Vor 210 Jahren: Die Schlacht von Kircheib "Gott wolle uns doch den lieben frietten geben"

BONN · Vor 210 Jahren lieferten sich französische und kaiserliche Truppen in Kircheib im Westerwald eine "ordentlicheBataille", die viele tausend Menschen das Leben kostete. Demnächst soll eine Denkmal an die Schlacht erinnern.

"Es ist dergestalt ein Massacre gewesen, dass kein beherzter Mann die Toten wohl ohne Schauer ansehen können, weilen dieselben mehrenteils von Barko'ischen und sächsischen Husaren und übriger Kavallerie zusammengehauen worden. Bald dieser, bald jener den Kopf zerspalten bis auf den Gurgel, dann vielen die Köpf gar abgehauen gewesen; dem der Bauch aufgehauen, dass die Därm herausgewesen, dem der Rücken gespalten, dem Arm und Bein fort, und so mehr, welches gar nicht zu erzählen ist." Der Oberdollendorfer Hermann Christian Hülder, gerade 66 Jahre geworden, beugte sich über das Blatt und brachte mit kratzender Feder das Furchtbare zu Papier, das er Stunden vorher mit eigenen Augen gesehen hatte.

Am 20. Juni 1796 hatte er sich mit seinem Sohn Christian Anton und Hermann Neunkirchen nach Uckerath und Richtung Kircheib aufgemacht, um das Schlachtfeld zu beschauen, auf dem sich am 19. Juni 1796 - ein Sonntag - in der Früh um zwei Uhr französische und kaiserliche Truppen eine "ordentliche Bataille" geliefert hatten. Hülder berichtete von 1 000 toten Franzosen - tatsächlich waren es 2 500 Tote -, die laut Hülder "teils mit großer Anzahl beieinander, teils in den Büschen, teils in den Feldfrüchten" lagen.

Nach 210 Jahren beschäftigt die Schlacht bei Kircheib den Buchholzer Rat. Ludwig Eich möchte an geeigneter Stelle ein Denkmal errichten, um an das blutige Geschehen und auch an die verheerenden Folgen für die Bevölkerung zu erinnern. Diese dramatischen Ereignisse fanden bisher kaum Beachtung. Allerdings ist es den beiden Heimatforschern Horst Weiß und Theo Faßbender aus Buchholz zu verdanken, dass die Vorgänge und Auswirkungen innerhalb des Krieges der Ersten Koalition gegen Frankreich in den Jahren 1792/93-97 auf die Menschen dieser Gegend und damit ein Kapitel Heimatgeschichte nachvollziehbar sind. Sie haben akribisch sämtliche Details zusammengetragen und geforscht. Weiß befasst sich aber auch mit den Veränderungen, die durch den Code Napoleon einhergegangen sind.

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Hermann Christian Hülder, Rotgerber und ehedem Bürgermeister in seiner Heimatgemeinde, schrieb weiter: "Vier Chaussers (Kavalleristen) seind nach Uckerath tot aufm Pferd hingekommen, welche dorten abgestoßen worden." Die Niederschriften des Oberdollendorfers sind eine reiche Quelle seiner Zeit. Hülder beschränkte sich nicht nur auf seinen Ort, sondern berichtete ebenso über Ereignisse in der Umgebung. So dürfte es zu erklären sein, dass er das Schlachtfeld aufsuchte. Es war der erste Feldzug der Franzosen im Westerwald.

Der Bergsporn Jungeroth - in der Nähe von Buchholz, Uckerath und Kircheib gelegene - diente den französischen Truppen 1796 eine ganze Weile als Feldlager. Gewiss war diese Stelle mit Bedacht gewählt: an drei Seiten steile Hänge, die als natürliche Hindernisse dienten, ebenso wie der Hanf- und der Scheußbach in den Tälern davor. Auf dem Plateau gab es schon immer reichlich sprudelnde Quellen - für die Versorgung mit Trinkwasser bedeutsam. Ein weiteres Plus: Die Hohe Straße, die von Köln nach Frankfurt führte, war von Jungeroth aus über den nach Osten hin verlaufenden Bergrücken leicht zu erreichen. Zudem existierten mit dem Steiner Berg, dem Priesterberg und dem Heppenberg ideale Posten für die Späher.

Die Franzosen sicherten ihr Lager mit Schutzwällen, Gräben, Schanzen und Wachen, auf Luftbildern heutzutage durchaus noch zu erkennen. Am 4. Juni 1796 verließen sie diesen Standort, um mehrere Gefechte zu führen. In Altenkirchen gelang ihnen noch am selben Tag ein Sieg, weshalb der Name der Stadt auf dem Triumphbogen in Paris zu finden ist. Die Österreicher, die von Erzherzog Karl angeführt wurden, zogen sich daraufhin zunächst hinter die Lahn zurück, drehten aber bei einem Kampf am 15. Juni bei Wetzlar den Spieß um. Die Revolutionstruppen kehrten um und trafen unter General Jean Baptiste Kléber am 18. Juni wieder in Jungeroth ein. Dort ließ er das ermüdete Heer, das den Befehl zum Rückzug Richtung Düsseldorf hatte, ausruhen.

