Rechtsanspruch auf U3-Platz "Kitas werden zur Verwahranstalt"

BONN · Viele Eltern und Pädagogen sind besorgt: Wenn am 1. August der Rechtsanspruch für einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren in Kraft tritt, fürchten sie eine drastische Verschlechterung der Betreuungsqualität. Weil die Kommunen mit dem Ausbau der U3-Plätze dem Bedarf hinterhinken, könnten die Standards gesenkt und die Gruppenstärken erhöht werden.

Das will Regina Wiege nicht akzeptieren. Die Bonnerin und Mutter eines dreijährigen Kindes hat eine Online-Petition an den Landtag gestartet und bisher weit mehr als 1000 Unterschriften gesammelt. "Es könnten durchaus mehr sein, aber oftmals reagieren die Eltern erst, wenn es zu spät ist", bedauert sie. In ihrem Anliegen unterstützt wird sie von Pfarrer Michael Schäfer von der evangelischen Lukaskirchengemeinde sowie von Waltraud Mertens, Leiterin der Lukas-Kita in Bonn-Nord. Dort traf Wiege sich mit Schäfer, Mertens und anderen Müttern jetzt zu einer Pressekonferenz. ,

Schäfer ist zugleich Vorsitzender der Interessengemeinschaft der evangelischen Kindertagesstätten. Er sieht einerseits das Dilemma, in dem die Stadt steckt, zumal sie dann auch Qualitätseinbußen in ihren eigenen Kitas hinnehmen müsse, sagte er. Aber angesichts drohender Klagen von Eltern, die bei der Suche nach einem Betreuungsplatz leer ausgehen, werde auch die Stadt Bonn wohl die Plätze aufstocken, befürchtet er.

"Bisher konnten in den Gruppen für Kinder von zwei bis sechs Jahren vier bis sechs Kinder unter drei Jahren aufgenommen werden. Künftig müssen es auf jeden fall sechs Kleinstkinder sein", erklärte Melanie Rebmann-Rübo von der Fachberatung der evangelischen Tagesstätten. "Dann haben wir anstatt 20 Kinder bis zu 24 Kinder in einer Gruppe bei gleichem Personalschlüssel", warnte sie. Ebenso könnten die Kitaträger angehalten werden, die Kapazitäten inklusive Notplätze in den Gruppen für über Dreijährige voll auszuschöpfen.

"Die Politik hat doch den Anspruch erhoben, dass Bildung von Anfang an sein müsse", sagte Mertens, doch diesem Anspruch könnten viel Kitas dann nicht mehr gerecht werden. "Dann werden viele Kitas nur noch zur Verwahranstalt", ist Kitamutter Leonie Preuschoff überzeugt. Sie sieht noch ein anderes Problem: Da der Lohn für Tagesmütter künftig gedeckelt werde, würden vermutlich viele ihren Job an den Nagel hängen. Damit wachse der Druck auf die Kitas zusätzlich . "Die Kleinsten können dann nur noch wie am Fließband betreut werden, das ist für die Erzieherinnen und für uns Eltern eine unsägliche Situation", brachte sie die Kritik auf den Punkt.

Die Bonner Landtagsabgeordnete Renate Hendricks (SPD) erklärte: "Wir sehen natürlich das Problem, müssen aber nach kreativen Lösungen suchen, um das nötige Platzangebot schaffen zu können". Das könne auch zu Lasten der Gruppenstärken gehen, räumte sie ein. Wichtig sei aber doch, dass alle Kinder die Möglichkeit erhielten, in einer Kita gefördert zu werden. Noch brennender ist für die Politikern das Thema Tagesmütter und Lohndeckelung.

"Da müssen wir auf jeden Fall etwas ändern. Wir sind auf die Tagesmütter angewiesen und können den Platzbedarf nicht allein mit dem Ausbau der Kitas sicherstellen." Hendricks sieht hierbei aber auch den Bund in der Pflicht, "das können das Land und die Kommunen nicht alleine schultern".

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