Rückblick Vertrauen in Politiker erschüttert - Oberstaatsanwalt Apostel geht in Pension

BONN · "Lächeln" steht auf einem Schild auf dem bereits ausgeräumten Aktenschrank. Der befindet sich im Büro von Fred Apostel an der Kreuzstraße in Beuel. Die Besucher, die der frisch pensionierte Oberstaatsanwalt hier empfing, hatten jedoch meistens kaum einen Grund zum Lachen.

Sie kamen, weil der heute 65-Jährige sie verhören musste. 35 Jahre lang hat der Jurist sich vor allem mit Korruptionsfällen und Wirtschaftskriminalität beschäftigt.

Sein Markenzeichen: die knorrige Stimme am Telefon. Dazu graumelierter Bürstenhaarschnitt und Walross-Schnauzbart. Die Stimme werden jetzt auch viele Journalisten vermissen, denen Apostel als langjähriger Sprecher der Staatsanwaltschaft Bonn meistens am Telefon oder auf Pressekonferenzen Rede und Antwort stand.

Ein hochsensibles Geschäft, ging es doch dabei oft auch um spektakuläre Mordfälle. Ein Geschäft, das Apostel auf seine eigene, oftmals zugeknöpft wirkende Art meisterhaft verstand. Ein Ermittler darf keine Emotionen zeigen. Im Fall der ermordeten 14-jährigen Hannah aus Königswinter allerdings war auch ihm deutlich anzumerken, wie sehr die brutale Tat ihm unter die Haut gegangen war. "Das war das Schlimmste, was ich erlebt habe", gesteht der Vater einer Tochter und dreier Söhne.

Waren seine Auskünfte in seiner aktiven Zeit als Oberstaatsanwalt eher knapp und auf das Wesentliche konzentriert, so wirkt er jetzt geradezu offen. So viel zu erzählen hat der Mann, der in Niederkassel geboren wurde und in der Bonner Nordstadt aufwuchs. Das Abitur absolvierte der Sohn aus einfachen Verhältnissen auf dem Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium.

Eigentlich wollte er eine Laufbahn als Marinesoldat einschlagen, nachdem er auf der "Gorch Fock" seinen Wehrdienst abgeleistet hatte. Wegen der Mutter blieb er und studierte an der Bonner Universität Jura. Nach zwei Jahren bei der Staatsanwaltschaft in Aachen startete er 1982 seine Karriere bei der Bonner Behörde und wurde sogleich mit einem hochbrisanten Fall betraut: Apostel ermittelte im Parteispendenverfahren im Zuge der Flick-Affäre um illegale Zahlungen an deutsche Politiker.

Er verhörte damals einige "hohe Tiere". Unter ihnen Bundeskanzler Helmut Kohl, Willy Brandt und Hans-Dietrich Genscher. "Herr Kohl war der einzige, der persönlich einen Termin mit mir vereinbart hatte", erinnert er sich. Ohne Leibwächter stiefelte Kohl die vielen Treppen hoch, damals noch im einstigen Staatsanwaltschaftshaus an der Oxfordstraße. Bundesweit in die Schlagzeilen gelangte Apostel auch, als er gegen Radprofi Jan Ullrich wegen Dopingverdachts ermittelte.

Nach den damaligen Amnestieplänen der Regierung Kohl für Parteispendensünder war Apostel, den die "Berliner Zeitung" einen "geradlinigen Freund der Gerechtigkeit" nannte, bestürzt: "Ich empfand diese Pläne aus staatspolitischen Gründen als sehr bedrückend." Vor den Parteispendenverfahren habe er "fast Urvertrauen in unsere Politik gehabt", gestand er damals "Das ist geschwunden, das sage ich ganz ehrlich."

In den verstärkten Fokus der Bonner Öffentlichkeit geriet der Korruptionsexperte, als er die Ermittlungen gegen den ehemaligen, als hochinteger geltenden Stadtwerke-Chef und späteren Vorsitzenden der CDU-Ratsfraktion Reiner Schreiber aufnahm. Zu einer Verurteilung kam es nicht mehr.

Schreiber, der mindestens 1,5 Millionen Euro Schmiergelder erhalten haben soll, starb 2004 an Krebs. Zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde dagegen der einstige Geschäftsführer der Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft (RSAG), Karl-Heinz Meys. Apostel und seine Ermittlerkollegen hatten ihm nachweisen können, dass er von dem Müllunternehmer Hellmut Trienekens Schmiergelder in Millionenhöhe erhalten hatte.

Im größten Bauskandal der Bonner Nachkriegsgeschichte rund um das World Conference Center Bonn (WCCB) gelang ihm und seinen Kollegen mit der Verurteilung des WCCB-Investors Man-Ki Kim und zwei weiteren Angeklagten ein Etappensieg.

Die nächsten Verfahren, in denen unter anderen auch der ehemalige Bonner Stadtdirektor Arno Hübner und Bürgeramtschefin Eva-Maria Zwiebler auf der Anklagebank sitzen werden, kann und wird er nur noch als Beobachter verfolgen. Für die Verwunderung vieler Bürger darüber, dass die Ermittlungen gegen Ex-Oberbürgermeisterin und Verwaltungschefin Bärbel Dieckmann (SPD) vorerst eingestellt worden sind, hat Apostel zwar Verständnis, aber: "Die Aktenlage war nicht ausreichend", sagt er.

Apostel kennt auch die Spekulation, dass eventuell vom SPD-geführten NRW-Justizministerium ein Ermittlungsstopp angewiesen worden sei. Immerhin war Dieckmanns Mann Jochen Dieckmann einst NRW-Justizminister. "Das ist Quatsch", versichert er. "Es gab nichts, rein gar nichts, was wir Frau Dieckmann hätten vorhalten können, und ich habe keine Weisung erhalten." Das habe er bis auf eine frühere Ausnahme auch noch nie erlebt. "Ich höre übrigens schlecht", sagt er - mit einem Augenzwinkern.

Einmal, so erzählt er, sei gegen ihn selbst wegen Korruptionsverdachts ermittelt worden. Damals hatte er einen Vortrag vor den Grünen gehalten. Es gab eine anonyme Anzeige, er habe dafür Geld erhalten. "Ich habe für meine Vorträge nie einen Cent genommen", sagt Apostel. Er lasse sich stets lediglich die Fahrtkosten erstatten und - gegebenenfalls - eine Tasse Kaffee spendieren. "Alles andere geht gar nicht", sagt der langjährige Korruptionsbekämpfer.

Jetzt steht erst einmal Entspannung pur auf seinem Tagesplan. Wenn die letzte Abschiedsfeier über die Bühne gegangen ist, will er mit seiner Familie und seinen zwei Hunden Urlaub in Holland machen. Und mal sehen. Vielleicht wechselt Apostel zur schreibenden Zunft: "Ich könnte mir schon vorstellen, ein Buch zu schreiben."

Typisch bönnsch

An Bonn gefällt mir die ganz überwiegende Freundlichkeit der Menschen miteinander.

Ich vermisse künftig die Nähe des Rheins, denn ich wohne in Oberpleis und muss mich ab sofort ins Auto setzen, wenn ich ihn sehen will.

Mein Lieblingsplatz ist der Kaiserplatz mit dem wunderbaren Blick auf das Poppelsdorfer Schloss.

Typisch bönnsch ist für mich der unerschütterliche Glaube der Bonner Kommunalpolitiker, wie aktuell beim Festspielhaus, alles im Griff zu haben.

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