Schon in der darauf folgenden Nacht wurden die Franzosen jedoch von ihren Verfolgern angegriffen. Mit Kavallerie und Infanterie rückten die Kaiserlichen gegen französische Vorposten an. Da entschloss sich Kléber zum Gegenangriff. Die Franzosen formierten sich auf der Chaussee, deckten ihre Flanken und heizten den Österreichern ein, die in größter Unordnung flohen. Ihre Gegner hinterher.
Das Dorf Kircheib fanden die Franzosen stark besetzt vor. Es gab eine heftige Kanonade. Die Linieninfanterie der Österreicher hatte sich außerdem vorteilhaft mit ihrem Geschütz auf den Anhöhen hinter dem Dorf postiert. Unter Beschuss erstürmten die Franzosen die Höhe und standen dort vier Bataillonen gegenüber.

In Aufzeichnungen von Erzherzog Karl von Österreich, Oberbefehlshaber der Niederrhein-Armee, aus dem Jahre 1813 heißt es: "Es entstand ein Handgemenge der Infanterie, von dessen Hartnäckigkeit und Dauer man in der Kriegsgeschichte neuerer Zeit wenige Beispiele findet. Endlich wurden die Franzosen mit dem Verlust einer Fahne von den Anhöhen heruntergeworfen und durch einige Abteilungen Kavallerie verfolgt." In dieser "Geschichte des Feldzugs" formulierte der Erzherzog auch: "Beide Teile eigneten sich den Sieg zu, beide hatten tapfer gekämpft und viel verloren." Er lobte im Nachhinein das Geschick des französischen Generals, der dem Feind imponiert und seinen ferneren Rückzug ungestört absolviert habe.

"Er ging am 20. früh bei Siegburg über die Sieg und traf am 21. früh in dem verschanzten Lager bei Düsseldorf ein." Feldmarschall-Leutnant Paul Freiherr von Kray berichtete, der Feind sei "mit klingendem Spiel" unter Voranschreiten des Generals Freiherr von Mylius mit dem Bajonett angegriffen, zum Weichen gebracht und "in die Pfannen gehauen und gefangen gemacht". Die Kaiserlichen verloren 400 Mann. 14 000 Soldaten der Koalitionäre hatten 24 000 Franzosen gegenüberstanden.

Das Fatale für das Revolutionsheer: Ihre Aufklärung hatte massiv versagt. Ihnen entging, dass die Haupttruppen der Kaiserlichen auf der Höhe hinter Kircheib standen. Und: Die französischen Melder glaubten sich 44 000 Österreichern gegenüber, überschätzten den Gegner also zahlenmäßig enorm. Aber auch knapp 40 000 Soldaten waren genug für die gebeutelte Bevölkerung der Gegend, die unter den Plünderungen beider Seiten litt.

"Dem 14den 7bris (September), also vom vorigen Jahr bis jetzt dato 1796 den 31den juli kann ich meine Verschetzung von den Kaiserlichen und Franzen nachgriegen erechnen als 500 ReichsDaler, gott wolle uns doch den lieben frietten geben so were doch man zu frietten", steht es in dem Hausbuch eines Johannes Krautscheid. Oder: ". . . des nachts ist uns unsere beste kuh aus dem stall geholt worden". Vielleicht musste auch dieser Johannes Krautscheid die Toten mit bergen? Die Bauern schichteten die fürchterlich zugerichteten Körper im Wald auf und deckten sie mit Steinschichten ab. So wird im Volksmund ein Bereich mit sieben Hügeln "Im Heidenfriedhof" genannt, in einem anderen Wald wurden fünf Grablagen gefunden.

Dafür interessiert sich das Landesamt für Bodendenkmalpflege Koblenz. Die zwei Siedlungsplätze Schellberg und Bretterhäuschen - dort stand das Barrierehaus, die Zollstation der Kölner Kurfürsten an der Hohen Straße -, verschwanden nach dieser Schlacht bald ganz.
Zeugen für das Gemetzel finden Landwirte noch heute beim Pflügen: Hufeisen, teils noch mit Nägeln daran, eiserne Kanonenkugeln oder Bleikugeln für Vorderlader. Direkt an der Bundesstraße 8 erinnert das Kreuz in der Kall an eine junge Frau, die laut Überlieferung von den Franzosen ermordet worden ist, als sie auf dem Weg zur Beichte war.

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