Missbrauch: Mehr Täter und Opfer als bisher bekannt

Die Ermittlungszahlen der von sexuellem Missbrauch am Aloisiuskolleg (Ako) Betroffenen sowie der möglichen Täter sind eklatant gestiegen. Das ist das Ergebnis des Zwischenberichts, den die neue unabhängige Kommission zur Aufklärung der Missbrauchsvorfälle am Ako nun vorgelegt hat.

 Der Zwischenbericht zur Aufklärung der Missbrauchsvorfälle am Ako liegt nun vor.

Der Zwischenbericht zur Aufklärung der Missbrauchsvorfälle am Ako liegt nun vor.

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Bad Godesberg. Die Ermittlungszahlen der von sexuellem Missbrauch am Aloisiuskolleg (Ako) Betroffenen sowie der möglichen Täter sind eklatant gestiegen. Das ist das Ergebnis des Zwischenberichts, den die neue unabhängige Kommission zur Aufklärung der Missbrauchsvorfälle am Ako nun vorgelegt hat und der im Netz unter www.untersuchung-aloisiuskolleg.de nachzulesen ist.

Deren Leiterin Julia Zinsmeister, Sozialwissenschaftsprofessorin der Fachhochschule Köln, kommt ab den fünfziger Jahren auf mittlerweile 45 Opfer mit vorliegendem Tatbericht sowie 17 weitere Personen, die noch keine Einverständniserklärung zur Weitergabe ihrer Daten gegeben haben.

Diesen 62 Betroffenen stellt die unabhängige Kommission 18 ermittelte mögliche Täter gegenüber. 15 seien ehemalige und gegenwärtige Mitglieder des Jesuitenordens, zwei ehemalige Laienmitarbeiter. Dazu kommt der Ako-Mitarbeiter und Leiter des Ako Pro-Seminars, dessen Arbeitsverhältnis Ende 2010 endet und der bis dahin wie berichtet freigestellt wurde.

Meinung Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Verschwiegen und vertuscht"Der im Mai 2010 vorgelegte Abschlussbericht der Missbrauchsbeauftragten des Ordens, Ursula Raue, war von 33 Betroffenen und sechs möglichen Tätern ausgegangen. Das Ako selbst hatte im Schulausschuss Anfang Juli von 35 konkreten Fällen sexuellen Missbrauchs und 13 Beschuldigten gesprochen.

Frappierend im Bericht: Einerseits spricht Zinsmeister von möglichen Taten bis ins Jahr 2008. Bisher war nur von Verdachtsfällen bis 2005 die Rede, als der im Juli 82-jährig verstorbene ehemalige Internatsleiter und Rektor einen Internatsjungen unsittlich berührt haben soll.

Andererseits wirft die Anzahl von "15 ehemaligen und gegenwärtigen Jesuiten" unter den möglichen Tätern Fragen auf. Dem GA liegen Informationen vor, dass zumindest einer der übergriffigen Patres noch lebt, aber nicht auf dem Ako-Gelände wohnt. Die ihn betreffenden Fälle lagen in den sechziger Jahren und sind verjährt.

Die Taten reichen dem neuen Bericht zufolge von freiheitsentziehenden Maßnahmen und Misshandlung über Exhibitionismus, permanente sexuelle Belästigung bis zum Missbrauch von Schutzbefohlenen in Form von Oral- oder Analverkehr. Dazu komme der Missbrauch der Beichte zum Zweck der Befriedigung eigener sexueller Bedürfnisse der Patres.

Skandalös in dem Zwischenbericht ist aber auch der bis in die Gegenwart reichende fahrlässige Umgang mit Beweismaterial. Nach dem Tod des mutmaßlichen Haupttäters der letzten Jahrzehnte, gegen den die Staatsanwaltschaft bis zu dessen Tod ermittelte, habe das Ako Zinsmeister Mitte August über in Nebenräumen gelagerte Fotokisten des Verstorbenen informiert. Der Mann, der sich der Missbrauchsbeauftragten Raue gegenüber selbst als "pädophil" bezeichnet hatte, hatte jahrzehntelang Nacktfotos von Internatsschülern aufgenommen. Angeblich waren alle Aufnahmen vernichtet worden, damit sie nicht ins Internet gelangen konnten.

Als Zinsmeister die Bilder nun sehen wollte, waren sie, so der Bericht, verschwunden. Der im Februar zurückgetretene Ex-Rektor Pater Theo Schneider, der den Nachlass des Kollegen erhalten hatte, hatte sie bei seinem Auszug bei Angehörigen zwischengelagert.

Ende August habe das Aufklärungsteam in Gegenwart von Schneider 739 Bilder gesichtet und für den Verstorbenen belastendes Material gesichert. Im strengen Sinne erfüllt es laut Zinsmeister nicht den Tatbestand der Kinderpornografie. Aber es sei weiterhin Untersuchungsmaterial.

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