Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa: "Die Bevölkerung muss mitarbeiten"

Die Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa (56) hat im General-Anzeiger-Interview Stellung bezogen zu den Themen Einbrüche, Unfallzahlen und Bonn als Islamisten-Hochburg.

 Ursula Brohl-Sowa (56) steht an der Spitze des "relativ unweiblichen" Polizeipräsidiums.

Ursula Brohl-Sowa (56) steht an der Spitze des "relativ unweiblichen" Polizeipräsidiums.

Foto: Barbara Frommann

Sie ist die erste Frau auf dem Chefsessel der Bonner Polizei. Seit gut vier Monaten steht Ursula Brohl-Sowa an der Spitze von 1200 - zumeist männlichen - Mitarbeitern des Polizeipräsidiums in Ramersdorf.

Sie arbeiten zum ersten Mal in einer Polizeibehörde. Was hat Sie am meisten überrascht?
Ursula Brohl-Sowa: Ich lerne jeden Tag dazu und erlebe jeden Tag eine Situation, in der ich ins kalte Wasser geworfen werde. Überrascht hat mich eigentlich nichts, weil sich die Leitung einer Polizeibehörde inhaltlich nicht sehr von anderen Leitungspositionen unterscheidet. Es ist Aufgabe der Behördenleitung, Personal, Organisation und Prozesse zu managen sowie die Polizei nach außen zu präsentieren.

Ich werde keine Demonstrationen und auch keine Mordkommission leiten, keinen Schwertransporter begleiten und kein Disziplinarverfahren führen. Nicht überrascht, aber beeindruckt hat mich die Bewältigung des Großeinsatzes Afghanistan-Konferenz. Wir hatten mehr als 4000 Polizisten im Einsatz, und alles griff wie ein Räderwerk ineinander. Es war eindrucksvoll, mit welchem Einsatz und teilweise mit welchem Leuchten in den Augen die Kollegen dabei waren, weil es sie an frühere Verhältnisse erinnerte.

Leitet eine Frau eine Behörde anders als ein Mann?
Brohl-Sowa: Meine Mitarbeiter sagen ja. Meinen männlichen Kollegen ist aufgefallen, dass hier immer frische Blumen im Raum stehen. Von 18 Polizeipräsidenten in NRW sind immerhin acht Frauen. Wenn wir es schaffen, in den höheren Führungsebenen der Polizei mehr Frauen durchzusetzen, fände ich das sehr schön. Warum so wenig höherrangige Führungsfunktionen nicht mit Frauen besetzt sind, hängt wohl damit zusammen, dass uns die Basis fehlt und dass erst seit einigen Jahren starke Einstellungsjahrgänge speziell für Frauen existieren.

Wie weiblich ist denn Ihre Behörde?
Brohl-Sowa: Relativ unweiblich.

Welche Schwerpunkte wollen Sie in der nächsten Zeit setzen?
Brohl-Sowa: Die beiden größten Problembereiche sind die Diebstahlskriminalität und die Verkehrsunfallzahlen. Bei Letzteren haben wir eine erhebliche Zunahme der Zahl der Toten und Schwerverletzten zu verzeichnen. Wir haben uns mit der Polizeibehörde Siegburg und der Autobahnpolizei zusammen getan und versuchen, dem Anstieg durch stärkeren Kontrolldruck mit der Kampagne "Brems Dich - rette Leben!" zu begegnen.

Wie ist die Akzeptanz in der Bevölkerung zur jüngsten Geschwindigkeitsaktion, dem sogenannten Blitzmarathon?
Brohl-Sowa: Die Reaktionen waren überwiegend positiv. Das Thema "Abzocke" stand überhaupt nicht im Raum.

Sind Sie selbst schon einmal geblitzt worden?
Brohl-Sowa: Ehrlich gesagt, ja. Vor nicht allzu langer Zeit von einer festen Anlage auf der Severinsbrücke in Köln. Das Gelände Richtung Autobahn ist leicht abschüssig, und so fuhr ich 60 statt 50 und habe dafür berechtigterweise ein Verwarnungsgeld gezahlt.

