Stadtwerke Bonn Straßenbahnen aus den 70er Jahren feiern ein Comeback

BONN · Die Bonner Straßenbahnen aus den 70er Jahren feiern ein Comeback. Statt neue Wagen zu kaufen, hat ein Team von Handwerkern die robusten Oldies komplett modernisiert. Das hat Millionen gespart, und maßgeschneidert ist es auch.

Die bald 40 Jahre alte Straßenbahn in Bonn erlebt ihren zweiten Frühling. Die soliden Wagen waren lange in der Werkstatt. Jetzt sind sie fast wie neu und gehen wieder in Betrieb. Denn die Stadtwerke Bonn (SWB) haben nicht neue Bahnen gekauft, sondern ihre zuverlässigen alten Schätzchen grundlegend modernisiert.

Von eigenen Handwerkern, nach eigenen Plänen. Maßgeschneidert und trotzdem billiger als neue Fahrzeuge. Seit Samstag rollen die Straßenbahnen aus dem Jahr 1974 wieder auf der Linie 66, die Bad Honnef mit Bonn und Siegburg verbindet.

"Wir haben uns bewusst gegen die Neuanschaffung von Stadtbahnfahrzeugen ausgesprochen", meint Stadtwerke-Chef Heinz Jürgen Reining: Statt 25 neue Fahrzeuge zu bestellen, wollen die SWB nach und nach ihren Bestand auf den neuen Stand bringen, zum Stückpreis von 1,2 Millionen Euro.

[kein Linktext vorhanden]Die Zahlen sprechen dafür. Denn die Modernisierung von 25 Wagen aus den 70er Jahren kostet 28 Millionen Euro. Daraus ergibt sich im Vergleich zu einer Neuanschaffung ein Einsparpotenzial von 47 Millionen Euro. NRW-Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) ist ein Freund des Projekts. "Das ist nachhaltiger Umgang mit Ressourcen, weil solide deutsche Wertarbeit aus den 70er Jahren nicht verschrottet, sondern weiter verwendet wird", lobt der SPD-Politiker.

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Auch dass öffentliche Mittel wirtschaftlich eingesetzt und Arbeitsplätze für Handwerker geschaffen und gesichert wurden, findet der Minister gut. Noch viele Bahnen würden folgen, sagt er voraus, denn die Verkehrsinfrastruktur brauche dringend Modernisierung.

Die Fachleute des kommunalen Verkehrsunternehmens hatten sich zwar auf dem Markt umgeschaut, aber keinen überzeugenden Nachfolger gefunden. "Die wenigen Bahnproduzenten weltweit liefern Produkte, die nicht so solide erscheinen wie die alten Düsseldorfer Duewag Bahnen", erklärten die SWB.

Das Team sei überzeugt, nun die qualitativ besseren und deutlich günstigeren Züge zu bekommen. Die Deutsche Bahn etwa wartet derzeit auf die Lieferung bestellter Züge. Die alten Straßenbahnen liefen fast 100.000 Kilometer pro Jahr und waren trotzdem nahezu unverwüstlich.

Der Düsseldorfer Designstudent Tobias Schulenburg hat sich um das neue Outfit gekümmert. Ein pensionierter Duewag-Ingenieur half dem zehnköpfigen Handwerker-Team. Alexander Wingen (45) ist Landmaschinenmechaniker, er leitet die Crew im Straßenbahndepot. Lackierer, Elektriker und Automechaniker sind dabei. Ein Fahrzeugsattler hat alle Sitze genäht. Rot und Grau sind die neuen Farben, innen wie außen.

Siebeneinhalb Monate Umbauzeit hat jeder der 40 Tonnen schweren Züge hinter sich. Fast nichts ist mehr wie vorher. 52 Kilometer Kabel und Leitungen sind verlegt, rund 20.000 Bauteile ausgewechselt. Die Windschutzscheiben kommen aus der Schweiz, die Türen aus den Niederlanden. Der neue Elektroantrieb bringt 600 PS auf Schiene und speist Bremsenergie zurück ins Netz. Die Fahrerkabine wurde größer, Rollstuhlfahrer haben mehr Platz.

Die neuen Oldies, die schon Millionen von Fahrgästen transportiert haben, stehen zu ihrer Vergangenheit. "Das Comeback des Jahres!" prangt jetzt groß und unübersehbar in roter Farbe unter der Fahrerkabine der Linie 66.

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