"Gault Millau" kürt Wahabi Nouri zum Koch des Jahres

Abwertung für Nils Henkel aus Bergisch Gladbach - Halbedel's Gasthaus in Bad Godesberg behauptet landesweit Platz zehn - Tadel für Lafer

München. (dpa) Manfred Kohnke, der gefürchtete Chef des Gourmetführers "Gault Millau", lässt wieder einmal die Topfdeckel knallen. Überraschend kürte er nicht einen der allerbesten Kochkünstler des Landes zum Koch des Jahres 2010, sondern einen hervorragenden, vor allem auch preiswerten Individualisten, den 39-jährigen Deutsch-Marokkaner Wahabi Nouri aus Hamburg.

Und ausgerechnet den Vorgänger von 2009, den viel gelobten Nils Henkel aus Bergisch Gladbach, strafte Kohnke ab. Henkel verlor ebenso wie zwei Dutzend weitere Köche wegen "zu viel Chemie im Essen" einen Punkt im Bewertungssystem des Führers. Das passierte auch einem Dutzend anderer Köche, die wie Henkel ein industrielles Kaviar-Imitat auf den Teller bringen.

Die besten Restaurants
in Nordrhein-WestfalenErster Platz: Vendôme (Bergisch Gladbach/19,5 Punkte)
Zweiter Platz (alle 18 Punkte): Lerbach-Nils Henkel (Bergisch Gladbach); Rosin (Dorsten); Hummer-Stübchen (Düsseldorf); Im Schiffchen (Düsseldorf); Résidence (Essen); Zur Traube (Grevenbroich); Le Moissonnier (Köln); Gut Lärchenhof (Pulheim)
Zehnter Platz (alle 17 Punkte): Halbedel's Gasthaus (Bonn); Victorian (Düsseldorf); Herbert Brockel (Erftstadt); Schloss Loersfeld (Kerpen); Alfredo (Köln); La Vision (Köln); Maître im Kuckuck (Köln); Zur Post (Odenthal); Balthasar (Paderborn)Die Abwertung von 19 auf 18 Punkte für Henkel entspräche beim "Michelin"-Führer dem Verlust des dritten Sterns, den Henkel als Nachfolger von Dieter Müller im "Gourmetrestaurant Lerbach" in Bergisch Gladbach hält. Henkel sei "ansonsten ehrenwert", sagt Kohnke, für seine Küchenleistung hätte er weiter 19 Punkte verdient. Dass er unter das Verdikt fällt, sei ein "Kollateralschaden".

Für den Küchenkritiker ist der falsche Kaviar Ausdruck des Sittenverfalls in der Spitzenküche, die von der spanischen Molekularküche und ihren Experimenten beim Transformieren von Speisen ausgelöst wurde. Das aus Spanien stammende Produkt Avruga besteht zu 40 Prozent aus geräucherten Heringsresten, wird mit Kalmar-Tinte gefärbt und mit Maisstärke und Zitronensaft und dem Geliermittel Xanthan zu Kügelchen geformt.

Heftig zieht Kohnke gegen Köche ins Feld, die jeder Mode nachlaufen und keinen eigenen Stil entwickeln. Er triumphiert, dass die avantgardistische Molekularküche mit ihren Kreationen aus heiß und eiskalt, süß und salzig, mit Schäumen und gelierten Aromablasen jetzt nur noch eine Randerscheinung sei: kein Gewinn für den Genuss und allenfalls eine belebende Lustbarkeit bei Tisch. Scharf geht der "Gault Millau" auch mit der verbreiteten Mode ins Gericht, immer mehr Zutaten zu räuchern: "Vom Apfelpüree über Kaffeeschaum bis zu Walnüssen geht alles in Rauch auf, was sich nicht wehren kann."

Anstatt Produkte der Region zu nutzen, böten immer mehr Köche spanisches Iberico-Schwein, immer mehr ähnliche, geschmacklose Schäume und Modebeilagen wie Erdnüsse und Popcorn.

Wahabi Nouri macht in seinem 26 Plätze bietenden Restaurant "Piment" in Hamburg-Eppendorf nur wenige Moden mit. Er entwickelt seinen französisch geprägten Stil mit orientalischen Aromen weiter und bleibt dabei preisgünstig. So hat er den Preis des Gourmet-Papstes Kohnke verdient: für "ein wegweisendes Konzept aus der Krise" und als Beispiel für junge Köche, die Kohnke weiter fördern will.

Tadel für Fernseh-Koch LaferJohann Lafer, omnipräsenter Fernseh- Koch, sollte an seinen Saucen arbeiten. Das rät ihm zumindest der Gastronomieführer "Gault Millau", der in seiner neuen Deutschland- Ausgabe auch sonst Einiges an Lafers Restaurant in Stromberg (Kreis Bad Kreuznach) auszusetzen hat. "Die Saucen fallen sonderbar leblos aus", "zuwenige Aromen werden so präsentiert wie versprochen", heißt es über das Essen, die Desserts seien "kaum auf irgendeiner Höhe der Zeit". Folge: Der "Gault Millau" wertet Lafer von 17 auf 15 Punkte ab.

Lafer zeigte sich enttäuscht: "Ich habe die Meinung des Testers mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Für mich ist aber die Zufriedenheit meiner Gäste das Wichtigste", teilte er auf Anfrage mit. Das Restaurant Le Val d'Or laufe bestens, das belege die Auslastungsquote und das tägliche Lob der Gäste.

Von 102 getesteten Restaurants in Rheinland-Pfalz schnitt Helmut Thieltges vom Waldhotel Sonnora in Dreis bei Wittlich am besten ab: 19,5 von 20 möglichen Punkten gab es für ihn, der im Land seit 1998 souverän an der Spitze liegt. Er zählt damit nach Einschätzung des "Gault Millau" zu den drei besten Köchen in Deutschland.

Zu den Aufsteigern in Rheinland-Pfalz gehört Karl-Emil Kuntz vom Restaurant Krone im pfälzischen Herxheim-Hayna. Er nähere "sich in seinen ausgetüftelten, technisch brillanten Gerichten voll innerer Harmonie der Weisheit des Weglassens", lobt der Gastronomieführer. Ergebnis: 18 von 20 Punkten.

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