Was tun Sie noch gegen die hohen Unfallzahlen?
Brohl-Sowa: Wir gehen im April mit dem sogenannten Crash-Kurs zum ersten Mal in die Schulen. Wir wollen mit diesem Projekt jungen Menschen zeigen, welche Folgen schwere Verkehrsverstöße haben können, und zwar durch Berichte von Opfern, Familienangehörigen, Seelsorgern, Ärzte und Krankenschwestern. Wir hoffen, dass junge Menschen bei Disco- und Wochenendfahrten auch auf die Bremse treten. Ob wir damit Erfolg haben, werden wir allerdings erst in einigen Jahren wissen.

Und was tun Sie gegen die vielen Wohnungseinbrüche?
Brohl-Sowa: Die machen uns und vielen anderen Polizeibehörden in NRW Sorgen. Wir sind unverändert auf hohem Niveau. Dieses Delikt brennt auch den Bürgern auf den Nägeln. Ich kann das nachvollziehen, aber ich kann nicht vor jedes Haus einen Polizisten stellen. Deshalb sind wir auch sehr stark präventiv unterwegs. Die Bevölkerung muss aber auch mitarbeiten. Meine Kollegen berichten mir immer wieder, dass sie bei Rundgängen jede Menge auf Kipp stehende Fenster sehen.

Wenn man es den Tätern so einfach macht, können wir noch so viele Polizisten auf die Straße schicken, dann nützt es nichts mehr. Es geht auch darum, dass die Bürgerinnen und Bürger aufmerksamer sind, die Polizei bei verdächtigen Wahrnehmungen informieren und selbst durch geeignete Sicherheitsvorrichtungen ihr Hab und Gut schützen. Mit der aktuellen Kampagne "Riegel vor - sicher ist sicherer" erhöhen wir den Kontrolldruck und geben wichtige Präventionshinweise an die Bevölkerung. Fenster verriegeln und Türen abschließen, wenn man seine Wohnung verlässt, das kostet nichts und hält viele Einbrecher von ihrem Tun ab.

Werden Sie in Ihrer Kripoabteilung personelle Konsequenzen aus dieser Entwicklung ziehen?
Brohl-Sowa: Wir haben unsere Aktivitäten auf der Straße, bei der Spurensicherung und Spurenaus-wertung, aber auch bei der Zusammenarbeit mit unseren Nachbarbehörden deutlich verstärkt. Mit ein Grund dafür, dass es unseren Ermittlern immer wieder gelungen ist, Serieneinbrecher dingfest zu machen.

Um Informationen über Wanderungsbewegungen auszutauschen, sind wir eine Partnerschaft mit dem Rhein-Sieg-Kreis, dem Land Rheinland-Pfalz und der Kölner Polizei eingegangen. Die Aufklärungsquote bei den Einbruchsdiebstählen ist nicht berauschend, aber wir haben es geschafft, die Aufklärungsquote auf 20 Prozent zu steigern. Wir wollen aber auch Erkenntnisse gewinnen über die reisenden Täter.

Ein weiteres Problem in ihrer Behörde ist die hohe Zahl von älteren Beamten.
Brohl-Sowa: Das stimmt. Wir sind das dienstälteste Polizeipräsidium in NRW. Das Durchschnittsalter liegt bei 50 Jahren, und es ist schwer, den Schichtdienst unter diesen Prämissen aufrecht zu erhalten. Normalerweise bekommt man so viel Nachersatz wie es Abgänge gibt. Aber in Bonn hat sich die Situation verschärft, weil die Stadt die Bundeshauptstadtfunktion verloren hat und von 2400 auf 1200 Stellen schrumpfen musste.

Erst 2011 haben wir wieder in nennenswertem Umfang Nachersatz bekommen. Diesen wollen wir auch für dieses Jahr bekommen. Ich bin optimistisch, dass das klappen wird. Die Einstellungszahlen für das Land sind in den letzten Jahren sukzessive auf 1400 erhöht worden, um diesem demografischen Problem zu begegnen. Was schwierig sein wird, ist, das Wissen der erfahrenen Kollegen an die jungen weiter zu geben.

