Anekdoten GA-Leser erinnern sich an Bonns Traditionsgeschäfte

BONN · Ein Sohn von Kaiser Wilhelm II. schätzte die rohen Eier von Marktfrau Traudchen Kopp. Die Bonner Kinder konnte man eher mit einer Limonade oder einer Schallplatte glücklich machen.

Seit Beginn der Serie über die bestehenden Traditionsgeschäfte in der Bonner Innenstadt haben viele Leser ihre ganz persönlichen Erinnerungen geschrieben oder Fotos geschickt. Diese Folge ist aufgrund der Vielzahl der Einsendungen komplett der Vergangenheit gewidmet.

Eierstand am Markt, Hettlage & Radio Uni

„Meine Großmutter Gertrud Kopp hatte auf dem Markt vor dem Bonner Rathaus ihren Gemüse- und Eierstand. Zu ihren Kunden gehörte unter anderem ein Sohn des letzten deutschen Kaisers, der damals in der Kasernenstraße stationiert war. Bei seinen Ausritten kam er stets an den Stand meiner Großmutter, um dort in aller Ruhe ein rohes Ei zu trinken. Es gab seinerzeit sogar einen Bericht im General-Anzeiger unter der Überschrift 'Königliche Hoheit begrüßt et Traudche', wie meine Großmutter genannt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde einer ihrer Söhne mit dem Bonner Stand betraut, während meine Oma in Bad Godesberg ihren mittlerweile erweiterten Stand mit Eiern, Butter und Gemüse führte. Anfang der 1960er-Jahre dann übernahm meine Mutter die Führung auf dem Bonner Markt.

Es gab in all den Jahren etliche Anekdötchen, zum Beispiel, wie beim Textilhaus Hettlage an der Schaufensterfront eine Taube den Tod fand, um von meiner Oma anschließend gerupft und mit großem Appetit nach dem Braten verspeist zu werden. Bei Eis Lazzarin bekam meine Mutter immer einen Espresso gratis, da sie laut Aussage des Besitzers wie eine Italienerin aussah. Den ersten Plattenspieler bekam ich von Radio Uni, wo man von Herrn Neumann noch persönlich bedient wurde, da er ein Schulkamerad meiner Mutter war.“ (Heinz Leßmann)

Historischer Geschäftsalltag am Bottlerplatz

„Geboren 1927 in Poppelsdorf, habe ich meine Jugend auf dem Münsterplatz im Haus des Büchsenmachers Reeb neben der Hauptpost und im Haus des Mechanikermeisters, Fahrrad-, Nähmaschinen- und Schallplattenhändlers Wilhelm Broich auf dem Bottlerplatz verlebt. Dort hatte mein Vater seine Dentistenpraxis, und ich konnte auf seinen Einkaufs-Rundgängen am Samstagnachmittag all die Geschäfte kennenlernen, deren Inhaber Vaters Patienten waren.

Da war zunächst das Milchbüdchen neben dem Beethoven-Denkmal, betrieben von Herrn Kolster im makellos weißen Kittel, wo ich für fünf Pfennige ein Glas Milch über die Theke gereicht bekam. Dann wurde die Runde zu den verschiedenen Metzgern der Innenstadt gemacht: Bei Dahlhausen am Dreieck bekam ich eine Scheibe Fleischwurst, Fendel-Fix auf der Sternstraße brachte die feinen Aufschnitt- und Fleischportionen sogar nach Geschäftsschluss ins Haus, Lehmacher auf der Friedrichstraße hatte eine feine Hausmacher-Leberwurst, wovon ich im Laden probieren durfte. Dann führte der Weg meist zur Bäckerei Steinbach in der Kasernenstraße.

Dort wurden die jeden Morgen in unsere Wohnung gelieferten drei Brötchen bezahlt. Wenige Meter weiter existierte die kleine Bäckerei Mandt. Hinter der Theke rief die Inhaberin ihren beleibten, mehlbepuderten Bäcker-Gatten in den Laden, wenn wir eintraten, mit 'Engelbert', was Vater lachend mit 'Teufelbert' kommentierte. Gekauft wurde dort ein halbes Sauerbrot, auf dessen frischwarme Schnittfläche der Bäcker für mich einen mit Zuckerguss bedeckten 'Amerikaner' klatschte mit den Worten 'für meinen Schnuckes', so dass ich zum Unwillen meiner Mutter zu Hause den Amerikaner und die zuckerdurchtränkte weiche erste Sauerbrotscheibe erhielt.

Vater, der aus einer elterlichen Poppelsdorfer Gastwirtschaft stammte, beendete die Einkaufsrunde mit einem Bier im Weißen Haus Ecke Sternstraße/Dreieck, wo mir ein Glas Zitsch - Zitronensirup mit Wasser - an der Theke hingestellt wurde. Unvergesslich bleibt mir die Spielwarenabteilung auf der dritten Etage im Kaufhof. Den Gitterkäfig-Aufzug durfte ich aber nur in Begleitung eines Elternteils benutzen; der grün-schwarz uniformierte Fahrstuhlwärter ließ Kinder und Jugendliche nicht hinein. Viele Geschäfte existieren nicht mehr, aber die erhaltenen und meist makellos restaurierten Gründerzeit-Fassaden erinnern noch meist wehmütig an eigene unerfahrene Zeiten.“ (Heribert Kroth)

Stadtbäckerei Hergarten, die erste Eisdiele & Radio Nachtsheim

„Eine der ersten Bäckereien nach Kriegsende, die wieder eröffneten, war die Stadtbäckerei Hergarten in der Acherstraße, und Anfang der 1950er-Jahre kamen die erste Eisdiele und das Musikgeschäft Radio Nachtsheim in der Sternstraße am oberen Ende des Friedensplatzes dazu. Ich habe für meine Schwester ein Gedicht über einen Stadtbummel im Jahr 1953 geschrieben.

