Debatte um Hindenburg Stadt Bonn will sich von Ehrenbürgerwürde distanzieren

BONN · Nach der Diskussion um die Umbenennung von Straßen, die nach dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg benannt sind, könnte jetzt auch die offizielle Distanzierung von der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Paul von Hindenburg folgen - nach 80 Jahren. Dieser Beschluss liegt dem Stadtrat für die Sitzung am 12. Dezember vor.

"Der Rat der Stadt Bonn verurteilt jede Form antidemokratischen und menschenverachtenden Engagements und Handelns jeder politischen Richtung und jeder gesellschaftlichen Gruppierung als ein für die Stadt Bonn nicht tolerierbares Verhalten", heißt es in der Vorlage der Stadtverwaltung.

Der Rat "distanziert sich von der am 31. März 1933 verliehenen Ehrenbürgerwürde an Paul von Hindenburg." Hindenburg bekam die Ehrenbürgerwürde gleichzeitig mit Adolf Hitler. Doch während Hitler nach 1945 von der Liste gestrichen wurde blieb Hindenburgs Name stehen.

Der neue Vorstoß geht zurück auf einen Beschluss des Hauptausschusses von Januar. Die Distanzierung von der Verleihung ist nicht gleichzusetzen mit der Aberkennung der Ehrenbürgerwürde. Die ist nach Einschätzung der Stadt nicht möglich, weil die Ehrenbürgerwürde mit dem Tod erlischt.

Zur Begründung für die Distanzierung heißt es: "Die Ehrenbürgerwürde wird für herausragende Verdienste um eine Stadt oder Gemeinde verliehen. Die besonderen Verdienste müssen sich auf die verleihende Stadt oder Gemeinde beziehen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass sich Paul von Hindenburg um die Stadt Bonn in besonderer Weise verdient gemacht hat." Im Bewusstsein eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Geschichte werde die damalige Verleihung der Ehrenbürgerwürde ausdrücklich abgelehnt.

Die CDU wird der Beschlussvorlage laut Fraktionsgeschäftsführer Georg Fenninger nicht zustimmen. "Wir betrachten das Thema als erledigt, da die Ehrenbürgerwürde mit dem Tod erloschen ist. Es gibt wichtigere Dinge", sagte Fenninger. Ganz anders sieht man das beim grünen Koalitionspartner.

"Wir werden auf jeden Fall dafür stimmen. Hindenburg hat unseres Erachtens nach viel zur Einsetzung Hitlers als Reichskanzler beigetragen", sagte Fraktionssprecherin Dorothee Paß-Weingartz. "Seine Ehrenbürgerwürde passt nicht zur weltoffenen Stadt Bonn."

Auch die SPD-Fraktion kündigte ihre Zustimmung an. "Sich von der 1933 verliehenen Ehrenbürgerwürde an Paul von Hindenburg zu distanzieren, halte ich für vollkommen richtig und auch überfällig. Keine Stadt, und schon gar keine UN-Stadt, sollte in irgendeiner Form direkt mit diesem Namen verbunden bleiben wollen", sagte die Fraktionsvorsitzende Bärbel Richter. Auch wenn Hindenburg kein Ehrenbürger mehr sei, habe sich der Bürgerausschuss dafür entschieden, ein Zeichen zu setzen.

Mit Spannung erwarte die Fraktion, wie nun weiter mit den Straßenumbenennungen verfahren werden soll. Betroffen sind die Hindenburgallee in Plittersdorf und der Hindenburgplatz in Dottendorf. Vor einem Jahr hatte der Bürgerausschuss beschlossen, dass es vor einer Entscheidung über eine mögliche Umbenennung eine breit angelegte Bürgerbeteiligung geben soll.

Nach Angaben der Stadt wird es deswegen Mitte Dezember eine moderierte Veranstaltung in der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule in Godesberg geben; ein Termin stehe bislang nicht fest. "Bei dieser Veranstaltung werden Wissenschaftler, die Bürgerantragstelle sowie natürlich interessierte Bürger dabei sein. Geplant ist, zunächst in Tischrunden Argumente und Fakten zu sammeln und diese am Ende zusammenzutragen", sagte Isabel Klotz vom Presseamt.

Da noch unklar sei, welche Ergebnisse dort zu erwarten sind, könne die Stadt zum weiteren Prozedere in der politischen Beratung jetzt noch nichts Konkretes sagen.

Paul von Hindenburg (1847-1934)

Paul von Hindenburg war ein weitgehend unbekannter General der Kaiserzeit, der seine spätere Popularität und seinen Aufstieg nicht zuletzt der Tatsache verdankte, dass die 8. Armee unter seinem Kommando die Schlacht bei Tannenberg gegen die zahlenmäßig weit überlegene russische Narew-Armee gewinnen konnte.

Ein Sieg, der nach heutiger Einschätzung allerdings auf das Konto der Offiziere Erich Ludendorff und Max Hoffmann geht. Hindenburg gelang es, nach der Schlacht den Eindruck zu erwecken, dass dieser Sieg seiner Unbeirrtheit zu verdanken gewesen sei. Dieser "Tannenberg-Mythos" wuchs sich aus zum"Hindenburg-Mythos". Von Hindenburg war einer der hartnäckigsten Gegner eines Verhandlungsfriedens, nach dem Krieg beförderte er wesentlich die "Dolchstoßlegende".

Nach dem Tode Friedrich Eberts (1925) erster Reichspräsident der Weimarer Republik, stellte sich der populäre Generalfeldmarschall zur Wahl und gewann in der Stichwahl (Anm. d. Red.: Nach Hinweis unseres Lesers Jens Daniel haben wir den Text aktualisiert, Hindenburg gewann nicht klar). 1932 wurde er wiedergewählt. Am 30. Januar 1933 berief er Adolf Hitler zum Reichskanzler. Am 1. Februar 1933 löste Paul von Hindenburg den Reichstag auf.

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