Gibt es dafür Ideen?
Brohl-Sowa: Ich habe als erstes das Projekt Betriebliches Gesundheitsmanagement auf den Weg gebracht. Dies beschränkt sich nicht nur auf Sport, Ernährung und Wellness, sondern hat viel mit Arbeitsprozessen, Organisation und guter Führung zu tun. Man weiß, es gibt eine Korrelation zwischen guter Führung, niedrigen Krankenständen und Wertschätzung auf der einen sowie schlechter Führung, hohem Krankenstand und Nicht-Wertschätzung auf der anderen Seite. Wir überprüfen sinnvolle Schichtdienstmodelle zusammen mit den betroffenen Mitarbeitern und haben das Sportangebot erweitert. Doch das wird bisher noch nicht so genutzt wie es sein könnte.

Apropos Sport. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran?
Brohl-Sowa: Ich habe mich bisher nicht in der Leichtathletik getummelt, aber ich komme gerade vom Skilaufen zurück. Ich fahre lieber 80 Kilometer mit dem Fahrrad als eine Kugel zu stoßen.

Es gibt immer wieder Gerüchte, wonach Wachen in Bonn und der Region geschlossen werden. Wie sieht Ihre Planung aus?
Brohl-Sowa: Die Wachen werden so, wie sie sind, weiter existieren, auch im Schichtbetrieb. Ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern.

In jüngster Zeit ist der Respekt gegenüber Polizeibeamten immer weniger geworden. Sie werden beschimpft, beleidigt und sogar körperlich attackiert. Was wollen Sie dagegen tun?
Brohl-Sowa: Auf meinem Schreibtisch liegen sehr viele Strafanträge von Beamten. Die Anzeigen reichen von übelster Beschimpfung über sexuelle Beleidigung bis hin zur körperlichen Auseinandersetzung. Ich unterstütze diese Strafanträge. Respektlosigkeit ist aber kein Phänomen, das nur die Polizei angeht. Es ist ein gesellschaftliches Phänomen. Um dem zu begegnen, müsste man an der Wurzel ansetzen und Kindern beibringen, dass Menschen Respekt genießen und öffentliche Sachen einen Wert darstellen.

Wie beurteilt die Justiz solche Anzeigen in der Regel? Wie ist die Zusammenarbeit?
Brohl-Sowa: Die ist gut. Ich habe allerdings noch keinen Überblick, wie viele Fälle für unsere Beamten positiv bewertet worden sind. Wir haben das Thema "Gewalt gegen Polizeibeamte" im Auge. Zur Zeit findet eine landesweite Befragung aller Polizeibeamten unter wissenschaftlicher Leitung und Begleitung statt. Wir wollen Erfahrungen und Einschätzungen von Betroffenen unmittelbar erhalten, um daraus Schlüsse ziehen zu können.

Ist der Polizeiberuf heute überhaupt noch attraktiv, auch für Migranten?
Brohl-Sowa: Die Bewerberzahlen sprechen dafür. Von den aktuell 1400 neuen Polizeianwärtern in NRW sind zehn Prozent Migranten. Das entspricht wahrscheinlich nicht dem Verhältnis der Bevölkerung, hängt aber auch damit zusammen, dass nur derjenige den Polizeiberuf erlernen kann, der Abitur hat. Der Beamte mit einem bestimmten kulturellen Hintergrund kann schneller und besser mit Sorgen und Nöten umgehen und übersetzen. Deshalb hätte ich in der Polizei gerne einen Spiegel der Gesellschaft.

Wie weit ist Bonn davon entfernt?
Brohl-Sowa: Den Anteil kenne ich nicht, weil die Erfassung nur bei den Einstellungen erfolgt und danach nicht mehr. Das hat mit Datenschutz zu tun.

