Deutsch-türkische Musikwoche in Bad Godesberg „Wir wollen weiter frei leben“

Bad Godesberg · 62 Sänger aus der türkischen Mittelmeermetropole Izmir nehmen an einem interessanten Projekt von Ako Forum teil. "Das, was in der Türkei passiert, belastet uns alle sehr", sagt einer.

 Deutsch-Türkisches Chorprojekt im AKO

Deutsch-Türkisches Chorprojekt im AKO

Foto: Barbara Frommann

Ein Trommelwirbel geht durch die Kirche des Aloisiuskollegs (Ako). Das Ako-Orchester Godesberger Schüler lässt bei dieser Probe vor zwei Deutsch-Türkischen Freundschaftskonzerten das Nazım-Oratorium des türkischen Komponisten Fazıl Say durchs Gotteshaus schallen. Die Dirigenten Ilhan Akyunak und Fatih Köseoglu nicken den 62 Sängern der Yasar Universität Izmir und des Musikgymnasiums Isılay Saygın Anadolu Güzel Sanatlar Lisesi zu. Gleich werden ihre Solisten zu einem Werk die Stimmen erheben, das als eindringliche Mahnung für den Frieden in der Welt gilt.

„Der Komponist ist mit dem Beethovenpreis ausgezeichnet worden“, flüstert Robert Wittbrodt, Leiter dieses Projekts des Ako Forums. Und Say sei 2016 erst nach jahrelangem juristischen Tauziehen in Istanbul vom Vorwurf der Verunglimpfung religiöser Werte freigesprochen worden, fügt Wittbrodt noch hinzu.

Ako-Dirigent Paul Schlenzielorz steht ebenfalls bereit. Die zweite Türkische Musikwoche Godesbergs nach 2014 hat sich das Motto „Mit Musik Grenzen überwinden“ gewählt – ein mutiges Ansinnen in Zeiten, in denen Ankaras Regierung und ihre Medien täglich neu die populistische Nazi-Keule gegen Deutschland auspacken.

„Die Deutschen sind so warmherzige Menschen“, antwortet der junge Tenor Arda Aybek im GA-Gespräch. Der Musikstudent ist zum ersten Mal hier. „Jeder hilft uns, ist für uns da. Wir danken allen Deutschen hier in Bad Godesberg sehr“, betont Aybek. Die anderen in der Runde nicken. Das Klima zwischen Deutschen und Türken sei so freundlich wie vor zwei Jahren, meinen jetzt auch die Baritone Canberk Asik und Emre Cetiner. Auf den großen Weltbühnen wollen die beiden einmal auftreten. „Dafür möchte ich in Deutschland weiter studieren“, hat Asik schon ganz konkrete Pläne.

Besorgte Blicke der Gruppenleiter

Wie gehen die jungen Türken denn mit der Eskalationspolitik ihrer Regierung um? Entnervtes Lachen ist in der Runde zu hören. „Wir wollen weiter frei leben und uns nicht Grenzen ziehen lassen“, wird in fließendem Englisch geantwortet. Man sei liberal.

Inzwischen sind die Antworten den Gruppenleitern ins Türkische übersetzt worden. Sorgenfalten zeigen sich auf deren Gesichtern. „Wir sind alle bloß Musiker. Wir machen keine Politik. Wir glauben, dass Musik alle Mauern überwindet“, betont die Pianistin Asli Giray Akyunak. Die jungen Leute verstummen plötzlich. Die Proben gehen mit Felix Mendelssohn-Bartholdys „Psalm 42“ weiter. „130 muslimische und christliche Jugendliche üben an einem katholischen Kolleg einen biblischen Psalmtext eines zum Protestantismus konvertierten jüdischen Komponisten“, kommentiert Wittbrodt.

Man verstehe sich untereinander sehr gut und diskutiere auch durchaus politisch, berichten später die Godesberger Schüler Karl-Renan Schutz und Marie Josten. Sie haben die Moderation des heute in der Deutschen Welle stattfindenden Abends „Deutsch-Türkische Begegnung in Wort und Musik“ übernommen. Schutz hat selbst eine kurdisch-türkische Mutter, kennt die Spannungsfelder seit Jahren. „Das, was in der Türkei passiert, belastet uns alle sehr“, sagt er.

Das Ako Forum veranstalte diese zweite Türkische Woche ganz bewusst, nachdem 2015 die Godesberger Schüler in Izmir auftraten, aber die jungen Türken 2016 zur Zeit des Putschversuchs keine Ausreisegenehmigung erhielten, erläutert Wittbrodt. Das Düsseldorfer Humboldt-Gymnasium habe gerade seine Partnerschaft aufgekündigt. „Aber wir machen weiter und hoffen, dass Musik die politischen Probleme überdauert.“

Begegnungsabend: Diesen Dienstag, 20 Uhr, Deutsche Welle, Kurt-Schumacher-Straße 3. Die Konzerte: 23. März, 20 Uhr, Ako, Elisabethstraße. 24. März, 20 Uhr, Humanwissenschaftliche Fakultät Köln, Gronewaldstraße 2.

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