Fehldiagnosen kosten lebenswichtige Zeit

Beim Kongress zur Krebsmedizin diskutierten in der Beethovenhalle Onkologen, Selbsthilfegruppen und Krebshilfe mit Betroffenen.

 Bei der Diskussion in der Beethovenhalle sparen die Besucher nicht mit Kritik an Ärzten.

Bei der Diskussion in der Beethovenhalle sparen die Besucher nicht mit Kritik an Ärzten.

Foto: Volker Lannert

Bonn. In der Beethovenhalle wurde es beim Patientenkongress am Samstag richtig spannend. Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Horst Naaß und den Veranstaltern Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe, und Professor Ingo Schmidt-Wolf vom Universitätsklinikum Bonn ging es mit Hilfe der forschen Moderatorin Christiane Poertgen zur Sache.

Ein Mann im Publikum gab an, er sei als Betroffener da, um sicherzugehen, dass in seinem Fall wirklich die aktuell beste Therapie gefunden wurde. Nachdem sein Hausarzt doch sehr unsicher auf die Krebssymptome reagiert habe, hätte er sich selbst kundig machen müssen. "Erst jetzt habe ich das Glück, einen Arzt des Vertrauens gefunden zu haben", sagte der Mann.

An sich laufe die Zuweisung von Patienten im Bonner Raum gut, gab Professor Schmidt-Wolf als Leiter des Bonner Centrums für Integrierte Onkologie an der Uniklinik an. "Aber wir haben noch nicht jeden Hausarzt erreicht, damit er ärztlicher Lotse sein kann", gab er auf Proteste im Publikum zu. Dass einzelne Patienten eine Odyssee hinter sich bringen müssten, bis sie an die richtige Stelle gelangten, dürfe nicht sein.

Heute bestehe endlich für jeden Arzt Fortbildungspflicht. "Aber da hinken wir noch etwas hinterher." Nettekoven von der Krebshilfe ergänzte, es brauche noch "einen langen Atem", bis in Deutschland ein flächendeckendes Netzwerk an optimaler onkologischer Betreuung vom einzelnen Arzt bis zum onkologischen Spitzenzentrum geknüpft sei.

"Grundsätzlich sehen aber auch wir die Situation im Köln-Bonner Raum als gut an", gab er Schmidt-Wolf Schützenhilfe. Es sei nämlich immer wichtig, sich bei Diagnose Krebs eine Zweitmeinung einzuholen. Was erneuten Unwillen hervorrief. Betroffene schilderten, was ihnen auf den Nägeln brennt. Er vermute, dass sich Ärzte und Kliniken aus wirtschaftlichen Gründen schwer täten, Patienten abzugeben, goss auf dem Podium Ralf Rambach von der Selbsthilfegruppe Deutsche Leukämie- und Lymphon-Hilfe Öl ins Feuer.

Und holte sich damit sofort den vehementen Widerspruch von Schmidt-Wolf ein. Der Onkologe verdiene an der aufwendigen Beratung, Begleitung und Behandlung des einzelnen Patienten gar nicht so viel. Hier säßen natürlich viele Menschen, die mit ihrer Krankheitssituation nicht zurecht kämen und den Kongress als wichtiges Forum für ihr Anliegen nutzen wollten, erklärte ein Frau am Rande.

"Mehr als zehn Ärzte haben mich in Siegburg untersucht. Und keiner hat meinen Darmkrebs erkannt. Jetzt habe ich schon Metastasen in der Leber", brach es aus einem Mann heraus. Das sei natürlich fatal, blieb dem Krebshilfe-Geschäftsführer da nur zu bedauern übrig. Dass durch Fehldiagnosen lebenswichtige Zeit verloren gehe, dürfe einfach nicht mehr sein. Denn bei derzeit 450 000 Krebs-Neuerkrankungen pro Jahr sei die Hälfte inzwischen heilbar. "Das ist ja immerhin ein Quantensprung."

Ansprechpartner der Onkologie in Bonn, Rhein-Sieg, Euskirchen, Ahr, Altenkirchen und Rhein-Erft vermittelt das Tumorzentrum Bonn e.V., Rufnummer (02 28) 29 91 61, www.tumorzentrum-bonn.de.

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