Bonn gilt als Islamisten-Hochburg. Wie groß ist die Gefahr?
Brohl-Sowa: Ich habe momentan keinen Grund zu der Annahme, dass wir einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sind. Es ist bekannt, dass wir in Bonn beim Thema Islamismus eines der Zentren sind.

Der Staatsschutz sollte deswegen personell aufgestockt werden.
Brohl-Sowa: Das ist geschehen.

Wie viele Mitarbeiter sind denn gekommen?
Brohl-Sowa: Die Polizei Bonn hat eine bestimmte Anzahl von Stellen zur Bekämpfung des islamistischen Terrorismus zugewiesen bekommen. Das tatsächliche einsetzbare Personal übersteigt diese Zuweisung. Die Offenlegung, wann und wie das Personal beim Staatsschutz eingesetzt wird, verbietet sich aus Sicherheitsgründen.

Was halten Sie von Forderungen der Gewerkschaften und Parteien nach einem Verbot einer geplanten Demo aus dem rechten Spektrum am 1. Mai?
Brohl-Sowa: Mein größtes Ziel ist es, dass alle Veranstaltungen friedlich verlaufen. Die Polizei kann nachvollziehen, dass viele Bonner angesichts der besonderen Symbolwirkung des 1. Mai den Wunsch haben, dass Aufzüge und Kundgebungen aus dem rechtsextremen Spektrum durch die Polizei verboten werden sollten. Wir haben fortlaufend geprüft, ob Verbotsgründe vorliegen. Bislang liegen sie nicht vor, aber wir prüfen weiter. Auch die Rechten sind Grundrechtsträger. Es gibt viele Urteile, die das bestätigen. Wir bewegen uns in einem Spannungsverhältnis zwischen dem, was die Gesellschaft von der Polizei fordert, nämlich eine solche Demonstration zu verbieten, und dem grundgesetzlich geschützten Versammlungsrecht.

Rechnen Sie mit gewalttätigen Gegendemonstranten, wenn es zu diesem Aufmarsch kommt?
Brohl-Sowa: Es gibt derzeit dafür keine konkreten Hinweise, wir wissen aber, dass es in der zurückliegenden Zeit in anderen Städten dazu gekommen ist. Insofern ist die Gefahr nie auszuschließen. Wir unterstützen den friedfertigen Protest als Mittel der demokratischen Auseinandersetzung und suchen daher schon vorher die Kommunikation mit Bürgern, politischen Entscheidungsträgern sowie den Gewerkschaften und anderen Institutionen.

Wir appellieren an alle gesellschaftlichen Gruppen, sich friedlich zu verhalten. Wir wissen, dass auf uns ein schwieriger Einsatz zukommt. Deshalb bereiten wir uns mit Unterstützung des Ständigen Stabs Münster darauf vor. Wir stehen mit allen Polizeibehörden in Kontakt, die mit Rechts-Links-Demos zu tun hatten, um das Beste daraus zu lernen.

Das Polizeipräsidium: Im Polizeipräsidium Bonn sind insgesamt 1200 Angestellte und Beamte sowie 200 Auszubildende beschäftigt. Sie sind zuständig für Bonn, Königswinter, Bad Honnef und den linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. Das Polizeipräsidium ist in vier Direktionen unterteilt: die Direktion Zentrale Aufgaben, die Direktion Kriminalität, die Direktion Verkehr und die Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz. Dieser sind die Polizeiinspektionen I (Innenstadt und rechtsrheinisches Gebiet) und II (Bonner Westen) zugeordnet. (jab)

Zur Person: Ursula Brohl-Sowa (56) ist seit Mitte November Polizeipräsidentin in Bonn. Nach Abschluss ihres Studiums trat sie 1982 in den Landesdienst Nordrhein-Westfalen ein. Die Juristin begann ihre Laufbahn beim Bauministerium. Ab 1989 war sie in verschiedenen Führungsfunktionen im Innenministerium tätig. Zuletzt führte sie als stellvertretende Abteilungsleiterin das Referat für Landesorganisation und Verwaltungsmodernisierung. Brohl-Sowa lebt in Köln, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. (dab)

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