Kammerspiele Bad Godesberg Barry L. Goldman inszeniert "Eine Weihnachtsgeschichte"

BAD GODESBERG · Humbug war sein Lieblingswort. Liebe, Freundschaft, Fürsorge - alles Unsinn, fand Ebenezer Scrooge (Stefan Preiss) in Charles Dickens' "Weihnachtsgeschichte" in den Kammerspielen. Preiss stellte den alten Geizhals so dar, als würde er jeden Tag mit einem halben Liter Essig beginnen: grob, grausam, kalt wie ein Fisch.

 Subtile Komik: Grègoire Gros(Bob Cratchit) und Stefan Preiss(Ebenezer Scrooge) in Dickens' Weihnachtsgeschichte.

Subtile Komik: Grègoire Gros(Bob Cratchit) und Stefan Preiss(Ebenezer Scrooge) in Dickens' Weihnachtsgeschichte.

Foto: Lilian Szokody

Liebe? Humbug! Nächstenliebe? Humbug! Eine Spende für die Armen? Humbug! Was dieser Mann liebte, war das Kapital, das sich auf seinen Konten vermehrte, und das eigene Spiegelbild. Ebenezer Scrooge: Kapitalist und Narziss.

Barry L. Goldman hat die berühmte, unsterbliche Erzählung des englischen Autors Dickens aus dem Jahr 1843 für die Bühne bearbeitet und in den Kammerspielen inszeniert. "Eine Weihnachtsgeschichte (A Christmas Carol)", das bedeutet hier zwei Stunden pures Glück mit Musik und Gesang, Staunen über zauberhafte Einfälle und Effekte, Schauspiellust und -kunst, viel Gefühl und bunte Komik: das perfekte Vorspiel zum Weihnachtsfest.

Auf Gesine Kuhns Bühne, die mal Büro, mal Schlafzimmer, mal düstere Endzeit-Vision ist, vollzieht sich die Veränderung eines Mannes, der zum Wandel eigentlich unfähig scheint. Es bedarf schon höherer Mächte, um Ebenezer in einen lebenszugewandten, lachenden und empathischen Menschen zu verwandeln. Seine neuen Freunde dürfen ihn dann "Eb" nennen.

Bis dahin darf man Schneezauber auf der Bühne genießen, den Auftritt diverser Geister der Weihnacht (Maria Ammann, Andreas Bittl und Johanna Wieking). In dieser Inszenierung ist Stefan Preiss als Ebenezer Scrooge auch ein Zuschauer, er erlebt das Drama seines eigenen Lebens mit: die Fehler der Vergangenheit, die Ödnis der Gegenwart und den programmierten, schäbigen Tod in nicht allzu ferner Zukunft.

Das Theater hat die Macht und die Magie, Menschen zu verändern, das erfährt Scrooge am eigenen Leib, und das Publikum wird Zeuge. Das ließ niemanden gleichgültig, die Glückserfahrung artikulierte sich im enthusiastischen Schlussapplaus für das Ensemble.

Im poetischen Universum, das Barry L. Goldman mit Anklängen an den Theatermagier Robert Wilson erschuf, waren die Schauspieler in wechselnden Rollen unwiderstehlich. Preiss als Grantl-Geizhals und Maria Ammann als Geist mit Lichterkrone und märchenhaftem Kleid (Kostüme: Christine Haller).

Andreas Bittl erschien unter anderem als liebenswerter Dickens und dicker Weihnachtsgeist. Dennis Pörtner verkörperte den jungen Ebenezer in all seiner Blindheit für die wichtigen Dinge des Lebens, Johanna Wieking wusste als seine leidgeprüfte Freundin Belle ein trauriges Lied davon zu singen. Grégoire Gros brachte als Bob Cratchit subtile Komik auf die Bühne, Kornelia Lüdorff bleibt als Mrs. Fezziwig ("wie sie geigt und bebt") unvergesslich.

Tobias Cosler steuerte die Musik bei, produzierte auf seine Art Echos zu den szenischen Pointen und erinnerte - Tick, Tack - an die vergehende Zeit. Der Faktor Zeit wurde Ebenezer Scrooge erst spät im Leben bewusst, im letztmöglichen Augenblick gab er seiner Existenz eine neue Richtung. Besser ein spätes Glück als gar keines.

Info: Die nächsten Aufführungen: 25. November, 2., 9., 23., 26., 27. und 30. Dezember. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen und bei bonnticket.de

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