Universität Bonn Rechtspsychologe kritisiert Katholische Kirche heftig

BONN · Ein konsequentes Krisenmanagement der katholischen Kirche bei ihren Fällen des Kindesmissbrauchs hat bei einer Ringvorlesung der Uni Bonn deren Rechtspsychologe Rainer Banse angemahnt. "Die Organisation Kirche hat lange im Umgang mit den Missbrauchsfällen in ihren Institutionen versagt. Sie hat verleugnet, vertuscht und keine strukturellen Konsequenzen gezogen", sagte der Professor bei einer Veranstaltung des Zentrums für Religion und Gesellschaft.

Die Loyalität zu den Tätern sei über lange Zeit wichtiger als das Bemühen um die Opfer gewesen. "Das Kirchenrecht schützt vor allem die Organisation und übt keine Vergeltung." Opfer seien zum Schweigen gebracht worden, indem man sie von den Einrichtungen entfernte, so der Rechtspsychologe. Wenn es dann dank öffentlichen Drucks nicht mehr weiterging, habe die Kirche sich zwar gegen die Täter gewandt, aber zunächst jede Verantwortung geleugnet.

Zudem habe es kaum eine Zusammenarbeit mit staatlichen Behörden gegeben. "Es gab gerade in der Kirche sehr wenige Anzeigen wegen Missbrauchs von Kindern und noch weniger Verurteilungen." Dabei sei in der Gesellschaft der Mut der Opfer, Missbrauchstäter anzuzeigen, gestiegen: "1992 wurde nur jede zwölfte Missbrauchstat angezeigt, 2012 schon jede dritte", sagte Professor Banse. Innerhalb der Katholischen Kirche hätten aber erst 2010 die Leitlinien der Bischofskonferenz eine formale Handreichung klargestellt, dass Delikte an die Strafermittlungsbehörden weitergegeben werden sollten, wenn das Opfer nicht ausdrücklich widerspreche.

"Es gibt Prinzipien, die sich jeder Bischof hinter den Spiegel stecken sollte", so Banse. Institutionen, in denen Kindesmissbrauch geschehe, hätten auf die Opfer zuzugehen und weiteren Schaden von ihnen fernzuhalten. "Entschuldige dich öffentlich und oft und gehe offen und ehrlich mit den Vorfällen um" sei ein weiteres Gebot. Nicht nur die Täter, sondern vor allem die Verantwortlichen müssten aus den Institutionen entfernt werden, bevor Strukturänderungen vorgenommen werden müssten. "Und dann heißt das auch: Zahle Entschädigungen, bevor Opfer dafür klagen müssen."

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