Universitätsklinikum Bonn Kliniken in Bonn fehlen Pflegekräfte

BONN · Auch in der Bundesstadt haben Krankenhäuser mit Engpässen beim Pflegepersonal zu kämpfen. Das Universitätsklinikum (UKB) musste deshalb vorübergehend vier Intensivbetten schließen. Trotz hohen Arbeitsdrucks würden die Patienten aber "gut versorgt", versicherte Pflegedirektor Alexander Pröbstl.

Das gesetzlich geregelte Krankenhausbudget sei jedoch nicht so hoch, wie er sich das im Sinne der Patienten wünschen würde. Auch Clemens Kemper, Geschäftsführer der Evangelischen Kliniken Bonn, spricht von "chronischer Unterfinanzierung der Betriebskosten".

Der Mann liebt seinen Job, will aber nicht mehr schweigen. Im Interesse der Patienten - und seiner Kollegen. Aus Sorge vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen bleibt er anonym. Der Krankenpfleger, nennen wir ihn Stefan Schmidt, arbeitet auf einer Intensivstation im Universitätsklinikum Bonn (UKB), und die Situation, die er beschreibt, dürfte in den meisten Krankenhäusern ähnlich sein.

"Wir sind chronisch unterbesetzt", sagt Schmidt. Das Problem sei über Jahre gewachsen, habe sich jetzt aber verschärft. Besonders betroffen seien zum Beispiel die Intensivstationen der Herzchirurgie, der Neurochirurgie und der Anästhesie. "Würde man den Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensivmedizin folgen, wäre ein Pfleger für zwei Patienten zuständig", so Schmidt. "Dafür brauchen wir auf meiner Stationen sechs Kollegen pro Schicht.

Wir sind aber oft nur zu fünft." Der Personalmangel habe Auswirkungen: "Die Patienten werden weniger mobilisiert als früher, weniger oft umgelagert. Letztlich ist die Sicherheit geringer, weil unsere ständige Anwesenheit nicht mehr garantiert ist." Auch das tägliche Waschen sei nicht immer gewährleistet, sagt ein anderer UKB-Mitarbeiter.

Der Personalengpass spiegelt sich in einer Verdi-Umfrage wider, an der im vorigen Jahr 419 Mitarbeiter des UKB-Pflegedienstes teilgenommen haben. 64 Prozent gaben an, dass die Arbeitsbelastung zu hoch sei. Bei der Frage nach "Guter Arbeit und Patientenversorgung" votierten 45 Prozent für "Müssen wir ändern", 37 Prozent sogar für "Müssen wir dringend ändern". 69 Prozent erklärten, nicht bis zur Rente im UKB bleiben zu wollen. Der Frust, sagt nicht nur Schmidt, sitze tief.

Tatsächlich ist die Zahl der UKB-Pflegedienststellen seit Oktober 2011 von 1312 auf 1274 (Stand April) gesunken. Laut Pflegedirektor Alexander Pröbstl liegt das vor allem daran, dass zum Jahresende ein Förderprogramm des Bundes ausgelaufen ist, aus dem 70 Pflegerstellen finanziert worden seien. Das Klinikum setze nicht auf "aggressive" Personalkürzungen - "das würde auch nicht funktionieren, weil wir die medizinischen Leistungen steigern wollen".

Unbestritten sei die Arbeitsverdichtung bei den Krankenschwestern und -pflegern. Wenn die Belastung etwa aufgrund von Krankheitsfällen zu hoch werde, entscheide er mit dem Ärztlichen Direktor, ob Betten vorübergehend nicht mehr belegt werden - so wie es gerade bei vier Betten in der Inneren Medizin geschehen sei. Pröbstl arbeitet an Mindestbesetzungslisten: "Die Organisation muss die Grenzen der Belastbarkeit definieren; der einzelne Mitarbeiter ist damit überfordert."

Trotz allem biete das UKB eine gute Versorgung, betont der Pflegedirektor. Auf den Intensivstationen deutscher Uni-Kliniken liege der Pflegeschlüssel zwischen 2,6 und 3,1 (Pfleger pro Patient im Schichtbetrieb). "In dem Spektrum bewegen auch wir uns", so Pröbstl. "Zentrales Problem ist die Krankenhausfinanzierung: Das Pflegebudget ist geringer, als ich es mir für die Patienten wünschen würde." Die Fallpauschalen (siehe Kasten) seien zudem auf Durchschnitts-Kliniken ausgelegt - und nicht auf ein Klinikum mit vielen komplizierten Fällen.

Einen Teil der Pflegerstellen will Pröbstl wieder besetzen. Aber: Der Arbeitskräftemarkt ist leer gefegt - besonders beim Fachpersonal für Operationen und die Intensivmedizin. Bis zu 20.000 Euro zahlen andere Kliniken, um UKB-Pfleger abwerben zu können. Das Klinikum will jetzt unter anderem in Griechenland auf die Suche gehen. "Und wir werden verstärkt Servicekräfte einsetzen, die das Fachpersonal entlasten", kündigt Pröbstl an. So sollen Arzthelferinnen Blut abnehmen und Verwaltungsaufgaben erledigen.

Seit Jahren werde auch im UKB nur der Mangel verwaltet, sagt Ralf Lückerath, Verdi-Sprecher im Personalrat. "Die Leitung bemüht sich um Verbesserungen, hat aber wenig Spielraum, weil die Rahmenbedingungen im System nicht stimmen." Das werde sich wohl erst ändern, "wenn es den ersten Toten" gegeben habe.

Stimmen aus anderen Krankenhäusern in Bonn

Eine "chronische Unterfinanzierung" der gesamten Betriebskosten stellt Klemens Kemper fest. Er ist Geschäftsführer der Evangelische Kliniken Bonn gGmbH, die das Johanniter- und das Waldkrankenhaus betreibt. Zwar orientiere man sich bei den Pflegedienststellen am Bedarf der Patienten, müsse aber auch auf die Re-Finanzierung achten. Die gesetzlichen Steigerungsraten der Krankenhausbudgets lägen deutlich unter den Tariferhöhungen der Mitarbeiter und der Inflationsrate. Trotzdem sei das Pflegepersonal in den vergangenen Jahren verstärkt worden.

Ähnlich das Bild im Gemeinschaftskrankenhaus. Nachdem das Förderprogramm des Bundes ausgelaufen ist, sei die Zahl der Gesundheits- und Krankenpfleger nur "auskömmlich", heißt es auf GA-Anfrage. "Eine optimale Auslastung wird durch die Krankenkassen leider nicht ermöglicht." Die Patienten würden aber trotzdem "bestens versorgt".

Eine "optimale Zahl" von Pflegekräften haben das St.-Marien-Hospital und das St-Josef-Hospital nach Angaben von Pflegedirektorin Carola Tönnemann. Es sei aber schwierig, erfahrenes Fachpersonal zu finden: "Und junge Leute fallen sehr oft krankheitsbedingt aus." Beide Hospitäler setzen auf selbst ausgebildeten Nachwuchs - ebenso wie das UKB und die anderen Kliniken.

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