Notizen aus B. Hierarchiefreie Zone mit Brahms

Meinung | Bonn · Hamburg hat Bonn vieles voraus - nicht erst seit dem G 20-Treffen. Doch den Weltklimagipfel im November wird kein Ort besser meistern als die Bundesstadt.

 Das UN-Klimasekretariat in Bonn beschert der Stadt im November ein zweiwöchiges Gipfeltreffen

Das UN-Klimasekretariat in Bonn beschert der Stadt im November ein zweiwöchiges Gipfeltreffen

Foto: picture-alliance/ dpa

Also, den launigen Wahlspruch Welcome to Hell hatten wir bislang immer mit dem Berufsverkehr zwischen Verteilerkreis und Viktoriakarree in Verbindung gebracht. Jetzt stellen wir fest, dass es in dieser Stadt irgendwo ein Leck geben muss, durch das die besten Bonner Ideen permanent nach Hamburg durchgestochen werden. Halbwegs verarbeitet haben wir, dass man uns an der Elbe im Wettbewerb um die schönsten Kostenexplosionen für Kulturstätten eine Nasenlänge voraus ist, wobei ja hier – siehe Beethovenhalle und Theater – das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Sicher, uneinholbar vorn liegt Hamburg nun bei Lokalpolitikern, die ihre Bürger mit bedrückter Miene um Entschuldigung dafür bitten, was sie ihnen angetan haben. Nachkochen werden wir nach dem G 20-Gipfel sofort die Ochsenbäckchen an Himbeeren, die offenbar perfekt mit Beethovens Neunter (klar, auch aus Bonn geklaut) harmonieren. Neu war uns auch, dass die Freiheit Deutschlands nicht mehr auf der Hardthöhe, sondern in Altona verteidigt wird. Umso mehr tröstet es da, wenn ein griffiges Motto wie „Die Welt zu Gast bei Idioten“ verbrannt ist, bevor sich im November 20 000 Teilnehmer der Bonner Klimakonferenz davon überzeugen möchten, zu welch prächtigen Großbaustellen man hier imstande ist.

Wie kommen Sie jetzt darauf, das sei miesepetrig? Ist doch gar keine Frage, dass der Bonner Gipfel im November die Hamburger Verhandlungsergebnisse übertreffen wird. Für ein ungestörtes Essen und ein nettes Konzert werden die zwei Wochen am Rhein jedenfalls allemal reichen. Und wenn zwischendurch jemand Lust auf Erfahrungen in der hierarchiefreien Gesellschaft hat, kann er ja mal abends in der Südstadt einen Parkplatz suchen. Polizeifreie Zonen finden sich in Wachtberg und im Siebengebirge reichlich. Und wer für seine Rede noch Metaphern wie „Anschlag auf die Demokratie“ braucht, schlendert eben zur Baustelle in der Römerstraße. Gut, dass bei all der Aufregung wenigstens einer im zivilgesellschaftlichen Kampf gegen die Altersarmut die Ärmel hochkrempelt. Dem SWB-Chef, der seine Arbeit bei vollen Bezügen niederlegen möchte, gebührt der Preis „Vertragsklausel des Monats“. Zweiter kann dann ja Anthony Modeste vom 1.FC Köln werden. Zum Schluss als kleine Retourkutsche für den Beethoven in der „Elphi“ noch ein Musiktipp für das Bankett beim Weltklimagipfel in Bonn: Johannes Brahms' „Die goldenen Brücken“.

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