Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai Polizei entschuldigt sich für Sprayeinsatz

BONN · Die Polizei will künftig einen offeneren Dialog mit antifaschistischen Demonstranten führen. Das ist Resultat einer ungewöhnlichen Diskussion, die am Mittwochabend auf Einladung des Evangelischen Kirchenkreises in der Beueler Brotfabrik stattgefunden hat.

 Mit einem massiven Aufgebot schirmte die Polizei den Demonstrationsweg der Neonazis in Beuel ab.

Mit einem massiven Aufgebot schirmte die Polizei den Demonstrationsweg der Neonazis in Beuel ab.

Foto: Volker Lannert

Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa und der Leitende Polizeidirektor Helmut Pfau stellten sich einer harten, emotionalen Debatte um den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai.

Mani Stenner, ein Veteran der Friedensbewegung, erinnerte an die Hofgartenwiesen-Demonstration vor 31 Jahren. Sie sei Geburtsstunde der deeskalierenden "Bonner Linie" gewesen, der Kooperation zwischen Polizei und Protestbewegung.

Stenner und viele junge Aktivisten aus dem Bündnis "Bonn stellt sich quer", warfen der Polizei vor allem vor, als Versammlungsbehörde nicht wenigstens versucht zu haben, die Neonazi-Demo am 1. Mai zu verbieten - obwohl aktenkundig gewesen sei, dass dort gewaltbereite Straftäter aufmarschieren würden.

Ein Verbot wäre mit höchster Wahrscheinlichkeit vom Verwaltungsgericht gekippt worden, erklärte Polizeipräsidentin Brohl-Sowa. Anmelder sei eine Privatperson gewesen. Für ein Verbot hätte die Polizei laut Gesetz Belege dafür haben müssen, dass die Rechtsextremisten während der Kundgebung gewalttätig werden würden - und die habe es nicht gegeben.

"Bei einer so klaren Rechtslage wäre ein Verbotsversuch populistisch gewesen", sagte Brohl-Sowa. Sie verwahrte sich dagegen, deswegen in die "rechte Ecke gestellt" zu werden.

Während es unter den älteren Diskussionsteilnehmern auch Verständnis gab, drang die Polizeichefin bei den jungen Gegendemonstranten mit juristischen Argumenten nicht durch.

Das Video vom Pfefferspray-Einsatz bei YouTube:

"Die Nazis müssen sich also nur zwei Stunden zusammenreißen und können danach auf Migranten-Jagd gehen", sagte Lisa Crater von der Bonner Jugendbewegung. Also müsse sie weiter mit "zivilem Ungehorsam", etwa Sitzblockaden, gegen braune Demos vorgehen: "Dafür fresse ich auch Pfefferspray."

Am Beueler Bahnhof hatte ein Beamter am 1. Mai ungezielt in die Menge der Gegendemonstranten gesprüht, weil die Polizeikette angeblich zu "reißen" drohte. Zahlreiche Opfer erlitten Verätzungen an den Augen. Helmut Pfau, damals Einsatzleiter, betonte am Mittwoch zwar die Pflicht der Polizei, den Demo-Weg der Neonazis zu sichern.

Der Einsatz sei insgesamt verhältnismäßig gelaufen. Zum Pfefferspray sagte er aber: "Mir ist klar, dass wahrscheinlich auch Unbeteiligte betroffen waren. Dafür entschuldige ich mich."

Pfau und die Polizeipräsidentin versprachen mehr Transparenz bei künftigen Gesprächen, wenn das Bündnis wieder Proteste gegen rechtsextreme Aufmärsche organisieren will. "Meine Tür steht offen", betonte Brohl-Sowa. Die Debatte habe ihr geholfen, Vertrauen zu den Akteuren zu fassen. Moderator Uwe Rieske fasste es so zusammen: "Dieser Abend war ein Beleg dafür, dass unsere Demokratie funktioniert."

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