Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" Marianne Pitzen: Frauenmuseum schon jetzt Kunstgeschichte

NORDSTADT · Wenn die große Marianne über die kleine Marianne erzählt, muss sie schmunzeln. "Nachdem ich mit 14 ein Fahrrad geschenkt bekommen hatte, bin ich in den Ferien täglich ins Vorgebirge gefahren und habe von morgens bis abends Landschaften gemalt", erzählt Marianne Pitzen, Direktorin des Bonner Frauenmuseums.

 Mit den vielen Ideen von Marianne Pitzen Schritt zu halten, ist manchmal gar nicht so leicht.

Mit den vielen Ideen von Marianne Pitzen Schritt zu halten, ist manchmal gar nicht so leicht.

Foto: Barbara Frommann

Vorher hatte die Stadt ihren Blick geprägt. Im Alter von drei Jahren war sie mit ihrer Familie von Stuttgart nach Nürnberg gezogen. "Eine Stadt auf doppeltem Boden, die viel mittelalterliche Geschichte in sich trug", sagt Pitzen.

Auch dort war die kleine Marianne selten ohne Farben und Papier anzutreffen. "Ich habe jeden Tag ein neues Bild für meinen Bilderrahmen gemalt." Und da, Achtung, schließt sich der Kreis zu ihrem späteren Wirken. "Auf den Bildern spielten stets Frauen die Hauptrolle", erinnert sich die Künstlerin. Bräute, die Kaiserin Kunigunde und später Opernfiguren reizten sie. Und wenn sie wieder einmal versunken war in ihre Malerei, dann pflegte ihr Vater zu sagen: "Sie braucht niemanden, sie ist mit sich beschäftigt."

Sein Wechsel ins Verkehrsministerium ließ die Familie nach Bonn umziehen. Von der damaligen Bundeshauptstadt und heutigen UN-Stadt ist sie nach wie vor fasziniert, radelt von ihrem Zuhause in der Südstadt gerne durch den Bezirk: "Nach 1949 sind wunderbare frauenfreundliche Gesetze entstanden wie zum Beispiel der Gleichstellungsparagraf."

Obwohl sie politikaffin war, blieb sie ihrem Hobby treu. "Mein Weg ging glasklar in die Kunst", sagt die heute 65-Jährige. Die Eltern sahen das anders, doch die junge Marianne setzte sich nach dem Abi am Clara-Schumann-Gymnasium durch, schaute sich Akademien an, die ihr aber zu teuer waren, und studierte schließlich Kunsttherapie. "Da habe ich viele Techniken gelernt, aber ich wollte gerne einen Laden aufmachen mit Kunsthandwerk."

Dabei ging es ihr - wie jetzt auch - weniger um den Kommerz als vielmehr darum, mit ihrer Kunst etwas zu vermitteln. Sie traf auf Horst Pitzen, dem sie ihren Nachnamen und den ersten gemeinsamen Kunstladen am Bonner Talweg verdankt. Doch was die Ehefrau zunehmend störte, war die Tatsache, dass selbst in den dicksten Kunstgeschichtsbüchern keine Künstlerinnen aufgeführt waren. Aus dieser Erfahrung heraus erklärt sich vielleicht auch ihr Wunsch für die Zukunft: "Meine Kunst soll Teil der Kunstgeschichte sein."

Zumindest ihre Person ist es schon jetzt, hat sie doch 1981 mit Gleichgesinnten in der Nordstadt das weltweit erste Frauenmuseum gegründet. Wegbereiter war zum einen die Frauenbewegung in den 70ern, zum anderen aber auch Pitzens Streben, Frauen über die Kunst eine Stimme zu geben. "Und die Frauen entdeckten, dass sie Vorgängerinnen in der Geschichte hatten und nicht bei Null anfangen mussten", so die Direktorin.

Der Vorläufer des Museums war 1973/'74 die Initiative "Frauen formen ihre Stadt", der den Bonnerinnen für ihre städtebaulichen Ideen weltweit Anerkennung einbrachte. Etwas verkürzt dargestellt, kaufte die Stadt Bonn den Frauen daraufhin das leerstehende Kaufhaus Bernartz Im Krausfeld. Ihre Rolle als Chefin musste sich Pitzen hart erarbeiten: "Alle sieben Jahre gab es hier eine Palastrevolution", sagt sie und lässt durchblicken, dass es neben tollen Ausstellungen auch unschöne Momente gab.

Jetzt ist sie im Rentenalter angelangt, was schon ihr Jung-Mädchen-Kichern nicht vermuten lässt. Kann sie sich vorstellen, in die zweite Reihe zurückzutreten? "Das Haus wäre gut aufgestellt", sagt sie und zählt einige Namen auf; was für eine dezentrale Leitung spricht.

Sie selbst hätte dann, am Tag x, wieder mehr Zeit, die von ihr geliebten Aufanischen Matronen zu erschaffen. Die keltischen Göttinnen, die zur Römerzeit in Bonn verehrt wurden, sind aus dem Museum nicht wegzudenken. Ihr Kennzeichen: Die überdimensionalen Hauben, die für Weisheit und Kreativität stehen. Das führt unweigerlich zu Pitzens schneckenhausähnlicher Frisur. "Die hab' ich schon, seit ich 17 bin", sagt sie. Und dass es für sie zum morgendlichen Ritual gehöre, die Haare in Form zu bringen. "Andere machen Gymnastik, ich brauche eben das, um munter zu werden."

Typisch bönnsch

Das sagt Marianne Pitzen über Bonn:

An Bonn gefällt mir der internationale Aspekt. Allerdings muss die UN-Stadt noch mehr ins Bewusstsein der Leute. Außerdem sind hier tolle Frauengesetze entstanden.

Mein Lieblingsplatz ist der Münsterplatz, weil ich dort jeden Morgen meinen Kaffee trinke. Und das Münster, weil dort im Fundament die Matronen gefunden worden sind. Der Ort hat eine echte Aura für mich.

Typisch bönnsch ist für mich die offene, herzliche und fröhliche Art der Menschen. Ich erlebe sie als sehr interessiert an ihrer Umwelt.

Ich vermisse in Bonn ein größeres Geschichtsbewusstsein der Stadtverwaltung. Und dann würde ich mich noch freuen, wenn sich die Frauen modisch mehr trauen würden, nicht so 08/15-mäßig.

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