Bad Godesberg – eine Bestandsaufnahme Bad Godesberg kämpft um sein Image

Bad Godesberg · Während Godesberg auf den Gebieten Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Bildung punkten kann, muss es bei Sport und städtischer Verwaltung Abstriche hinnehmen.

Die Hälfte der wahlberechtigten Bad Godesberger hat sich am Bürgerentscheid zum Kurfürstenbad beteiligt. 70 Prozent davon sprachen sich für den Erhalt aus. Und das, obwohl viele von ihnen das Bad zumindest in den letzten Jahren nicht mehr betreten haben dürften. Wie sonst wären die schlechten Besucherzahlen zu erklären? Selbst Vorreiter der letztlich unterlegenen Bürgerinitiative hatten unumwunden zugegeben, dass sie weder Schwimmer noch Saunagänger gewesen seien.

Warum also das Festhalten am Alten? Vielleicht, weil der Stadtbezirk seit der Eingemeindung 1969 mit dem Loslassen Probleme hat. Der Anschluss an Bonn schwebt seit fast 50 Jahren wie ein Menetekel über Godesburg & Co. Einst Badestadt, dann Diplomatenstadtteil – das sind Titel, mit denen die Bürger stolz operierten.

Und dann auf einmal die Abhängigkeit von der damaligen Bundeshauptstadt. Lange hat man sich arrangiert, bis der Regierungsumzug eine Schneise von Friesdorf bis Mehlem schlug. Nach und nach verabschiedeten sich die Botschaften samt Hausherrn vom Rhein. Wo kürzlich noch gesellschaftliches Leben pulsierte, zog jetzt der Leerstand ein.

Straßentunnel entlastet die City

Bonn blieb zweiter Regierungssitz, erhielt Bundesämter und -behörden und was bekam Bad Godesberg? Vielleicht gar nicht so wenig, wie manche vermuten. Und das auch schon in den Jahren davor. Da wäre zum Beispiel die Stadtbahnanbindung 1975. Oder der 1999 eingeweihte Straßentunnel. Wie sehr er die City entlastet, zeigt sich jedes Mal, wenn eine oder beide Röhren gesperrt sind. Oder die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

Wissenschaftlich steht der Stadtbezirk, der mehr als 73 000 Einwohner hat, ebenfalls gut da. Eher am Rande gelegen, sorgen das Forschungszentrum Caesar in Hochkreuz sowie das gerade gerettete Deutsche Museum in Plittersdorf für viel Renommee. Beide sind extra angesiedelte Aushängeschilder, Caesar am jetzigen Standort 2003, das Technikmuseum 1995. Gerade hat es mit dem Cyberabwehrzentrum der Bundeswehr prominente neue Nachbarn gegeben; bald folgt der Neubau des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik an der Ludwig-Erhard-Allee. Mit zusätzlichen Arbeitsplätzen.

Kammerspiele sind kulturelles Schwergewicht

Kulturell kann sich der südlichste Bezirk Bonns sowieso blicken lassen. Das Schwergewicht dürften – neben vielen namhaften Galerien – die Kammerspiele sein. Die Sanierung steht noch aus, die Zukunft aber ist seit Ende 2015 gesichert. Auch für das Kleine Theater scheint es eine Zukunft zu geben, wenn Intendant Walter Ullrich in Rente geht.

Der musikalische Nachwuchs hat unter anderem die Wahl zwischen der städtischen Musikschul-Dependance oder dem Rock & und Pop Zentrum. Seit dem Gründungsjahr 1963 hat die Volkshochschule Bad Godesberg zwar ihren Namen verändert, nicht aber an Bedeutung verloren. Vor eineinhalb Jahren zog sie in moderne Räume Am Michaelshof um.

