Winterdienst in Bonn Straßen werden nach Prioritätenliste geräumt

BONN · Nach dem Schneechaos Mitte Januar und Mitte März auf Bonner Straßen musste die für den Winterdienst zuständige Stadtreinigung "bonnorange" ordentlich öffentliche Schelte einstecken. Olaf Schmidt, Chef der Anstalt öffentlichen Rechts, gab Fehler im eigenen Hause zu und kündigte ein neues Konzept für den Winterdienst an. Dieses hat der Stadtrat am Donnerstagabend bis auf wenige Änderungen abgesegnet.

Kern des Konzeptes: Es wird erstmals eine Prioritätenliste von Straßen erstellt, die geräumt werden. Mit dem derzeitigen Fuhrpark und Personal können in der höchsten von vier Prioritätsstufen 320 sogenannte Räumkilometer in zwei Stunden gestreut beziehungsweise geräumt werden, hatte bonnorange-Geschäftsbereichsleiter Richard Münz dem GA am Mittwoch erklärt.

Da mehrspurige Straßen wie die B9 mehrfach befahren werden müssen, können so unterm Strich "etwa 170 Kilometer Straßen im Extremfall geräumt werden", so Münz. Mit der Priorisierung soll sich die Räumzeit auf den "verkehrswichtigen und gefährlichen Straßen" (Prioritätsstufe 1) im Vergleich zu den Vorjahren halbieren.

Gleichzeitig müssten sich die Verkehrsteilnehmer aber auch damit abfinden, dass im Extremfall weniger als die Hälfte der Straßen als bislang - 824 Kilometer - geräumt werden, so Münz. Bonnorange strebe mittelfristig "400 Räumkilometer" für die oberste Prioritätsstufe an, "was aber nur mit mindestens elf zusätzlichen Fahrzeugen und mehr Personal zu bewerkstelligen ist".

Für die Radwege soll ebenfalls eine Prioritätenliste aufgestellt werden, beschloss der Stadtrat. Geräumt und gestreut werden sollen auf jeden Fall die wichtigen Hauptachsen. Die schwarz-grüne Ratskoalition hatte sich am Mittwoch dem GA gegenüber noch uneinheitlich geäußert: CDU-Fraktionsgeschäftsführer Georg Fenninger begrüßte das Konzept und wollte es möglichst schnell mit Blick auf den nahenden Winter von den politischen Gremien absegnen lassen.

Die Grünen hingegen äußerten die Befürchtung, dass das Konzept mit deutlichen Mehrkosten einhergeht, so Grünen-Finanzexpertin Petra Merz.

Wie Fenninger sieht sie die derzeitige Räumpflicht der Anwohner von 757 Bushaltestellen kritisch (siehe Text "Bushaltestellen"). Merz brachte im GA-Gespräch eine mögliche Wintergebühr für den Fall ins Spiel, dass bonnorange für die Anwohner die Haltestellen freiräumt. Allerdings müsse man dann die Gebühren für den Kehrdienst gegenrechnen, "denn wenn Schnee liegt, kann der Kehrwagen nicht fahren. Und warum muss der Bürger dann dafür bezahlen?" Unterm Strich soll der Bürger nicht zusätzlich belastet werden.

Angesichts der auch für die Ratsmitglieder überraschenden Situation in puncto Haltestellen verlangten die Politiker eine schnelle praktikable und bezahlbare Lösung. Ohnehin steht und fällt die Finanzplanung von bonnorange für den Winterdienst mit Wetterkapriolen. Wegen des vergangenen strengen Winters reichen die Mittel für den Pflichtwinterdienst 2013 aller Voraussicht nach nicht aus.

Dennoch verspricht Münz: "Der Pflichtdienst für den kommenden Winter ist sichergestellt" - zumindest für Prioritätsstufe 1. Wünschenswert sei bei starken Schneefällen ein Rund-um-die-Uhr-Einsatz. Allein auch das wären Mehrkosten von 150.000 Euro.

Anwohner müssen an Bushaltestellen Schnee schieben

Ein heikler Punkt brennt "bonnorange" und der Politik nun besonders auf den Nägeln: die Räumpflicht an Bushaltestellen. Denn was viele Anwohner nicht wissen: Sie sind an 757 von 1055 Haltestellen verantwortlich dafür, dass Fahrgäste "gefahrlos zu den Haltestellen gelangen" und "gefahrlos ein- und aussteigen" können. Stürzt ein Fahrgast, kann der Anwohner theoretisch haftbar gemacht werden. Um die Bürger über ihre Pflichten aufzuklären, wollte bonnorange eine entsprechende Infobroschüre herausbringen, die 10.000 Euro gekostet hätte.

Das aber lehnte der Stadtrat ab, zumal der Bürger den Schwarzen Peter nicht behalten soll. Doch bis eine praktikable Lösung gefunden ist, gilt wohl oder übel: Bushaltestellen zu räumen ist, je nachdem, Bürgerpflicht. Die Alternative wäre, diese Pflicht auf bonnorange "zurückzuübertragen". Dann aber müsste bonnorange zusätzlich 900 Euro pro Bushaltestelle in Rechnung stellen, summa summarum 681.300 Euro. Auch bei Radwegen ist nicht immer klar, bei wem die Räumpflicht liegt. Was eine Räumung durch bonnorange kosten würde, ist aber wegen fehlender Planungsdaten schwierig zu beziffern.

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