Marieluise Nachtsheim hatte großes Verständnis für die Musikliebe der beiden zwölf- bis 14-jährigen Kinder, meine Schwester und ihre Freundin, obwohl sie in diesen Jahren niemals eine Schallplatte kaufen konnten. Dafür reichte das Taschengeld nicht. Frau Nachtsheim ist nicht jedem Kunden so freundlich und zuvorkommend begegnet. Sie hatte wohl diese beiden Mädchen besonders ins Herz geschlossen. Im Laufe der Zeit wurden aber unsere Eltern echte Kunden bei Radio Nachtsheim, und unsere Plattensammlung zu Hause wuchs. Leider gab Marieluise Nachtsheim ihr Geschäft in den 1970er-Jahren auf.“ (Frauke Wollenweber)

Tante-Emma-Geschäft, Wäscheladen und Milchpavillon

„Ich bin Jahrgang 1964 und in Bonn aufgewachsen. Meine Kindheit verbrachte ich in der Altstadt, meine Mutter war 25 Jahre lang selbstständig mit einem sogenannten Tante-Emma-Geschäft Ecke Kölnstraße/Michaelstraße (1967-1991). Mein Vater hatte im selben Haus eine Goldschmiedewerkstatt. Da die Eltern sehr beschäftigt waren, habe ich viel Zeit mit meiner Oma verbracht, die auch bei uns wohnte. Besonders aufregend war es immer, meist einmal wöchentlich mit der Straßenbahn in die Innenstadt zu fahren. Damals hatte die Straßenbahn noch einen Schaffner, und ich war als etwa Fünfjährige stolz, meinen Fahrschein vorzuzeigen, der dann abgeknipst wurde.

Wenn die Oma einen Teil ihrer Rente bei der Sparkasse am Friedensplatz abheben wollte, stiegen wir schon dort aus. Meist ging es dann zu Nachtsheim, einem sehr gut sortierten Schallplattengeschäft am Ende der Sternstraße. Dort bekam das Enkelkind eine Märchenschallplatte für die Sammlung, und die Oma gönnte sich zum Beispiel Peter Alexander, den sie sehr verehrte und dessen Shows sie mit großer Freude im Fernsehen sah.

Neben Nachtsheim befand sich ein wunderschönes Wäschegeschäft. Dort haben wir Wäsche für die Oma gekauft, aber auch mal ein Weihnachtsgeschenk für die Mama, zum Beispiel ein edles Nachthemd mit Spitze. Nach den Einkäufen waren wir hungrig und besuchten den Milchpavillon auf dem Münsterplatz. Ich bekam eine große Portion Milchreis mit Zimt, und die Oma trank gerne Buttermilch.

Zum Abschluss ging es in die Sternstraße zu Weidenbrück, wo die Oma ihre Lieblingskaffeesorte 'Maragogype' kaufte; natürlich ganze Bohnen, denn zu Hause gab es eine hölzerne Kaffeemühle. Ich war immer fasziniert, wenn Oma diese auf den Schoß nahm und ruckzuck aus den duftenden Bohnen feines Kaffeemehl wurde, was ich dann aus der kleinen Holzschublade entnehmen durfte. Es wurde dann mit einem Porzellanfilter aufgebrüht. Ich erinnere mich auch noch an einen Regentag, als Omas Schirm durch eine Windböe brach. Diesen brachten wir dann sofort in das Schirmgeschäft in der Sternstraße, dessen Name mir leider nicht mehr einfällt. Damals waren Schirme noch reparabel, heute unvorstellbar.“ (Claudia Hoge)

Mantel-Etage in der Bonngasse

„Es war Frühling, ich war zwölf Jahre jung, und ich sollte einen lang ersehnten Popelin-Mantel zum Geburtstag bekommen. Natürlich ging Mutter mit mir zur Mantel-Etage in der Bonngasse. Damals, 1950, ging frau eben in die Mantel-Etage. Frau Hagedorn, die Geschäftsführerin, hatte auch etwas Passendes für mich.

Auch Mutter verführte sie mit einem ähnlichen Übergangsmantel. Der Haken allerdings war: Mein Mantel war etwas teurer als Mutters. Und Mutter zögerte, beide zu kaufen. Wie sollte sie das Vater beibringen? Frau Hagedorn erfasste die Situation und meinte: 'Wir tauschen die Preisschilder aus.' Gesagt, getan. Diesen Mantelkauf habe ich nie vergessen.“ (Helmi Blesgen-Meystrick)

Ein Elefant im Puppenkönig

"Es könnte Anfang oder Mitte der 1960er Jahre gewesen sein als mich mein großer Bruder völlig aufgeregt zu Hause abholte und wir, damit es schneller ging, zusammen auf meinem Roller, von der Niebuhrstrasse 38 über die Lennestrasse und Kaiserplatz zum Puppenkönig sausten.

Und was sah ich? Die Schaufenster des Ladens waren ausgeräumt und mit Holzwolle und Holzspänen ausgelegt. Mittendrin stand ein echter kleiner Elefant! Die Attraktion war perfekt!" (Gaby Küppers)

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