Es gibt auch Verluste für die Godesberger

Alles positiv also? Mitnichten. Es gibt Verluste. Zunächst ist festzuhalten, das viele positive Effekte wie der Erhalt der Kammerspiele oder des Deutschen Museums ohne den Einsatz der Bürger nicht möglich gewesen wären. Umso schmerzlicher am Ende das Gefühl, dass den Bad Godesbergern elementare Aspekte ihrer Selbstständigkeit entzogen werden. Da wäre zum Beispiel das Bürgeramt. Wer einen Pass beantragen oder einen Wohnortwechsel angeben möchte, kann dies zwar immer noch in Bad Godesberg tun – allerdings nur noch an eineinhalb Tagen in der Woche, ansonsten muss er ins Bonner Stadthaus fahren.

Auch was die Kultur angeht, ist nicht alles eitel Sonnenschein. Musik im Park war eine von Jung und Alt gut besuchte Traditionsveranstaltung – gestrichen. Die allseits beliebte Matinee in der Redoute – nicht mehr finanzierbar. Auch was die Zuteilung der Flüchtlinge angeht, fühlen sich viele Bad Godesberger benachteiligt. So viele wie hier lebten in keinem anderen Bezirk – prozentual auf die Einwohnerzahl gerechnet, heißt es. Zwar betont die Stadt, dass dies nicht der Wahrheit entspreche. Glauben schenkt ihr indes niemand. Denn Nachrichten wie aus Beuel, dass Standorte reduziert werden, hört man aus dem Süden nicht. Medizintourismus und Zweckentfremdung tun ihr übriges.

Die Angst vor Überfremdung paart sich mit dem Gefühl, von Bonn im Stich gelassen zu werden. Denn der Task Force mit fünf Mitarbeitern fehlen im Kampf gegen wuchernde Mietpreise (noch) die Erfolge. Allein gelassen fühlen sich manche auch in der Jugendarbeit. Da hilft es nicht, dass das One World Café eröffnet und das Mobil weiter in Betrieb ist. Denn das wollte die Stadt Bonn einstellen. Nur dem Einsatz kirchlicher Träger und Sponsoren ist es zu verdanken, dass die Arbeit fortgesetzt werden konnte.

Sicherheitsgefühl hat gelitten

Gelitten hat zuvorderst das Sicherheitsgefühl. Fühlten sich gerade ältere Godesberger ohnehin rund um Kurpark und Innenstadt nicht mehr sicher, war der Tod des 17-jährigen Niklas, der an der Rheinallee brutal zusammengeschlagen wurde, ein Schock. Diskussionen über den Niedergang des Stadtbezirks und „No-Go-Areas“ wurden laut. Polizei und Stadt reagierten. Mit vermehrten Kräften sind sie seitdem sichtbar in Bad Godesberg unterwegs. Die Maßnahmen zeigen Erfolg, nach Auskunft der Behörde ist es ruhiger geworden. So sicher wie zu Hauptstadtzeiten, als Streifenwagen und Reiterstaffel das Bild des Bezirks prägten, wähnen sich viele aber noch nicht.

Bad Godesberg kämpft um sein Image. Um es nachhaltig zu verbessern, braucht es Geduld. Ausdauer. Zahlreiche Hände, die anpacken. Und einen Blick, der sich nach vorne wendet. Das Gute: Es gibt ihn bereits. Viele Bad Godesberger engagieren sich, gestalten das Leben im Bezirk. In Ortsausschüssen, in der Bürgerstiftung, in Vereinen. Sie weisen stets auf die Probleme hin, ohne das Positive aus den Augen zu verlieren.

Und erreichen so, dass Bad Godesberg eben nicht vergessen, nicht abgehängt, nicht vernachlässigt wird. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich viele Neubonner für Bad Godesberg als Wohnort entscheiden? Dass sie möchten, dass ihre Kinder hier zu Schule gehen? Dass sie Bad Godesberg als das wahrnehmen, was es ist: Ein vielfältiger, multikultureller Stadtbezirk, der zwar Probleme hat – aber ebenso viele Pfunde, mit denen er wuchern kann.

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