Interview mit Ursula Brohl-Sowa "Wir sind sehr wohl präsent"

Ursula Brohl-Sowa im GA-Interview über Einbruchszahlen, Salafisten und ihr erstes Jahr als Bonner Polizeipräsidentin.

Was war im ersten Jahr für Sie persönlich positiv?
Ursula Brohl-Sowa: Positiv waren die Offenheit und Loyalität und das vorbehaltlose Annehmen meiner Kollegen und Kolleginnen mir gegenüber. Sie haben sich auf mich eingelassen und ich mich auf sie. Wir sind zusammengewachsen. Positiv waren auch die Aufnahme in den Räten und die mir entgegengebrachte Offenheit der politisch Verantwortlichen der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises.

Und was negativ?
Brohl-Sowa: Negativ war der Einsatz 5. Mai. Das war ein prägendes, traumatisches Ereignis für alle, die damit zu tun hatten. Das war die Tatsache, dass etliche Kollegen verletzt worden sind, davon zwei schwer. Hinzu kommt, dass offensichtlich Entwicklungen in der Gesellschaft vonstatten gehen, die uns beunruhigen müssen. Dass gewisse Grundrechte in der Verfassung nicht mehr so beachtet werden. Das hat mich sehr getroffen. Das Nachbereitungsverfahren war nicht negativ, aber schwer.

Inwiefern?
Brohl-Sowa: Die Gewalttätigkeiten der Salafisten hatten eine neue Dimension. Das haben wir falsch eingeschätzt. Wir haben die Prozesse analysiert und uns selbst nicht geschont. Es ist wichtig für die Kultur der Polizei, auch mal Fehler einzugestehen. Wir sind offen und transparent mit dem Thema umgegangen. Sonst hätten wir das Vertrauen der am Einsatz Beteiligten auch nicht mehr zurückgewonnen.

Die Polizei hat viele Aufgaben. Reicht das vorhandene Personal aus?
Brohl-Sowa: Ob Personalschlüssel und Aufgaben zusammenpassen, ist eine Frage der Sichtweise. Ich als Behördenchefin wünsche mir immer mehr Personal. Aber man muss sich auch kritisch fragen, was eigentlich Aufgabe der Polizei ist. Und ob ich die Prozesse intern verschlanken und Ressourcen heben kann, zum Beispiel durch eine bessere Abstimmung zwischen den Direktionen.

Die Situation wird sich nicht verbessern. Nach Vorgaben der Landesregierung muss die Polizei spätestens ab 2017 massiv sparen. Was bedeutet das für die Bonner Behörde?
Brohl-Sowa: Wir haben für die nächsten Jahre vorgesorgt. Dadurch, dass wir drei Einstellungsjahrgänge mit 1400 Kommissaranwärtern in der Ausbildung haben. Insofern habe ich keine Sorge. Aber es wird viele Diskussionen geben, wo und wie gespart werden kann. Eine große Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Ab 2017 kommen die großen Pensionierungswellen. Ich kann nicht sagen, wie die Personalausstattung der Polizei Bonn dann sein wird.

Sind die Probleme Überalterung der Beamten und der hohe Krankheitsstand gelöst?
Brohl-Sowa: Es ist zu früh, dass zu beurteilen. Ich gehe aber optimistisch davon aus, dass sich die Krankenstände zumindest nicht mehr erhöhen. Gute Führung ist sicherlich ein Schwerpunkt. Aber auch andere Inhalte des umfangreichen Projekts "Behördliches Gesundheitsmanagement", wie Sport und Gesundheit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sind von großer Bedeutung. Der hohe Altersdurchschnitt senkt sich ein wenig durch die Neueinstellungen. Aber wir sind trotzdem immer noch im Durchschnitt fast 50.

Wie sieht es auf den Wachen aus?
Brohl-Sowa: Wir haben die personelle Ausstattung der Wachen erhöht, weil wir gesehen haben, dass die bisherige Berechnung nicht getragen hat. Wir haben sowohl personell als auch organisatorisch alle Wachen gestärkt.

Bürger beklagen sich dennoch darüber, dass die Polizei zu wenig präsent ist, dass Hinweisen nicht nachgegangen oder sie auf den Wachen "abgewimmelt" werden. Können Sie das entkräften?
Brohl-Sowa: Wir sind in unterschiedlichsten Bereichen, zu unterschiedlichsten Zeiten sehr wohl präsent. Insbesondere erhöhen wir unsere sichtbare Präsenz in Stadtteilen, die in besonderem Maße betroffen sind. Das trifft zum Beispiel bei Wohnungseinbruch für Meckenheim und Bad Godesberg zu. Da wird nicht nur der Posten- und Streifendienst tätig. Wir setzten darüber hinaus die Bereitschaftspolizei und den Bezirksschwerpunktdienst ein. Mit Blick auf die Polizeipräsenz weiß ich, dass die Bürger an bestimmten Stellen am liebsten die ganze Nacht einen Streifenwagen stehen hätten. Dass das nicht leistbar ist, versteht sich von selbst. Allerdings wird nicht wahrgenommen, wenn wir in Zivil unterwegs sind. Man kann sicher sein, dass wir in Brennpunkten besonders reagieren. Zu Ihrer zweiten Frage kann ich nur sagen: Das ist etwas, was überhaupt nicht sein darf. Wenn ich so etwas höre, dann werde ich mir den betreffenden Beamten schnappen. Wir werben ja darum, dass wir Hinweise bekommen.

