Trauer über das Ende der Radiozeit

BONN · Mitarbeiter der Deutschen Welle in Bonn sorgen sich um die Zukunft des Auslandssenders: "Seit dem 30. Oktober 2011 geht das Deutsche Programm neue Wege", liest man auf der Internet-Seite des deutschen Auslandssenders mit Funkhäusern in Bonn und Berlin.

Nicht jeder scheint diesem Weg willig oder hoffnungsfroh folgen zu wollen. Das Ende der Radiozeit - die Deutsche Welle (DW) hat ihr Kurzwellenprogramm nach 60 Jahren zugunsten der Online-Präsenz eingestellt - kratzt am Selbstverständnis der Mitarbeiter, weckt auch Ängste. Denn noch steht der im Rahmen der Sparreform und Neustrukturierung angepeilte Abbau von Arbeitsplätzen im dreistelligen Bereich im Raum.

Stoff genug für die Personalversammlung gestern im Gremiensaal der DW, die erste seit dem Ende der Radiozeit. Und eine erste Entwarnung durch Intendant Erik Bettermann: Es werde keine betriebsbedingten Kündigungen geben, wohl aber Vorruhestandsregelungen und die Kündigung von Zeitverträgen. Das Gros der Personaleinsparungen werde freie Mitarbeiter treffen, meinte DW-Pressesprecher Johannes Hoffmann.

Über 20 Radiosprachen hatte die DW einst im Angebot, ein weltumspannendes Netz über die analoge Kurzwelle. Das ist jetzt Geschichte. Nur ein markantes Beispiel aus einer Flut von Hörerbriefen: "Ab jetzt keine Deutsche Welle mehr. Deutschland schafft sich ab", schrieb ein Seemann.

So weit die Seite der Nutzer. Für die DW-Mitarbeiter bedeutet der Umbau eine Reduktion von technischen und redaktionellen Arbeitsplätzen in noch unbekannter Zahl. Es herrscht auch Sorge über die Zukunftsfähigkeit des Senders. Stimmen aus der DW sprechen von Ratlosigkeit und tiefem Frust, wenig Vertrauen in die neue Multimedia-Ausrichtung der Welle. Mehr Video könnte etwa Gefahren für die Sprachredaktionen in Bonn bedeuten.

Bei der Personalversammlung, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, war von Chaos beim Umbau und fehlender Orientierung die Rede. Die DW brauche neue Produkte für neue Märkte, hieß es auch. Doch der Weg dahin sei schwierig. Warum? Die DW sei Sender mit zwei Standorten und eigenen gewachsenen Unternehmenskulturen sowie zwei Programmdirektoren, die sich nicht grün seien, erklärte ein Mitarbeiter.

DW-Sprecher Hoffmann hat Verständnis für mancher Ängste, aber "wir müssen die DW multimedial so aufstellen, dass sie eine Zukunft hat". Der Prozess dahin sei im Gange, "die Strukturreform greift aber erst Anfang 2012". Bonn, bislang mit Schwerpunkt auf Hörfunk und Online, werde sich vermehrt der Fernsehproduktion widmen und darin viel enger als bisher mit Berlin zusammenarbeiten. Derzeit werden TV-Magazine etwa für osteuropäische Sprachen adaptiert und mit großem Erfolg in den Ländern ausgestrahlt. TV ersetzt das Radio.

Deutsche Welle unter Spardruck: Hintergrund der Reform der Deutschen Welle (DW) ist neben einer Reaktion auf die weltweit gewandelte Mediennutzung ein massives Finanzproblem. Gegenwärtig bekommt die DW 273 Millionen Euro aus dem Etat des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Laut Valentin Schmidt, Vorsitzender des DW-Rundfunkrats, beträgt die Deckungslücke für 2011 bereits "mindestens zehn Millionen Euro".

Der deutsche Auslandssender hat Funkhäuser in Berlin und Bonn, rund 1.500 feste (1.100 in Bonn) und doppelt so viele freie Mitarbeiter. Der Umstrukturierung könnten, so Erik Bettermann, seit 2001 DW-Intendant, Arbeitsplätze im dreistelligen Bereich zum Opfer fallen. t.k.

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