Im Slalom zur Bescherung

BAD GODESBERG · Intensiv und teilweise hektisch endet am Freitagmittag unweigerlich die Vorweihnachtszeit - mit den letzten Besorgungen.

 Menschen mit Einkaufstaschen in der Bad Godesberger Innenstadt.

Menschen mit Einkaufstaschen in der Bad Godesberger Innenstadt.

Foto: Rüdiger Franz

Besinnliche Weihnachtstage - für viele Menschen ist dies genau das, wonach es sich anhört: ein frommer Wunsch. Jedenfalls bis an Heiligabend so langsam die Geschäfte schließen und sich allmählich Dämmerung über die wilde Hatz legt. So lange dauert für die meisten der Schlussspurt, wie er auch wieder in Bad Godesberg zu beobachten ist. Einige Momentaufnahmen:

  • Aussuchen und mitnehmen: Was wäre Weihnachten ohne Tannenbaum? Abhilfe schafft da zum Beispiel Tanja Dietrich. Christbäume gibt es bei ihr in allen Größen, und das in dritter Generation - früher am Moltkeplatz, heute neben der Redoute. Ein kleiner Wohnwagen mit Gasofen dient als Refugium und Büro. Nun naht Kundschaft: Eine schlanke Kundin ist auf der Suche nach einem schlanken Baum. "Hm, schwierig", sagt Tanja Dietrich, "die Nordmanntannen wachsen erst in die Breite und dann in die Höhe". Die meisten Kundenwünsche kann sie aber bedienen, für 20 Euro je Nordmanntannen-Meter. Und noch gibt es von den Godesberger Höhen ausreichend nadeligen Nachschub.
  • Einreihen und Abwarten: Die Mitarbeiter der Godesberger Postfiliale meistern zurzeit Großkampftage in Serie. An Hilfsbereitschaft mangelt es nicht: Als die Warteschlange fast bis nach draußen reicht, demonstriert ein Mitarbeiter gelebten Kundenkontakt, fischt alle Benachrichtigungskarten aus der Menschenmasse und kehrt wenig später mit den Armen voller Pakete wieder. So wird an der Koblenzer Straße wenigstens all denen die Zeit verkürzt, die lediglich etwas abholen wollen. Es sind Tage, an denen die unscheinbaren und gern verschmähten Postagenturen in den entlegenen Stadtteilen zum Geheimtipp werden. Allerdings: Inzwischen sind die Schlangen wieder kürzer. Briefe, die jetzt nicht auf dem Wege sind, werden es ohnehin nicht mehr pünktlich unter den Baum schaffen.
  • Beraten, Verkaufen, Nachbestellen: All das wird dieser Tage den Buchhändlern abverlangt, bei denen sich traditionell die Spätentschlossenen tummeln. Im größten Godesberger Buchladen führt Marianne Giese die Regie. Ein Jahr nach dem Bestseller von Thilo Sarrazin gilt die Kundengunst nun anderen: Auch ihre Titel klingen so interessant wie pessimistisch: "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" und "In Zeiten des abnehmenden Lichts". Und was empfiehlt die Filialleiterin zurzeit besonders gern? "Ganz hervorragend sind die ?Biografie Jerusalems? von Simon Montefiore und ?Die deutsche Seele? von Thea Dorn und Richard Wagner", sagt Giese. Zwei Mädchen, auf der Suche nach etwas Passendem für ihren Vater, erreicht sie damit nicht: Sie schwanken zwischen zwei historischen Romanen, einer spielt im Dreißigjährigen Krieg, der andere zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Wer da noch eingreifen will, ist zu spät: Flugs wird per Telefon die Mama konsultiert.
  • Vergrößern, auswählen, Spezialeffekte: Fotoarbeiten per Selbstbedienung im örtlichen Drogeriemarkt sind ein zweischneidiges Schwert: Einerseits hat man von derlei Angeboten - zumal zu solchen Preisen - vor wenigen Jahren nur träumen können. Andererseits kann die Kommunikation mit dem Fotocomputer durchaus zur Geduldsprobe werden. Es sei denn, man ist den Umgang derart gewöhnt wie die beiden Schülerinnen, die in virtuosem Zusammenspiel binnen Minuten ganze Kalender zusammenstellen. Ein kurzer Bastelnachmittag zwischen Shampoo-Regalen und Windeln, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
  • Braten und Tranchieren: Eine Metzgerei am Theaterplatz hat gerade ungewohnten Leerlauf, es ist die Ruhe vor dem Sturm. Rund 600 Vorbestellungen sind in der schwarzen Kladde auf der Arbeitsfläche vermerkt. Besonders oft vertreten sind darin die Klassiker: Pute, Gans, Rotwild. Analog hat das benachbarte Fischgeschäft dieser Tage größere Mengen an Räucherlachs geordert. "Auch geräucherter Aal und Jakobsmuscheln sind sehr beliebt", sagt Filialleiter Timo Schulz. Wer sich lieber etwas Exotisches gönnen möchte, für den gibt es Seeteufel oder Weißen Heilbutt - mit einem Kilopreis von 60 Euro eben etwas für die besonderen Anlässe.

So nimmt er seinen Lauf, der Slalom durch die Innenstadt, während die Stunden bis zur Bescherung verstreichen. Zwischendrin versuchen Bettler und Pantomimekünstler ihr Glück; für Verwirrung bei den Hälse reckenden Passanten sorgt ein Singvogel, der in der Baumkrone über der Koblenzer Straße den Frühlingsboten mimt.

Abschließend noch ein Tipp für diejenigen Berufstätigen, die das Ende der Feiertage kaum abwarten können: Das Kleine Theater im Stadtpark inszeniert Heinz Erhardts Komödie "Das hat man nun davon". Zu sehen ist die Geschichte vom Steuerbeamten Willi Winzig jedoch erst ab dem 27.Dezember. Die Weihnachtsvorstellung ist schon ausverkauft.

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