Plagiatsvorwürfe Warum die Uni Bonn Margarita Mathiopoulos den Doktortitel entzieht

BONN · Der große alte Mann der Sozialdemokratie und eine aufstrebende, sehr schöne und intelligente Deutsch-Griechin: Das Personal hätte man für einen Film über die Erotik der Macht und die Architektur von Karrieren nicht besser aussuchen können. Mancher sah das anders. Und so wurde es der Plot für ein Drama über Niedertracht und Abstürze.

Im März vor 25 Jahren knallte es bei der SPD: Deren Bundesvorsitzender Willy Brandt (73) trat nach tagelangen Querelen zurück, und auch Margarita Mathiopoulos (30) stürzte tief. Brandt wollte die selbstbewusste Journalistin und Politologin, die er schon lange sehr gut kannte, als Pressesprecherin der Partei durchsetzen.

Doch die SPD mochte da nicht mitziehen - Mathiopoulos hatte nicht das richtige Parteibuch, hieß es. Manchem altgedienten Genossen war die junge Frau wohl auch zu progressiv. Mathiopoulos zog die Reißleine, um Brandt nicht noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen: Sie lehnte den Job ab. Der SPD-Chef nahm trotzdem seinen Hut.

Während sich Brandt 1987 zurückzog, versuchte Mathiopoulos auf dem akademischen Parkett durchzustarten. Ein Jahr zuvor hatte sie bei dem Historiker Karl Dietrich Bracher in Bonn ihre Dissertation abgeliefert, die unter dem Titel "Amerika: Das Experiment des Fortschritts. Ein Vergleich des politischen Denkens in den USA und Europa" publiziert wurde.

Margarita Mathiopoulos wechselte als Vize-Chefin ans Aspen-Instituts nach Berlin, wurde an verschiedenen Universitäten Gastdozentin und -professorin, publizierte viel, beriet Wirtschaftsunternehmen. Seit 2001 gehörte auch die FDP in ihr Beraterportfolio: Außen- und Sicherheitspolitik, auf diesen Feldern war sie tätig. Zuletzt war sie Beraterin von Guido Westerwelle.

Ende der 1980 Jahre regten sich erste Zweifel an der Integrität der Dissertation. Zwar waren etwa FAZ und Neue Zürcher Zeitung des Lobes voll, die Doktorarbeit gehöre "zu den wichtigsten und anregendsten Neuerscheinungen der letzten Jahre". Doch wer tiefer bohrte, entdeckte wörtliche und nicht als Zitat gekennzeichnete Übernahmen aus Werken der Historiker Horst Dippel und Hans R. Guggisberg sowie des Politologen Horst Mewes. Mathiopoulos reagierte 1989 auf die unter anderem im "Spiegel" veröffentlichten Parallelen und ließ über ihren Anwalt mitteilen, es sei "legitim, sich an wissenschaftliche Kompendien und Standardwerke eng anzulehnen, sofern die Quellen offengelegt werden".

"Sehr betroffen" gab sich damals der Doktorvater Bracher, und räumte ein, dass an "einigen Stellen die angewandten Arbeitsmethoden nicht wissenschaftlichen Gepflogenheiten entsprechen". Der Kern der geistigen Leistung der Doktorandin sei aber dadurch nicht beeinträchtigt.

Dieses Urteil und ein weiteres, das 1991 zwar von gravierenden Mängeln sprach, jedoch keine Täuschungsabsicht registrierte, ist gestern revidiert worden. 1991 hatte man 13 Prozent kritischer Plagiatstellen in der Dissertation gefunden, die Plattform "VroniPlag" enthüllte im vergangenen Jahr 46 Prozent Plagiat-Anteil. Die neueste Studie der Universität Bonn listet nun in ihrem 40-seitigen Abschlussbericht 320 Stellen auf, die, so Dekan Paul Geyer, nicht zufällig in die Arbeit kamen, sondern als "vorsätzliche Täuschung" gewertet werden müssen.

Für die akademische Karriere der Margarita Mathiopoulos ein schwerer Schlag: Die Universitäten in Braunschweig und Potsdam haben angekündigt, die Honorarprofessuren der 55-Jährigen zu entziehen.

Bonner Plagiatsfall Chatzimarkakis:
Der Fall Margarita Mathiopoulos steht in Bonn nicht alleine: Die Universität entzog dem FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis im Juli 2011 den Doktortitel. Zuvor waren im Internetforum "VroniPlag" Plagiatsvorwürfe gegen ihn aufgetaucht. Ende März 2012 scheiterte der FDP-Politiker vor dem Kölner Verwaltungsgericht mit einer Klage gegen die Entziehung seines Doktortitels.

Die Philosophische Fakultät der Bonner Universität habe zutreffend angenommen, dass Chatzimarkakis eine Täuschung begangen habe, urteilte das Gericht. Er habe weite Passagen seiner Dissertation wörtlich aus fremden Werken übernommen, ohne diese Passagen entsprechend den Regeln wissenschaftlicher Arbeit zu kennzeichnen. Damit habe er verschleiert, dass große Teile der Dissertation abgeschrieben seien.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort