Kanalnetz in Bonn Stadt weist Vorwurf zurück, nicht genug investiert zu haben

Bonn · An Tagen wie diesen, wenn wieder Hitzegewitter im Anmarsch sind, wird es Martin Baumgart mulmig. Er bewirtschaftet das Gut Ostler in Meßdorf, das bei den Unwettern am 20. Juni und 1. Juli besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden war.

Baumgart schätzt den Schaden auf bis zu 80.000 Euro. Auch in anderen Teilen Bonns waren viele Häuser von dem Starkregen betroffen und Keller vollgelaufen. Der Landwirt ist davon überzeugt, dass die Stadt der zunehmenden Flächenversiegelung durch Neubaugebiete in den letzten Jahren nicht genügend Rechnung getragen und die Kanalinfrastruktur nicht entsprechend angepasst hat.

Das bestreitet Tiefbauamtsleiter Peter Esch. "Ereignisse wie an den beiden Tagen im Juni und Juli sind nicht beherrschbar", sagt er. "Das ist höhere Gewalt." Für die statistisch berechneten "100-jährlichen Regenfälle", die Esch zufolge auch mehrmals in einem Jahr vorkommen können, gebe es kein ausreichend groß dimensioniertes Bauwerk.

"Ich glaube, da ist ein Bewusstseinswandel in der Bevölkerung notwendig. Die Hochwasserereignisse in diesem Jahr in ganz Deutschland haben gezeigt, dass selbst die ausgeklügeltste Technik an ihre Grenzen stößt." Am Gut Ostler seien innerhalb von 20 Minuten 31 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. Esch: "Da ist man machtlos."

Grundsätzlich bleibe es dabei, dass Kanäle und Schächte im öffentlichen Raum bei Starkregen bis zur Straßenoberkante voll laufen könnten. Für diesen Fall habe sich jeder Grundstückseigentümer gegen Rückstau aus dem Kanal zu schützen. "Wir haben festgestellt, dass bei 90 Prozent der Betroffenen mit vollgelaufenen Kellern die Rückstauventile fehlten", sagt Hendrik Walther, Leiter Stadtentwässerung im Tiefbauamt.

Ein pensionierter Kanalbauer, der früher in einer Kommune in NRW tätig war und seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ununterstützt dagegen teilweise die These des Landwirts Baumgart: "Der Mann hat nicht ganz unrecht." Zum einen seien auch in Bonn die Kanäle viele Jahre nicht richtig angepackt worden.

"Man hat zu lange gewartet", ist er überzeugt. Zum anderen müssten vor dem Hintergrund der regen Bautätigkeit vor allem im Bonner Westen deutlich mehr Entlastungskanäle gebaut werden. "Gucken Sie sich die Zahlen an, dann wissen Sie, dass da nicht viel passiert ist." Auf Nachfrage teilt die Stadt Bonn mit, das Kanalnetz in Bonn sei 950 Kilometer lang. Vor zehn Jahren waren es 930 Kilometer.

Das Tiefbauamt prüfe alle Problemfälle und stelle auf der Basis der dann gewonnenen neuen Erkenntnisse auch neue Kanalnetzberechnungen an, erklärt Tiefbauamtsleiter Esch. Ergebnisse gebe es noch nicht, man sei mitten in der Aufarbeitung der Fälle. Im übrigen werde das Kanalsystem bei jedem Neubaugebiet neu berechnet.

Wo gehandelt werden müsse, werde auch gehandelt. Wie aktuell in der Burgstraße/Am Lenkert, wo die Abwasserkanäle erneuert und vergrößert werden. "Wir investieren jedes Jahr rund 20 Millionen Euro vor allem in die Instandhaltung der Kanäle", betont Esch.

Mit Martin Baumgart vom Gut Ostler solle nun über Möglichkeiten nachgedacht werden, wie man künftig eine Überflutung in der Größenordnung wie am 1. Juli verhindern kann, etwa durch das Einleiten von Niederschlagswasser in den benachbarten Bach. "Die technische Möglichkeit und die Genehmigungsfähigkeit einer Entlastung für den Kanal wird geprüft", so Esch.

Baumgart aber bleibt dabei: Ursache für die Überflutung seines Hofes sei nicht allein der Starkregen vom 20. Juni, sondern die viel zu klein dimensionierte Auslegung des Kanals. "Ich fordere die Stadt auf, die Schäden zu beseitigen, da ich mich sonst gezwungen sehe, rechtliche Schritte einzuleiten", kündigt er an.

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