Fähre dreht Pirouette zu Adenauers Geburtstag

Autoschnellfähre Bad Godesberg-Niederdollendorf wird 100 - Zum Kriegsende versenkten Nazis Schiff im Rhein

Fähre dreht Pirouette zu Adenauers Geburtstag
Foto: Autoschnellfähre

Bad Godesberg. Als sich am frühen Morgen des 5. Januar eine schwarze Limousine der Fähranlegestelle in Niederdollendorf näherte, nahm die Besatzung Haltung an. Bundeskanzler Konrad Adenauer wählte auch an seinem Geburtstag den direkten Weg über den Rhein ins Kanzleramt.

Zu seinen Ehren wurde auf halber Fahrt die Schiffsglocke geläutet und die Fähre vollzog eine Pirouette. Heute wäre der Rhein selbst an der Reihe, ein Kunststück aufzuführen. Die Autoschnellfähre (ASF) Bad Godesberg-Niederdollendorf feiert ihr 100-jähriges Bestehen.

Die Jungfernfahrt der Fähre am 8. Juli 1908 erfuhr große öffentliche Aufmerksamkeit. "Feenhaft im elektrischen Schein von farbigen Glühbirnen" erstrahlte die Fähre, schrieben die Godesberger Nachrichten. Das Fährschiff war damals mit einem Elektromotor ausgestattet.

Lautlos und geruchslos brachte das Schiff seine Fahrgäste ans Ziel. 6 500 Mal pendelte die Fähre im ersten Jahr zwischen den Ufern. Godesbergs Bürgermeister Anton Dengler, Geschäftsführer der Fährgesellschaft, konnte den übrigen Gesellschaftern, den Gemeinden Nieder- und Oberdollendorf sowie 50 Privatleuten, einen Überschuss in Höhe von gut 3 500 Mark präsentieren.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges geriet auch die Fährgesellschaft in Not. 1923 besetzten französische Truppen die linke Rheinseite. Die Geldentwertung in der jungen Weimarer Republik wurde von Tag zu Tag dramatischer. Die Fährgesellschaft wies einen Verlust in Höhe von 946 000 Billionen Mark auf. Ende der 20er Jahre traten mit der Köln-Düsseldorfer Dampfschifffahrts-Gesellschaft und kleinen Motorbootgenossenschaften Wettbewerber auf den Markt.

Nach der Machtergreifung im Januar 1933 verloren die Nazis wenig Zeit, die handelnden Personen in Godesberg auszutauschen. Als Bürgermeister und Geschäftsführer der Fähre wurde Heinrich Alef eingesetzt. Der Fährbetrieb bekam einen Sparkurs verordnet. 1938 beförderte die Fähre eine Woche lang Englands Premierminister Neville Chamberlain, der im Hotel Dreesen mit Adolf Hitler über Deutschlands Kriegspläne in der Tschechoslowakei verhandelte.

Das Ergebnis ist bekannt. Als im Frühjahr 1945 der Niedergang des Deutschen Reiches nicht mehr aufzuhalten war, versenkten die Nazis unter dem Eindruck sich nähernder alliierter Truppen das große Fährschiff.

Nach Verhandlungen mit der Militärregierung durften ehemalige Mitarbeiter der Fährgesellschaft schon im März 1946 den Betrieb wieder aufnehmen. Die Pontonbrücke der Amerikaner verschwand, und bis zur Fertigstellung der ersten Rheinbrücke 1949 war die Fähre die einzige Möglichkeit, den Rhein zu queren.

Die Schiffe "St. Christophorus" und "St. Michael" standen für den Aufbruch in bessere Zeiten. Die 1966 in Dienst gestellte "St. Christophorus II" gelangte ein Jahr später zu Weltruhm: Zu seiner Beerdigung trat Adenauer das letzte Mal den Weg über den Rhein an. Das Bild der Rheinfähre mit den Fahnen auf Halbmast ging um die Welt. Bis heute trägt ein Fährschiff den Namen des ersten Bundeskanzlers.

Die Weichen für die Zukunft der ASF stellte in den 60er Jahren Geschäftsführer Peter Bläser. Mit einem rigiden Sparkurs und neuen Ideen wie der Vater-Sohn-Karte oder der Einführung der elektronischen Datenverarbeitung schaffte er es, den Betrieb trotz neuer Konkurrenz durch die 1972 eröffnete Konrad-Adenauer-Brücke rentabel zu führen. 1997 ging Bläser nach 30 Jahren von Bord.

In der jüngsten Vergangenheit hielt ein Rechtsstreit die ASF in Atem. Zehn Mitarbeitern wurde vorgeworfen, das Unternehmen betrogen zu haben. Der Streit endete mit einem Vergleich. Nur ein Jahr nach der Entlassung der betroffenen Mitarbeiter wies die Bilanz Mehreinnahmen in Höhe von 100 000 Euro aus.

Etwa ein Drittel seiner Einnahmen generiert das Unternehmen heute aus Events wie Rhein in Flammen oder dem Triathlon. Auch an Geburtstagen kann das Fährschiff angemietet werden. Mit etwas Glück vollzieht der Kapitän dann mit dem Schiff eine Drehung um die eigene Achse. Das hat schließlich Tradition.

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