Bonner Arzt Michael Brinkmann SMS aus dem Krisengebiet

KATHMANDU/BONN · Der Bonner Arzt Michael Brinkmann berichtet aus Nepal von seinem Einsatz.

Ein leises Brummen vom Schreibtisch, es ist 3.44 Uhr in der Nacht. Das Handy meldet das Eintreffen einer Nachricht. Es ist eine SMS aus Nepal. "Nach einer Nacht mit einigen Nachbeben starten wir den Arbeitstag", schreibt Michael Brinkmann. In Kathmandu ist es jetzt 7.29 Uhr. Der Bonner Arzt ist Teil eines medizinischen Einsatzteams der Hilfsorganisation Humedica, das nach dem Erdbeben nach Nepal geschickt wurde. Den Kontakt in die Heimat - zur Familie und zu dieser Zeitung - hält er per SMS. Für ein Telefonat ist die Leitung zu instabil, die SMS kommen zum Teil erst mit Verzögerungen an.

Bei dem schweren Erdbeben am 25. April kamen nach jüngsten Angaben mehr als 7800 Menschen ums Leben, rund 16 000 wurden verletzt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte gestern, die Zahl der bestätigten Todesfälle von Deutschen habe sich auf vier erhöht. Fünf Deutsche würden noch vermisst. Schätzungen der Behörden zufolge wurden beinahe 300 000 Häuser vollständig zerstört und etwa 250 000 weitere stark beschädigt. In vielen schwer zugänglichen Tälern ist das Ausmaß der Schäden allerdings noch nicht erfasst.

Brinkmann entschied sich schnell, nach Nepal zu reisen und den Menschen dort zu helfen. Für den Allgemeinmediziner, der eine Praxis in Niederkassel hat, ist es der 14. Einsatz in einem Krisengebiet. Frühmorgens geht es mit Medizinrucksäcken bepackt in die Berge, um entlegenere Gebiete zu erreichen, am Abend folgt der Marsch zurück ins Lager. "Die Tage sind anstrengend, aber die Arbeit ist wichtig", so Brinkmann. Sein Team versorgt Verletzte vor Ort in den Dörfern oder bringt sie in einen Health Post - eine Gesundheitsstation - in den Bergen, den sein Team unterstützt.

"Die Menschen haben hier alles verloren, nur nicht ihre Energie und Freundlichkeit. Überall findet der Wiederaufbau statt. Bewundernswert", schreibt er gleich zu Beginn seines Einsatzes. Es liegt in seinem Naturell, stets das Positive zu sehen und sich nicht von negativen Erlebnissen oder Eindrücken entmutigen zu lassen. Das hat er in vielen Einsätzen zuvor gelernt. Auch seine persönlichen Befindlichkeiten klammert er in den SMS aus. Keine Klage über anfängliche Probleme vor Ort. Von vielen Hilfsorganisationen dagegen hagelte es Kritik an der Regierung wegen der chaotischen Koordination der Hilfsmaßnahmen.

Während Überlebende in abgelegenen Orten verzweifelt auf Unterstützung warteten, gab es andernorts zu viele Suchteams. "Am Anfang einer solchen Situation ist es oft schwierig", berichtet Brinkmann. Kritik daran gibt es von ihm nicht, die Konzentration auf den nächsten Einsatz ist wichtiger. Maximal drei Wochen wird er in Nepal bleiben, dann fliegt er zurück nach Deutschland. Humedica wird weitere Teams schicken, die länger bleiben. Für Brinkmann beginnt dann die Zeit, das Gesehene zu verarbeiten - zusammen mit seiner Familie, denen er dann nicht nur per SMS aus dem Krisengebiet berichten kann.

Update: Sonntag, 10. Mai

Am Sonntag erreichte eine weitere SMS die Redaktion. Es ist das erste Mal, dass Michael Brinkmann über einen Patienten in Nepal spricht. In der Nacht musste er einem jungen Nepalesen einen Finger amputieren - im Schein einer Stirnlampe.

Der junge Mann hatte sich beim Wiederaufbau schwer verletzt und dann mit seiner Familie einen acht Stunden langen Fußmarsch auf sich genommen, um zu den Ärzten zu kommen. "Es ist beeindruckend, wie die Menschen hier ihre Situation meistern müssen", schreibt Brinkmann.

Spendenmöglichkeiten für die Opfer des Erdbebens in Nepal gibt es unter www.ga.de/spende

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