Hamburger Sängerin Knaus gastiert im Alten Wasserwerk

Werke von Brahms und Wagner in Kreuzkirche - Martin Blasius singt Schuberts "Winterreise" - Elektronische Beats in Harmonie

Kreuzkirche. Johannes Brahms? sogenannte "Alt-Rhapsodie", sein op. 53 für Solo-Alt, Männerchor und Orchester auf ein Goethe-Fragment, bekommt man selten auf eine derart bewegende Weise zu hören.

Karin Freist-Wissing am Pult von Kantorei und Sinfonieorchester der Bonner Kreuzkirche weiß um den geheimnisvollen Zauber jener Musik und konnte für die Alt-Partie mit Ingeborg Danz eine exzellente Solistin verpflichteten, die mit dunkel funkelnder Stimme einer Phrase wie "Das Gras steht wieder auf, die Öde verschlingt ihn" mit einer zu Tränen rührenden Intimität Ausdruck zu geben verstand.

Eingebettet in einen blitzsauberen Orchesterpart entfaltete sich im dritten Teil der tröstende Gestus in vollendeter Harmonie von schlankem Männerchor und warmem Alt-Solo. "Nänie" für Chor und Orchester op. 82 nach Schiller, jenes durchweg in Dur gehaltene Lamento, greift jenen Tröstungsgedanken wieder auf. Schon die einleitenden frühen Lieder op. 17, Nr. 1-4, Gesänge für Frauenchor, zwei Hörner und Harfe auf Textvorlagen der Romantiker konnten von Freist-Wissings ganz besonderer Affinität zu Brahms? Chormusik profitierten.

Die schlank und luftig erblühenden Höhen sorgen zusammen mit einer klugen Tempowahl für durchhörbaren Ausdruck. So weltlich, wie auf den ersten Blick, war dieses Konzert unter dem Motto "Brahms und Wagner" am Vorabend des Toten- oder Ewigkeitssonntags also nicht: Wagners Orchestervorspiel zu "Tristan und Isolde" sowie Isoldes berühmter "Liebestod" in einer Orgelbearbeitung von Erich Horn nahm sich in der Interpretation durch Stefan Horz wie eine Meditation zum Thema "Überwindung des Todes durch die Liebe" aus.

Was hiermit indes die abschließende vierte Sinfonie von Brahms zu tun hatte, mag Programmgeheimnis bleiben. Die äußerst ambitionierte, stringente Lesart Freist-Wissings litt zudem in den chromatisch komplexeren Passagen deutlich unter den räumlichen Bedingungen. Die Begeisterung war riesig.

Harmonie. Dieter Moebius und Michael Rother, Pioniere elektronischer Musik aus Deutschland, haben Beeindruckendes geschaffen. In den 70ern erwarben sie sich mit Projekten wie "Neu!" und "Harmonia" einen Ruf, der noch heute nachhallt. Zum Beispiel in der Bewunderung, die ihnen die 130 Menschen an diesem Abend in der Harmonie entgegen bringen.

Kurz nach Acht geht das Licht aus, die zwei Männer schlurfen in Richtung ihrer Pulte, auf denen sich aufwendig verkabelte Synthesizer, Sampler und Computer befinden. Denen entlocken sie spektakuläre Klangkonstrukte: Über Schichten aus synthetischen Riffs und Bassläufen, die immer dann am besten funktionieren, wenn die zu Grunde liegende, eingängige Metrik Repräsentation in Form pumpender Beats findet, legen sich mal mehr, mal weniger assoziativ aufgeladene Samples.

Darunter sind verzerrte Stimmen, afrikanisch anmutende Percussion oder auch arabisch klingende Viertelton-Ketten, die aber allesamt verblassen, wenn Rother zur Gitarre greift und hymnische, weite Melodien über dem Geschehen triumphieren lässt. Eine Sache, die man gut finden kann aber auch nicht muss, ist, dass insbesondere die lärmigeren, schrägeren Klänge nicht immer zeitgemäß klingen. Was vor einigen Jahren noch die unheimlichen Weiten des binären Systems geheimnisvoll andeutete, weckt heutzutage vor allem Erinnerungen an Geräusche kaputter Modems.

Die unspektakuläre Präsentation, zwei extrem nervige, pseudo-intellektuelle Videos in Endlosschleife und zwei Protagonisten, die vor lauter Elektroniker-Habitus nie mit dem Publikum kommunizieren, aber derart konzentriert auf ihre Instrumente starren, als könne jeden Moment etwas völlig Unerwartetes geschehen, verhindern nicht, dass Rother und Moebius nach zwei Stunden mit donnerndem Applaus verabschiedet werden.

Schlosskirche. Martin Blasius ist auf den Opernbühnen Europas zu Hause. Er verfügt über eine große Stimme und Ausdruckstiefe. In der Schlosskirche brachte er nun Schuberts Winterreise mit der Pianistin Ingrid Wessels zur Aufführung. Ein halliger Saal, ein voluminöser Bass, der sich das Dramatische förmlich einverleibt hat - das muss den intimen Gestus des Liedes unterwandern.

Obgleich Blasius mit seiner angenehm wohltönenden Stimme oft sehr einfühlsam sang, angenehm schlicht und ohne aufgesetztes Vibrato, so legte er an allen eindringlicheren Stellen ein Volumen an den Tag, das sich normalerweise gegen ein Opernorchester durchsetzen und an ein hundertfaches Publikum richten würde. Ein weiteres Manko war die mangelnde Transparenz in der Klavierbegleitung. Ein differenzierterer Anschlag hätte der akustischen Ausgewogenheit gute Dienste getan. Den Klang von Blasius' Stimme allerdings wird man noch lange im Ohr behalten.

Wasserwerk. "It's The City", so heißt das neue Album mit dem die Sängerin Ulita Knaus seit gut einem halben Jahr durch die Lande tourt. Im Rahmen der Riverlounge-Konzerte machte die Hamburgerin jetzt mit ihrer Band im Alten Wasserwerk halt, um im dortigen ehemaligen Parlamentssaal Kostproben aus ihrer vierten CD zu präsentieren.

Vertonte Großstadtgeschichten, die das pulsierende Leben in den Metropolen widerspiegeln, mal laut und hektisch, oder auch energisch und Energie geladen ein andermal aber eher ruhigere und gelassenere Züge annehmen. Um dieses Lebensgefühl musikalisch auszudrücken, verwendet die Sängerin und Songwriterin mit ihrer Band Elemente aus Jazz, Rhythm?n?Blues, Soul, Latin und Pop, die in anspruchsvollen, mitunter sehr dichten Arrangements miteinander verbunden werden.

Die Nand mit Mischa Schumann (Piano/Keyboards), Gerold Donker (Bass) und Heinz Lichius (Drums) spielte auf hohem musikalischem Niveau. Ulita Knaus verfügt dabei über eine ausgebildete und schöne Stimme. Doch insgesamt wirkte derAuftritt etwas unterkühlt, so dass man sich bisweilen in eine zwar schicke aber unpersönliche New Yorker Loft-Wohnung versetzt fühlte.

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