichen Förderbedarf frühzeitig feststellen zu können", sagt der Dechant. Das sei besonders auch deshalb zunehmend von Bedeutung, weil die Kinder immer früher in die Kindertagesstätten aufgenommen werden und dort immer mehr Stunden pro Woche bleiben. Die Tendenz geht zu einer 45-Stundenbetreuung für Kinder von einem halben Jahr bis zu sechs Jahren.

"Heute müssen wir fast von einer familiengleichen oder teils auch ersetzenden Pädagogik sprechen", führt der Godesberger Pfarrer weiter aus. Zudem sei es aufgrund des frühen Aufnahmealters der Kinder in vielen Fällen so, dass zusätzlicher Förderbedarf erst nach Eintritt in die Kindertagesstätte erkannt werde. Allerdings seien die meisten Einrichtungen mit dieser neuen Aufgabe überfordert. Picken: "Das pädagogische Personal ist darauf oftmals fachlich und zeitlich nicht vorbereitet". Ein Grund, warum es zur fürsorglichen Begleitung der Kinder heilpädagogische und therapeutische Kompetenz brauche.

Gemeinsam mit der gelernten Erzieherin und Heilpädagogin Sonja Velten hatte sich der Dechant entschieden, Deutschlands ersten heilpädagogischen Beratungs- und Förderdienst eines freien Kindergartenträgers einzurichten. Die Bürgerstiftung Rheinviertel setzte das Projekt kurzfristig um und fördert es bis heute.

"Je früher zusätzlicher Förderbedarf aufgedeckt werden kann, umso eher kann eine entsprechende Förderung für das Kind einsetzen", ist Sonja Velten überzeugt. Ziel sei es, dass Kinder mit Förderbedarf in ihren Einrichtungen bleiben können und nicht in eine Sondereinrichtung wechseln müssen. Für viele Kindergärten sei eine zusätzliche Förderung allerdings kaum zu bewältigen. "Das ist die Chance eines größeren Zusammenschlusses von Einrichtungen. Für unsere 14 Kindertagesstätten, in denen 655 Kinder betreut werden, war darstellbar, einen solchen Fachdienst zu installieren", sagt Picken.

Ab Oktober wird dazu ein Team aus Heilpädagoginnen und Therapeutinnen in Teilzeit tätig sein. Nach Überzeugung von Dechant Wolfgang Picken bedarf es jedoch eines generellen gesellschaftlichen Umdenkens: "Die Brüche in den Ehen und Familien, auch der hohe Leistungsdruck, dem sich viele ausgesetzt sehen, hat schwerwiegende Folgen für unsere Kinder. Sie bezahlen nachhaltig für die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen."

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