Franz Müntefering: In Berlin zur Arbeit, in Bonn zu Hause

Seit seinem Rückzug aus der großen Politik wohnt der Ex-Arbeitsminister auf dem Brüser Berg - Er fühlt sich wohl in seinem Kiez und nimmt am Stadtteilleben teil - wenn es die Zeit erlaubt

Franz Müntefering: In Berlin zur Arbeit, in Bonn zu Hause
Foto: Barbara Frommann

Brüser Berg. Zurückhaltend ist er. Ein Blick hinter die Kulissen erscheint fast unmöglich. Fragen über sein Privatleben weicht er aus - und kommt immer wieder auf den politischen Menschen zu sprechen. Franz Müntefering ist ehemaliger Arbeitsminister, Bundestagsabgeordneter und Ausschussmitglied - in der Öffentlichkeit.

Was er zu Hause macht, in seinem Privatleben, das soll auch da bleiben. Hinter verschlossenen Türen. Auf dem Brüser Berg.

Und doch gibt es ihn - den Privatmenschen Franz Müntefering. Der ganz leger in orangem T-Shirt, weißer Jacke, farblich passenden Turnschuhen und Jeans in der Borsigallee einkaufen geht. Mit dem Einkaufskorb über dem Arm vorm Rewe stehenbleibt, die Blumen anschaut und schließlich in den Laden geht. Aufsehen erregen will er nicht. Tut er auch nicht mehr. Denn am Brüser Berg ist man an den Privatmenschen Müntefering gewöhnt. Und hat ihn akzeptiert - als Brüser Berger.

Vielleicht liegt es auch daran, dass er sich in dem Bonner Stadtteil so wohlfühlt. "Wir sind sehr freundlich aufgenommen worden", sagt Müntefering. "Es ist hier fast wie ein Kiez - in einem wirklich guten Sinn." Deswegen nimmt er auch am Stadtteilleben teil - wenn es die Zeit erlaubt. "Meine Frau geht zum Beispiel in den Strickclub der Kirchengemeinde, und ich schaue, dass ich an Veranstaltungen hier teilnehmen kann."

Dass die Familie nach seinem Rücktritt nach Bonn ziehen wollte, stand schnell fest. "In den 90er Jahren habe ich acht Jahre lang hier gelebt, die Kinder meiner Frau leben hier, und die Region gefällt mir sehr gut", sagt der Ex-Arbeitsminister. Wie viele Tage in der Woche er auf dem Brüser Berg ist, ist unterschiedlich, "wenn Sitzungswochen sind, weniger, ansonsten mehr".

Diese Zeit ist besonders wichtig, denn in Berlin ist er Arbeiter. "Bonn ist mein zu Hause." Deswegen unterscheidet sich auch der Kleidungsstil an Rhein und Spree. "In Berlin habe ich meinen Arbeitsanzug an - mit Krawatte." Die wird in Bonn kaum aus dem Schrank geholt.

Der Rückzug aus der großen Politik hat durchaus Vorteile, sagt Müntefering. "Man hat einfach mehr Zeit für die Familie." Länger schlafen, im Garten "rumpuzzeln", im Kottenforst spaziergehen ("da gefällt es mir, weil es mehr Laub- als Fichtenwald gibt"), auf dem Laufband im Keller täglich mehrere Kilometer hinter sich bringen und den Tag frei gestalten können: Das kennt er erst seit gut einem halben Jahr.

"Wenn man als Spitzenpolitiker morgens wach wird, ist jede Minute des Tages verplant. Es ist ein sehr eingeteiltes Leben." Zeit zum Lesen blieb da kaum. Auch das ist jetzt anders. "Ich lese alles Querbeet, vor allem aber politische, Sach- und Fachbücher."

Ausgehen steht in Bonn kaum auf dem Programm. Häufig schauen die beiden Kinder seiner Frau, ihre Partner und Tom herein - der einjährige Enkelsohn. Der darf dann auf der Trommel spielen, die als Souvenir im Arbeitszimmer steht. "Freunde habe ich eher wenige." Das liege wohl auch an der früheren Spitzenposition. "Man hat wenig Zeit, Freundschaften zu pflegen." Aber auch das könne jetzt anders werden.

Ganz loslassen allerdings kann er doch nicht. Der politische Anschluss per Telefon oder direkt in Berlin ist dem gebürtigen Sauerländer wichtig.

Trotz aller Telefonate, den Personenschützern und den politischen Auftritten, die es auch in Bonn gibt, ist er am Brüser Berg vor allem eins - ein zurückhaltender Privatmensch. Das sehen auch die Bonner so. "Es ist doch erfrischend, dass Franz Müntefering in Jeans und Turnschuhe einfach locker einkaufen geht", sagt eine Angestellte, an deren Bäckerei Müntefering gerade vorbeigegangen ist.

Ganz normal sei er eben, der Münte. So normal, dass er ihr auf seinem Einkaufsbummel manchmal gar nicht auffällt. "Dann sagt meine Chefin “Hey, guck mal schnell raus, da ist er wieder„. Und ich hab es gar nicht gemerkt." Das Normale, das ist es, was den Ex-Arbeitsminister in ihren Augen so sympathisch macht.

"Wenn man mit ihm spricht, ist er immer ganz freundlich, grüßt und lächelt." Trotz aller Zurückhaltung ist er eben wie jeder andere: Ein Brüser Berger, der Freitagnachmittag einkaufen geht. In Jeans, Turnschuhen - und mit einem Korb.

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