Mobilmachung für römische Immobilie

Fast 2 000 Jahre alte Therme vor Bundeshaus wird um 56 Meter versetzt - Bad macht Platz fürs Hotel am Kongresszentrum

Mobilmachung für römische Immobilie
Foto: Frommann

Bonn. Um 13.41 Uhr war es endlich soweit: Das Heißwasserbad stand millimetergenau an seinem neuen Standort - 56 Meter entfernt von jener Stelle, an der es im zweiten Jahrhundert errichtet worden war: zwischen Plenarsaal und Bundeskanzleramt.

Die Translozierung (Versetzung einer Immobilie en bloc) ist notwendig, weil sich die römische Therme just dort befindet, wo das Hotel des neuen Kongresszentrums entsteht. Künftig wird sie im Wellness-Bereich des Hotels zu sehen sein. Und wer dort nicht Gast ist, kann die Anlage durch ein Glasdach auch von außen sehen.

Mit einem Diamantseil hatte die Firma Bennert aus Hopfgarten bei Weimar in den vergangenen Wochen die Therme in drei bis zu 125 Tonnen schwere Teile getrennt, unter die eine Stahlkonstruktion angebracht wurde. Parallel dazu goss man nebenan die Bodenplatte, auf der das Bad künftig steht.

Nachdem das Kaltwasserbad bereits versetzt worden war, sollte am Dienstag das Warmwasserbad an der Reihe sein. Doch beim Anheben entdeckten die Experten einen Hohlraum, der in Kürze zugegossen wird, um Schäden beim Transport zu vermeiden. Also zog man am Dienstag die Abteilung "Warmwasser" vor.

Von einem "schönen Moment" sprach Professor Jürgen Kunow. "Unsere Erwartungen wurden bei weitem übertroffen; wir haben hier Hinweise darauf gefunden, dass sich an dieser Stelle eine römische Stadt befunden hat", sagte der Leiter des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege.

Unter dessen Federführung wird seit vergangenem Mai bis Ende Oktober die 3,7 Hektar große Fläche archäologisch untersucht; es ist die größte zusammenhängende Ausgrabung, die je in einem römischen Vicus in Deutschland stattgefunden hat.

Und dazu gehört auch die Therme, "die nicht nur ein Ort der Hygiene war; dort fand auch Kommunikation statt, wurden Geschäfte getätigt und Politik betrieben", sagte Kunow, der das 19 mal 9,5 Meter große römische Bad als "Alleinstellungsmerkmal" für das United Nations Congress Center (UNCC) bezeichnete. "Sehr froh über das besondere Ereignis" zeigte sich auch die städtische UNCC-Projektkoordinatorin Evi Zwiebler.

Die Gesamtkosten für den Erhalt des Bades gab sie mit 1,5 Millionen Euro an und dankte vor allem dem Investor des Kongresszentrums, SMI Hyundai, der die Hälfte dieses Betrages übernimmt; das Land NRW steuert 350 000 Euro und die Stadt Bonn 400 000 Euro bei: "Damit bringt die Stadt zum Ausdruck, dass wir uns der historischen Verantwortung unserer Stadtgeschichte bewusst sind."

Bonns römische Vergangenheit

Neben dem im 1. Jahrhundert nach Christus errichteten Legionslager und dem dazugehörigen Lagerhof auf Höhe der heutigen Kennedybrücke gab es in Bonn eine zweite zivile Ansiedlung (vicus), die im 2. und 3. Jahrhundert ihre Blüte hatte.

Sie erstreckte sich auf einer Fläche von etwa 80 Hektar beiderseits der Adenauerallee, die schon in römischer Zeit eine Hauptverkehrsachse war; sie bestand hauptsächlich aus dicht nebeneinander stehenden Fachwerkhäusern.

In den schmalen Räumen an der Straße waren manchmal Verkaufsläden, Werkstätten oder Kneipen untergebracht; dahinter folgten die Wohnbereiche. In den sich anschließenden Gärten befanden sich Abfallgruben, Latrinen, Brunnen und handwerkliche Einrichtungen. Am hinteren Ende wurden vereinzelt Tote bestattet.

Neben dem privaten Siedlungsbereich gab es im vicus von Bonn auch einen öffentlichen Bereich, in dem auch ein Marktplatz, ein Bad und ein Tempelbezirk zu finden sind. Zeugnisse wurden nun vor dem Plenarsaal gefunden: neben der Therme und einer Töpferei auch ein Tempel.

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