Lilith liegt im gläsernen Sarg

BONN · Das Fundstück 4953 ist eine archäologische Sensation und jetzt im Landesmuseum zu sehen.

Eine Schönheit ist Lilith nicht mehr, trotzdem bekommt mancher bei ihrem Anblick glänzende Augen. Der ist dann sicher Archäologe oder zumindest an Vor- und Frühgeschichte interessiert. Rund 7100 Jahre hat die alte Dame auf dem Buckel, und sie ist eine archäologische Sensation: das drittälteste menschliche Skelett im Rheinland - nach dem Oberkasseler Menschen und dem Neandertaler - und das erste Skelett aus der bandkeramischen Epoche, das in so gutem Zustand ist, dass es gezeigt werden kann.

Gestern kam Lilith, so haben die Ausgräber Fundstück Nummer 4953 genannt, in einen gläsernen Sarg: Das Skelett der etwa 20 bis 35 Jahre alten Frau wurde in eine Vitrine gelegt und ist nun Teil der Dauerausstellung "Neandertaler & Co" im Landesmuseum Bonn. Um das zu erreichen, waren komplizierte Vorarbeiten erforderlich, und Museumsdirektorin Gabriele Uelsberg sprach den Beteiligten ein großes Lob aus: "Eine Meisterleistung von vielen Kräften, die zusammengearbeitet haben".

Im Sommer 2010 hatten die Fachleute bei archäologischen Vorarbeiten zur Verlegung der A 4 bei Düren-Arnoldsweiler ein jungsteinzeitliches Dorf mit Gräberfeld entdeckt. "Die Sensation war, dass dort Skelette erhalten waren", berichtete Oliver Ungerath von der Grabungsfirma. Rund 110 seien es gewesen, geborgen wurde aber nur Lilith - bestattet in der zeittypischen Seitenlage mit leicht angewinkelten Beinen und vor das Gesicht gelegten Händen. Auch bei Lilith waren die Fachleute erst skeptisch, ob eine Bergung möglich ist. Zu fragil, der geringe Kalkgehalt des Lehms hatte zu einer schlechten und stark abgebauten Knochensubstanz geführt.

Mit dem Verfahren der Blockbergung gelang es doch: Das Grab wurde in einem Block von rund 1900 Kilogramm aus der Erde geschnitten. Zwei Bagger schoben eine Stahlplatte unter den mit Holz eingeschalten Erdblock. Dann gingen die Experten des Landesmuseums ans Werk, eine sensible und zeitaufwendige Arbeit, in die Restaurator Marco Romussi einen Einblick gab.

"Entscheidend war der Kampf gegen die Feuchtigkeit", berichtete er. Die Trocknung brachte die Gefahr von Rissbildung mit sich. Also wurde Lilith über einen Zeitraum von vier Monaten behutsam und kontrolliert getrocknet, die Knochensubstanz mit einem zuvor an Dummys ausprobierten Bindemittels gefestigt und Risse mit feinstem Quarzsand verfüllt oder mit der "originalen Lehmmasse" gekittet.

So präpariert ist Lilith jetzt "eine tolle Bereicherung der Dauerausstellung", freute sich Ralf W. Schmitz, Referent für Vor- und Frühgeschichte. Die besondere Bedeutung des bandkeramischen Siedlungsortes: Dort lebten die ersten sesshaften Bauern im Rheinland. "Es waren diese Menschen, die uns unsere Lebensform gebracht haben."

Die Forschung am Siedlungsplatz ist noch nicht beendet, die wissenschaftliche Auswertung der Funde wird Jahre dauern. Derzeit fehlt das Geld. Längerfristig erhoffen die Fachleute sich aber durch weitere Untersuchungen beispielsweise Aufschluss darüber, ob die Menschen in die Region zugewandert oder dort aufgewachsen sind.

Bandkeramische Kultur

Die Bandkeramische Kultur ist die älteste neolithische (Jungsteinzeit) Kultur Mitteleuropas und benannt nach den bänderartigen Ornamenten auf ihren Tongefäßen. Die Bandmuster wurden in den noch feuchten Ton geritzt. Die Kultur entstand etwa 5700 v.Chr. im heutigen Ungarn, Österreich, Slowakei. Von dort aus verbreitete sie sich in weiten Teilen Mitteleuropas.

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