Christuskirche Plittersdorf Bürgerrechtler Eppelmann erinnert: DDR-Bürger sollten graue Mäuse werden

PLITTERSDORF · Demokratie oder Diktatur?: Das ist für Rainer Eppelmann, Pfarrer, Bürgerrechtler und Vorsitzender der Stiftung zur Aufarbeitung des Unrechts der SED-Diktatur, die Schicksalsfrage. Diese Frage stellte er in den Mittelpunkt seines Vortrags, den er auf Einladung von Pfarrer Oliver Ploch vor mehr als 100 Menschen in der Christuskirche hielt.

 In der Christuskirche: Rainer Eppelmann (links) und Oliver Ploch.

In der Christuskirche: Rainer Eppelmann (links) und Oliver Ploch.

Foto: Max Malsch

Die Deutschen teilen sich in zwei Lager, so Eppelmann: In die "Dabeigewesenen", die die Nazi- oder die DDR-Diktatur erlebt haben, und die "Danachgeborenen". "Man mag denken, dass der Alltag nichts Besonderes ist." Doch die Qualität des Alltags bilde die Grundlage der Gesellschaft.

"Es ist keinesfalls egal, ob wir in einer Diktatur oder einer Demokratie leben. Schon gar nicht, wenn die Diktatur ideologisch bestimmt und in mehreren Bereichen anti-religiös ist." Die Jugend müsse begreifen, dass sie mit Chancen lebe, die nicht selbstverständlich sind. Deswegen sei es wichtig, die Geschichte nicht zu vergessen und Erfahrungen weiterzugeben.

Das tat Eppelmann, der 1943 in Berlin geboren wurde, im Osten lebte und im Westen zur Schule ging. Er gab einen Einblick in sein Leben, seine Gedanken und die der DDR-Bürger. Und warf einige Fragen auf: Wie fühlt man sich, wenn man seine Kinder dazu bringt, zu verleugnen, dass zu Hause West-Fernsehen geschaut wird? Sie also zur Lüge erzieht? Wie mögen sich enteignete Bauern gefühlt haben? Was denkt der Arbeiter, der am 17. Juni 1953 von seinem Streikrecht Gebrauch gemacht hat und deswegen jahrelang ins Gefängnis gesteckt wurde?

"Das Erziehungsziel der DDR war die geistige Uniformität", so Eppelmann. Die Bürger sollten graue Mäuse werden, "die kann man besser regieren und ruhig halten". Dies sei für ihn ein Punkt, "warum das System scheitern musste". Denn jeder sei anders. In der DDR sei man zum "Flüsterer" geworden, der seine Meinung nicht laut sagt. "Dann haben wir begriffen: Wenn wir uns und unseren Kindern eine Chance geben wollen, dann müssen wir aufhören zu flüstern."

Denn: "Irgendwann merkt man, dass es die Oberen nicht interessiert, was man denkt, mitbestimmen kann man auch nicht", sagt Eppelmann. "Es war unerträglich - aber auch bequem." Mancher sei immer noch nicht in der BRD angekommen, "weil er nun jeden Tag entscheiden und die Konsequenzen tragen muss. Das ist anstrengend."

Es bleibt die Frage: Diktatur oder Demokratie? Für Eppelmann eine klare Sache: "Ich möchte mindestens 93 Jahre alt werden, und zwar mit klarem Kopf." Dann nämlich habe er ein Jahr länger in einer Demokratie als in einer Diktatur gelebt. jab

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