Medizin-Tourismus in Bonn Kliniken beklagen Zahlungsmoral mancher Patienten

BONN · Hunderte von Patienten aus dem Ausland lassen sich jedes Jahr in Bonner Kliniken behandeln. Die Stadt gelte als "Gesundheitsstandort" lobte Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch vor kurzem anlässlich einer internationalen Konferenz über Trends im "Medizintourismus". Doch unter den Patienten scheint es auch schwarze Schafe zu geben.

Laut Medienberichten klagen bundesweit Krankenhäuser und Reha-Kliniken immer wieder darüber, dass es viele Medizintouristen aus Arabien mit der Bezahlung ihrer Rechnungen nicht zu genau nehmen. Das bestätigt Rolf Radzuweit, Geschäftsführer der Neurologischen Reha-Klinik Godeshöhe: "Wir nehmen seit drei, vier Jahren keine Patienten mehr aus Kuwait und Saudi-Arabien", so Radzuweit.

Denn bei Patienten aus diesen Ländern habe es immer wieder Probleme mit nicht bezahlten Rechnungen gegeben. Vor etwa fünf Jahren sei sein Haus einer 250.000-Euro-Rechnung hinterhergelaufen. "Vorbildlich" sei indes die Zahlungsmoral von Patienten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar. "Aber immer wieder passiert es, dass wir unsere Arbeit machen, und hinterher heißt es, dass nur gezahlt wird, wenn es 20 oder 30 Prozent Rabatt gibt", klagt Radzuweit. Doch sein Haus weigere sich seit 33 Jahren beharrlich, solche Rabatte zu gewähren. "Das handhaben aber nicht alle so."

Und noch etwas stört den Geschäftsführer der Godeshöhe. Er verweist auf ein Schreiben aus dem Bundesgesundheitsministerium. Das besagt, dass die Behandlung eines ausländischen Patienten nicht mehr kosten darf, als die eines Deutschen. Dabei werde jedoch übersehen, dass die gesamte Krankenhausinfrastruktur, die der Patient in Anspruch nehme, auch nicht umsonst sei.

"Diese Forderung ist in der Tat Unfug, auch weil die Aufwendungen für diese Patienten um ein Vielfaches höher sind", sagt Jens Juszczak von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, der das Thema Medizintourismus seit Jahren erforscht. "So gesehen subventioniert der deutsche Steuerzahler den arabischen Scheich", so Juszczak. Doch damit ist es mit den Gemeinsamkeiten mit Radzuweit auch schon vorbei. "Das ist die eine Seite.

Die andere wirft nicht immer das beste Licht auf unsere Kliniken: Wir rechnen hier ab, wie wir wollen", so Juszczak. Die Krankenhäuser würden nicht - wie bei deutschen Patienten vorgeschrieben - nach Fallpauschalen ("DRG"-System) abrechnen. Das mache es für die Leistungsträger in den Botschaften schwierig, die Richtigkeit einer Rechnung zu überprüfen.

Mit Mitarbeitern seiner Fachhochschule habe er viele Rechnungen untersucht. Ergebnis: Für die Behandlung eines Magenkarzinoms gab es eine Spannweite von 14.000 Euro bis 75.000 Euro. "Viele Krankenhäuser in Deutschland stellen extrem überhöhte Rechnungen aus", so Juszczak.

"Bei uns wird der DRG-Satz angesetzt", sagt Krankenhausoberer Christoph Bremekamp vom Gemeinschaftskrankenhaus. "Wir können derartige Schwierigkeiten nicht bestätigen", so Bremekamp. Sein Haus treffe mit den Patienten vorher eine Kostenvereinbarung, außerdem werde ein Garantiebrief aufgesetzt, dass die Rechnung bezahlt wird. "Natürlich gibt es auch Zahlungsverzögerungen, aber das lässt sich über persönliche Kontakte regeln", sagt Bremekamp. Rund fünf Prozent des Budgets mache das Thema Medizintouristen aus.

"Das ist eine interessante Personengruppe für Krankenhäuser", sagt Bremekamp. Etwa 100 "Medizintouristen" pro Jahr und Standort zählt Klemens Kemper, Sprecher der Evangelischen Kliniken, zu denen Waldkrankenhaus und Johanniter-Krankenhaus gehören. Wesentlich mehr seien es im ambulanten Bereich. "Sie kommen überwiegend aus dem arabischen Raum, aus Libyen, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Probleme mit der Zahlungsmoral können wir nicht bestätigen", betont Kemper. Dies sei auch deswegen "kein Thema", weil überwiegend mit Vorkasse gearbeitet werde. Auf Initiative von Professor Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender Universitätsklinikum Bonn (UKB), wurde 2012 die Stabstelle IMS (International Medical Service) gegründet, um ausländische Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung bestmöglich zu begleiten.

Mit dem Ergebnis, dass die Zahl der ausländischen Patienten laut UKB im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr um 87,1 Prozent anstieg, der Umsatz sogar um 91,6 Prozent. Nach Prüfung der Anfrage aus dem Ausland, der Erstellung eines Kostenvoranschlages und der darauf basierenden Vorauszahlung prüft der Medical Service, ob es ein freies Bett gibt und richtet darauf die Bestellung des Patienten aus.

"Die ausländischen Patienten werden wie deutsche Privatpatienten abgerechnet und lassen sich in zwei Gruppen teilen - Selbstzahler und Patienten, bei denen die Botschaften die Kosten übernehmen. Beide Gruppen zahlen im Voraus", sagt Holzgreve. Nach Erfahrungen des UKB ist die Zahl ausstehender Rechnungen bei ausländischen Patienten nicht höher als bei Patienten aus dem EU-Raum.

Medizintouristen in Bonn

Wie viele Patienten aus dem Ausland jährlich Bonner Krankenhäuser aufsuchen, ist schwer zu sagen. "Eine konkrete Zahl lässt sich mangels spezifischer Erfassung nicht nennen", so die Stadt Bonn, die für 2013 mit rund 1000 Personen rechnet. Laut dem Statistischen Landesamt kamen im Jahr 2012 insgesamt 701 Patienten nach Bonn, 41 davon aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. "Diese Zahl ist viel zu niedrig", sagt Jens Juszczak von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Juszczak schätzt, dass es allein beim Universitätsklinikum rund 700 Patienten pro Jahr sind. Rund 1500 Patienten pro Jahr zählt Christoph Bremekamp vom Gemeinschaftskrankenhaus. Immer mehr kommen aus den ehemaligen GUS-Staaten und Russland. 2011 zählte die Hochschule 82 854 stationäre internationale Patienten aus 171 Ländern und rund 123.000 ambulant behandelte Patienten in Deutschland. 5400 Patienten waren aus dem Mittleren Osten.

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