Welche Bereiche sind besonders betroffen?
Brohl-Sowa: Mit Blick auf die Einbruchskriminalität ist das Meckenheim.

Gerade dort gibt es Vorwürfe, dass die steigende Zahl der Einbrüche nicht kommuniziert worden sei.
Brohl-Sowa: Wir haben die Vorwürfe zum Anlass genommen, unser Frühwarnsystem zu verbessern, um schneller und flexibler agieren und reagieren zu können.

Greift das Frühwarnsystem?
Brohl-Sowa: Wir haben seit Anfang des Jahres etliche Einbruchsserien aufklären, Täter festnehmen und die Aufklärungsquote in diesem Deliktsbereich weiter verbessern können. Wir haben 167 Tatverdächtige ermittelt. Dies ist ein Indiz für unsere konsequente Spurensicherung und -auswertung, beharrliche Ermittlungsarbeit und unsere zielgerichteten Aktivitäten auf der Straße. In der Aufklärung von Einbruchsdiebstählen stehen wir landesweit an der Spitze. Ich mache mir dennoch keine Hoffnung, dass die Einbruchszahlen sinken. Die Zahlen sind landesweit erheblich gestiegen. Sie steigen auch immer in den Bereichen, die verkehrstechnisch gut erreichbar sind. Dafür ist Meckenheim ein Prototyp.

Was haben Ihre Auswertungen noch gezeigt?
Brohl-Sowa: Sie haben auch gezeigt: Polizeiliche Präsenz mit motorisierten Streifen und Standkontrollen kann nur bedingt Einbrüche verhindern. Schon deshalb setzen wir jetzt auch gezielter und verstärkt auf die Mithilfe unserer Bevölkerung. Der Ruheständler, der Kioskbetreiber um die Ecke oder der Postbote, also diejenigen, die sich zu tatrelevanten Zeiten in ihrem Wohnbereich aufhalten oder dort tätig sind, können uns maßgeblich unterstützen.

Welche Täter sind besonders in Bonn unterwegs?
Brohl-Sowa: Das hängt vom Stadtteil ab. Das sind zum einen reisende Täter, die bandenmäßig strukturiert sind. Sie stammen häufig aus Südosteuropa und sind auf den schnellen Erfolg aus. Zum anderen sind es Intensivtäter, die vor Ort wohnen. Wenn sie im Gefängnis sitzen, sinken die Zahlen drastisch. Außerdem ist in Bonn die Beschaffungskriminalität ein heikles Thema.

Wodurch kommt das?
Brohl-Sowa: Es gibt in Bonn eine besondere Drogenszene. Es gibt eine gute Infrastruktur mit Ärzten und Sozialeinrichtungen. Das entfaltet offensichtlich auch eine gewisse Sogwirkung. Eine wichtige Rolle spielt die Wache Gabi. Ich bin dort schon nachts mit Streife gegangen. Es ist bemerkenswert, dass meine Kollegen alle Menschen mit Namen und ihre Biografie kennen.

Bonn und vor allem Bad Godesberg gilt als Hochburg radikaler Islamisten. Wie konkret ist die Bedrohung?
Brohl-Sowa: Im Moment sehe ich keine konkrete Gefährdung. Es ist eine abstrakte Bedrohung.

Reichen die zehn zusätzlichen Stellen im Staatsschutz aus, dem Problem zu begegnen?
Brohl-Sowa: Nach unserem Dafürhalten reicht das aus. Wir haben uns da gut aufgestellt. Es gibt auch noch den muslimischen Kontaktbeamten, der den Kontakt zu den islamischen Vereinen hält. Die Bekämpfung von Extremismus, und damit meine ich nicht nur den religiösen Extremismus, ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der viele Akteure mitwirken müssen.

Wie schätzen Sie die Situation an der neuen Moschee an der Brühler Straße und bei dem Kulturverein in Mehlem ein?
Brohl-Sowa: Wir haben keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich dort religiöse Extremisten aufhalten, was nicht heißt, dass wir keinen Blick auf potenzielle Treffpunkte religiöser Extremisten haben. Grundsätzlich gilt, die Tatsache, dass Moscheen gebaut und genutzt werden, ist ein selbstverständliches Recht eines jeden Menschen, der Religion ausüben möchte.

Was wollen Sie als nächstes anpacken?
Brohl-Sowa: Ich möchte das Gesundheitsmanagement weiter führen und die Behörde so voranbringen, dass sie mit den vorhandenen Ressourcen so effektiv wie möglich arbeitet. Und ich möchte bewirken, dass meinen Kollegen und Kolleginnen intern wie extern die Wertschätzung entgegen gebracht wird, die sie verdienen. Ich möchte, dass meinen Leuten auf der Straße mit Respekt begegnet wird, was leider nicht immer so ist.

Stimmt es, dass Sie als Polizeipräsidentin in Berlin im Gespräch sind?
Brohl-Sowa: Glauben Sie nicht dran.

Zur Person:
Ursula Brohl-Sowa (57) ist seit November 2011 Polizeipräsidentin in Bonn. 1982 trat sie in den NRW-Landesdienst ein. Die Juristin begann ihre Laufbahn beim Bauministerium. Ab 1989 war sie in verschiedenen Führungsfunktionen im Innenministerium tätig. Brohl-Sowa lebt in Köln, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

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