Zukunft Bad Godesbergs „Man soll den Stadtbezirk nicht immer schlecht reden“

Bad Godesberg · Der in Bad Godesberg lebende Ex-Ministerpräsident Peer Steinbrück hatte Kommunalpolitiker kritisiert, die Realität des Medizintourismus zu verdrängen. Jetzt gibt es eine Antwort.

 Die kulturelle Vielfalt als Potenzial zu nutzen, sehen Kommunalpolitiker als eine Aufgabe im Stadtbezirk.

Die kulturelle Vielfalt als Potenzial zu nutzen, sehen Kommunalpolitiker als eine Aufgabe im Stadtbezirk.

Foto: Ronald Friese

Es waren zwei Absätze in einem langen Interview, aber sie haben für Diskussionen gesorgt. Peer Steinbrück, Ex-Finanzminister, Ex-NRW-Ministerpräsident und seit 1998 Bad Godesberger, macht sich Sorgen um den Stadtbezirk. Und zwar mit Blick auf den Medizintourismus, die Rolle der Kommunalpolitik und den Einsatz der Verwaltung (siehe Kasten).

„Im April 2018 hat die Verwaltung mit der ersten Leitbildkonferenz einen intensiven und beteiligungsorientierten Austausch gestartet“, hält das städtische Presseamt Steinbrücks Kritik entgegen Ziel sei, „eine langfristige Strategie für den Stadtbezirk zu entwickeln“. Aus dem Leitbild sollen sich konkrete Maßnahmen entwickeln, unter anderem soll die Innenstadt rund um den Theaterplatz baulich aufgewertet werden. Auch die Kurfürstliche Zeile ist Teil der Diskussion – dort könnte, wie berichtet, die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg einziehen.

Steinbrücks Beschreibung sei „ein Teil der Wahrheit in Bad Godesberg. Aber eben nur ein Teil“, sagt Hillevi Burmester (SPD). Es gebe verschiedene Auswirkungen des Medizintourismus: die zusätzliche Überteuerung von Wohnraum und den Verlust des Sicherheitsempfindens auf der einen, aber auch steigende Einnahmen für einen Teil der Geschäftsleute und Vielfalt im gastronomischen Angebot auf der anderen Seite. „Entsprechend gibt es unterschiedliche Ansatzpunkte für Konzepte“, so Burmester. Sie nennt die Zweckentfremdungssatzung oder den Dialog aller Beteiligten wie Kliniken, Ärzte und Wohnungsvermittler.

Ansatzpunkte gebe es in Bad Godesberg viele, meint Christoph Jansen (CDU). So zum Beispiel das Schauspielhaus, die Ortsteile am Rhein oder die Kurfürstliche Zeile. Dass sich einiges tue, zeige sich am Leitbildprozess, der auf reges Interesse stoße. „Was die Auswirkungen des Medizintourismus angeht, ist dies sehr wohl ein Thema, das vorn auf der Agenda der CDU steht.“ So habe man im Stadtrat eine Taskforce mit eigenem Personal beschlossen, „die bereits erste Erfolge zu vermelden hat“. Von Geschäftsleuten wisse man, „dass der Medizintourismus nun schon im zweiten Jahr hintereinander zurückgegangen ist“.

Bürger arbeiten an Leitbild mit

Das Potenzial Bad Godesbergs hebt Wolfgang Heedt (FDP) hervor. Das zeige sich unter anderem an der geplanten Ansiedlung der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in der Kurfürstlichen Zeile, an der die Liberalen seit 2015 gearbeitet hätten. Auch der Leitbildprozess habe viele Bürger zur Mitarbeit motiviert – und lenke viel Aufmerksamkeit auf Bad Godesberg. „Ausbaufähig ist in Bad Godesberg der klassische Wochenend- und Städtetourismus“, meint Heedt.

Der Bürger Bund Bonn (BBB) stimmt Steinbrücks Kritik zu: Er beschreibe die Lage in Bad Godesberg sehr treffend, sagt Marcel Schmitt. Die Stadt sei gefragt. Sie müsse gegen die Zweckentfremdung vorgehen, sie müsse für Sauberkeit in den Parks sorgen. Außerdem müsse sie den Abbau der Infrastruktur vor Ort und den Verkauf städtischer Immobilien stoppen. Dass die Kommunalpolitik offensichtliche Veränderungen „verdränge“, treffe für die Jamaika-Koalition im Rat sowie die Mehrheit in der Bezirksvertretung zu, so Schmitt.

„Man soll Bad Godesberg nicht immer schlecht reden“, entgegnet Monika Heinzel (Grüne). Klagen höre man meistens von älteren Godesbergern, „weil sie Bad Godesberg als Diplomatenstandort mit der heutigen bunten Gemeinschaft vergleichen“. Es sei richtig, dass viele alteingesessene Geschäfte verschwänden und durch Billigläden ersetzt würden, aber es gebe „auch spannendes Neues“. Mit Blick auf den Medizintourismus solle man den Fremden so tolerant und weltoffen entgegentreten wie zu früheren Diplomatenzeiten. Die Politik verdränge nichts, vielmehr steuere sie mit Konzepten.

Steinbrück benenne zutreffend bestehende Probleme, die aber „meines Erachtens nicht die drängendsten sind“, sagt Ralf Jochen Ehresmann (Linke). Seine Partei stehe für den Erhalt einer vollumfänglichen Infrastruktur im Stadtbezirk, mit Bad, Theater, Stadthalle und Verwaltungssitz.

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