Grippewelle in Bonn Impfen ist auch jetzt noch sinnvoll

BONN · Die Grippewelle rollt weiter. In Bonn blieben Dienstag nicht nur viele Arbeitsplätze leer, auch in den Schulen klingelten die Telefone vorwiegend aus einem Grund: Eltern meldeten ihr Kinder krank.

In der Bertolt-Brecht-Gesamtschule lag der "Rekord" in der vergangenen Woche bei 130 Schülern, die an einem Tag abgemeldet wurden. Am Montag waren es noch einmal 50. Auch die Disponenten der Stadtwerke Bonn haben zurzeit alle Hände voll zu tun, um alle Buslinien besetzt zu bekommen.

"Der Krankenstand beim Fahrpersonal ist zurzeit doppelt so hoch wie üblich", sagte Stadtwerke-Sprecher Werner Schui. Folge: Wer aus dem Unternehmen Bus fahren kann, wechselt auf den Fahrersitz.

In den meisten anderen Bonner Unternehmen übernehmen anscheinend Kollegen die Aufgaben von erkrankten Mitarbeitern. Jedenfalls verzeichnen die vom GA befragten Zeitarbeitsfirmen mit Sitz in Bonn bislang keine außergewöhnlich gestiegene Nachfrage nach Krankheitsvertretungen.

Laut Professor Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Bonner Uniklinik, ist es eine der drei schwersten Grippewellen der vergangenen zehn Jahre. Typisch für Influenza sei, wenn ein Erwachsener mit Atemwegserkrankung plötzlich Fieber bekomme. Dann sollte man zum Arzt gehen.

Drosten rät generell zur Grippeimpfung. Da es bis zu 14 Tage dauert, bis der Schutz wirkt, ist es jetzt schon ziemlich spät. "Wir sind so langsam über den Gipfel", sagte der Virologe.

In der Praxis von Hausärztin Ingrid Hüls-Overkemping geben sich die Patienten seit Wochen die Klinke in die Hand. Nicht nur Grippeviren treiben sie in die Röttgener Praxis. Viele leiden auch an Scharlach.

"Im vorigen Jahr hatte ich noch bis Mai Patienten, die nachweislich an Influenza erkrankt waren", erinnert sich die Allgemeinmedizinerin. Sie rate deshalb vor allem älteren Menschen, sich unbedingt noch impfen zu lassen. Und: "Wer bereits krank ist, sollte sich auf keinen Fall mit Schmerzmittel dopen, arbeiten oder Sport treiben." Das könne zu schweren organischen Schäden, etwa am Herzen führen.

Ein Arztkollege aus Tannenbusch, der nicht namentlich genannt werden will, registriert obendrein eine zunehmende Zahl von Erkrankten mit Lungenentzündungen. Rund 80 Patienten sitzen derzeit täglich in seiner Praxis. "Das sind ungewöhnlich viele", sagt er.

Mehrmals am Tag müssen seine Mitarbeiter die Türklinken in der Praxis desinfizieren, "die sind mit Hauptvirenüberträger", weiß der Experte. Hubert Radinger, Obmann der Bonner Kinder und Jugendärzte, hat zurzeit 50 bis 60 Prozent mehr Patientenkontakte als sonst. "Viele sind richtig krank", sagte er. Er wünscht sich, dass alle Kinder ab sechs Monaten gegen Grippe geimpft werden.

Genaue Zahlen zu den Krankheitsfällen gibt es im Gesundheitsamt der Stadt Bonn nicht. Nur Labore, die Grippenviren nachweisen, müssen diese melden. Eine Arztmeldepflicht bestehe nicht. Die Zahlen des Gesundheitsamtes zeigen aber eine Tendenz: Während im Januar 19 Fälle von Influenza gemeldet wurden, sind es in diesem Monat bereits 61 Fälle. Zum Vergleich: Im Januar 2012 wurde für Bonn nur ein Grippefall gemeldet, im Februar sechs, im März acht Fälle.

Grippeviren:
Es sind verschiedene Grippeviren, die zurzeit den Patienten zu schaffen machen. Einer von ihnen heißt H1N1, gehört zum aggressiven Typ und ist umgangssprachlich auch als "Schweinegrippe" bekannt.

Wissenschaftlich ist das nicht richtig. "Aus der Schweinegrippe ist ein normales Grippevirus geworden", erklärt der Bonner Virologe Professor Christian Droste.

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