Neuer Film "Honig im Kopf"dreht sich um Alzheimer-Erkrankung "Keine Angst vor Menschen mit Demenz"

Bonn · Pflegewissenschaftler Bernhard Holle zu den Herausforderungen für Angehörige im Umgang mit den Kranken.

 Dieter Hallervorden als Amandus und Emma Schweiger als Tilda in einer Szene des Kinofilms "Honig im Kopf", der die Krankheit Alzheimer thematisiert. Die Tragikomödie kommt am Donnerstag ins Kino.

Dieter Hallervorden als Amandus und Emma Schweiger als Tilda in einer Szene des Kinofilms "Honig im Kopf", der die Krankheit Alzheimer thematisiert. Die Tragikomödie kommt am Donnerstag ins Kino.

Foto: Warner Bros.

Am ersten Weihnachtsfeiertag kommt Til Schweigers neue Regiearbeit, der tragikomische Film "Honig im Kopf", in die Kinos. Um das Filmthema, die Alzheimer-Erkrankung, geht es in diesem Interview mit dem Pflegewissenschaftler Bernhard Holle.

Haben Alzheimer-Kranke "Honig im Kopf"?
Bernhard Holle: Der Titel kann sicher dazu dienen, das Thema plastisch werden zu lassen. Aber Honig im Kopf? Sicher nicht, aber es vollziehen sich für diese Menschen wirklich Veränderungen vor allem in ihrem Zusammenleben mit den Angehörigen.

Ab wann ist jemand alzheimer-krank? Wenn er die Spielregeln neu erfindet wie im Film?
Holle: Das ist eine sehr schwierige Frage. Eine ganz sichere Diagnostik zu geben, ist nach wie vor sehr schwer. Aber es gibt Tests, die schon gut auf die Erkrankung hinweisen. Anzeichen sind beispielsweise Erinnerungsstörungen und leichte Verhaltensänderungen, die oftmals nicht als Erkrankung wahrgenommen werden.

Und was macht man, wenn sich diese Anzeichen häufen?
Holle: Dann sucht man am besten den Hausarzt auf. Er stellt auch von sich aus oftmals erste Veränderungen fest und kann der Erkrankung auf den Grund gehen. Er kann an Memory-Kliniken, Gedächtnisambulanzen und Fachärzte verweisen, die schließlich genau herausfinden, ob und wenn ja, was für eine Erkrankung vorliegt.

Und wenn wir es dann wissen: Sollte ein Kranker zu Hause bleiben können oder auswärts versorgt werden? Das fragt ja auch der Film.
Holle: Es kommt stark auf die individuelle Situation an. In den Anfangsphasen ist es sicher noch gut möglich und wünschenswert, Menschen mit Demenz zu Hause zu versorgen, wenn ein soziales Netz vorhanden ist. Es gibt heute durchaus viele Unterstützungsangebote, die Beratung und Entlastung für Angehörige leisten. So kann der Mensch mit Demenz dann auch länger in seinem vertrauten Umfeld bleiben.

Und wann geht das nicht mehr?
Holle: Oftmals, wenn herausfordernde Verhaltensweisen hinzukommen, die das gemeinsame Leben erschweren und zu beidseitigem Unverständnis führen. Wenn es zu verbalen oder körperlichen Aggressionen kommt. Es gibt auch Weglauftendenzen, das sogenannte Umherlaufen und selbst- oder andere gefährdendes Verhalten. Wenn der Herd angelassen wird oder der Wasserhahn nicht zugedreht wird. Dann geraten Angehörige oft an ihre Grenzen und müssen sich entscheiden, entweder zeitweise oder ganz stationäre Hilfen etwa in Altenheimen in Anspruch zu nehmen.

Denn irgendwann passiert ja , dass sie die Pflege nicht mehr schaffen...
Holle: Genau. Wenn die Belastung zu groß geworden ist. Auch hier gibt es unterstützende Angebote wie Austauschgruppen, Angehörigencafés, um überhaupt einmal mit anderen Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Es gibt stundenweise Entlastungsangebote, dass der Angehörige auch mal etwas für sich tun und Teil der Gesellschaft bleiben kann. Kurzzeitpflege kann helfen, sich wieder einen eigenen Freiraum zu schaffen.

Die Enkelin im Film entführt den kranken Opa nach Italien. Hilft ein Tapetenwechsel?
Holle: Er kann es, wenn er Anknüpfungspunkte an die Vergangenheit hergibt. Wenn die Reise ein Wiedererleben alter Geschichten ermöglicht. Dann kann man damit durchaus noch einmal einen Draht zum anderen herstellen.

Letzte Frage: Nicht jeder Demenzkranke ist so sympathisch wie der kranke Opa Didi Hallervorden im Film...
Holle: Och, Menschen sind in ihrem Leben und auch in ihrer Krankheit manchmal sympathisch und manchmal unsympathisch. Dieser Kinofilm vermittelt schon eine wichtige Botschaft: dass sich die Familie, die Generationen sehr wohl auch umeinander kümmern können. Das ist natürlich ein Idealbild. Aber vielleicht baut der Film da ja gerade bei jüngeren Leuten Berührungsängste ab und schafft in der Bevölkerung Bewusstsein dafür, dass es Menschen mit Demenz in unserer Mitte gibt. Und dass man vor ihnen keine Angst zu haben braucht, sondern sich ihnen ruhig zuwenden kann.

"Honig im Kopf"

In der Tragikomödie "Honig im Kopf", bei der Til Schweiger nicht nur als Schauspieler zu sehen ist, sondern auch Regie geführt hat, liebt die junge Tilda (Emma Schweiger) ihren Großvater Amandus (Dieter Hallervorden) über alles. Als der an Alzheimer erkrankt und wirbelt er auch das Eheleben seines Sohnes Niko (Til Schweiger) gehörig durcheinander.

DZNE

Am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) erforschen Wissenschaftler unter anderem in Bonn und Witten die Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedener Gehirnerkrankungen mit dem Ziel, neue präventive und therapeutische Ansätze zu entwickeln.

Am DZNE ist die Grundlagenforschung eng mit der klinischen Forschung, mit Populationsstudien und der Versorgungsforschung verbunden, um neue diagnostische Marker zu finden und eine rasche Entwicklung neuer Therapien zu ermöglichen. Weitere Infos auf www.dzne.de.

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