Interview mit Jörgen Klußmann "Evangelium verpflichtet zum Frieden"

BONN · Fremdenfeindlichkeit und Gewalt sind am Freitag und Samstag, 12. und 13. April, in der Evangelischen Akademie im Rheinland das Thema einer öffentlichen Tagung.

Studienleiter Jörgen Klußmann steht am Eingang der Evangelischen Akademie.

Studienleiter Jörgen Klußmann steht am Eingang der Evangelischen Akademie.

Foto: Ronald Friese

Rechtspopulismus und Gewalt ist ein gerade für Bonn nach dem bewegten Jahr 2012 interessantes Thema. Was können wir in der Akademie erwarten?
Jörgen Klußmann: Wir befassen uns mit dem zunehmenden Rechtspopulismus und -extremismus in verschiedenen Ländern. Bonn hat da auch leidige Erfahrungen machen müssen. Die Ausschreitungen 2012 vor der König-Fahd-Akademie in Lannesdorf waren ja auch durch eine rechtspopulistische Partei mitprovoziert. Solche Bewegungen in Europa haben sich das Feindbild Islam ausgesucht, weil sie wissen, dass viele Menschen Angst vor islamistischen Terror haben. Durch ihre Aktionen schüren sie aber nur die Ressentiments und erschweren den notwendigen Dialog mit der Mehrheit der gemäßigten Muslime. Das wird auch Thema bei uns sein.

Sie decken innerhalb der Evangelischen Akademie das Arbeitsfeld Politik ab. Wie sieht Kirche hier ihre Aufgabe?
Klußmann: Die Kirche darf sich nicht aus der Politik heraushalten. Das Evangelium verpflichtet uns Christen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Für viele Christen bedeutet dies ein aktives Engagement. Andererseits haben sich viele Menschen auch deswegen von der Kirche abgewandt, weil sie meinen, dass sie hier zu wenig tut. Dabei sind die Kirchen nach wie vor starke Lobbisten und Aktivisten. Wir in der Akademie versuchen die Themen, die den Menschen unter den Fingern brennen, anzusprechen. In meinen Bereich fallen hier Afghanistan, der Euro, Frieden in Nahost oder die Zuwanderung. Mein Herz schlägt für Konfliktbearbeitung und Friedensethik.

Gibt es denn wirklich christliche Konfliktbearbeitung?
Klußmann: Ich denke, dass Versöhnung ein sehr christlich geprägtes Konzept der Konfliktbearbeitung ist. Ich bin da seit fast zehn Jahren privat auch als Trainer und Coach in vielen Krisengebieten der Welt tätig. Mein Selbstverständnis als Christ hat mir dabei immer geholfen, zu begreifen, wie notwendig eine Aussöhnung zwischen Täter und Opfer ist. Es kann Vergebung und Versöhnung geben.

Welche unterschiedlichen Diskussionspartner bringen Sie an einen Tisch?
Klußmann: Das kann dann schon mal der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, und der Leiter des palästinensischen Zentrums für religiöse und kulturelle Studien, Gheris Khoury, sein. Vor allem sind unsere Referenten anerkannte Experten, die nachweislich zu den Themen gearbeitet haben. Wir wollen, dass interessierte Bürger mit diesen Experten ins Gespräch kommen, um Aufklärung zu bieten, die über die Zeitungslektüre hinausgehen. Bei uns hat man Gelegenheit, diese Menschen persönlich zu treffen und ihnen Fragen zu stellen.

Wo haben Sie schon besondere Akzente gesetzt?
Klußmann: In Tagungen, in denen es konkret um die Bewahrung des Friedens geht, sei es in Afghanistan, Nahost oder in Deutschland. Immer spannend sind Tagungen zum christlich-islamischen Dialog, bei denen sich häufig zeigt, wie verunsichert sowohl Christen als auch Muslime sind. Da kommt es auf Fingerspitzengefühl an. Außerdem darf man keine Angst haben, unter Beschuss zu geraten. Interessanterweise ist dies bisher aber nur von rechter Seite geschehen.

Stichwort Salafisten-Hochburg Bonn. Wie könnte ein Engagement gegen das Erstarken extremistischer Kräfte auch vor Ort aussehen?
Klußmann: Wir brauchen mehr Aufklärung. Im Zeitalter der Desinformation durch propagandistische Internetseiten von salafistischer und rechter Seite muss es unabhängige, objektive und sachdienliche Informationen geben. Besonders junge Menschen brauchen auch Anreize, um nicht in die Fänge von Rattenfängern zu kommen. Wir müssen ihnen berufliche und soziale Perspektiven bieten. Es ist ein Skandal, dass sich extremistische Kräfte die Freiheiten der Demokratie zu Nutze machen. Hier ist mehr Wehrhaftigkeit gefragt. Verbote können sicher helfen, aber auch Strafen bei Diskriminierungen müssen möglich sein. Vor allem aber Anerkennung der bereits geleisteten Integrationsbemühungen gerade von christlicher und islamischer Seite. Und dazu wurde ja in Bonn bereits schon einiges geleistet.

Info: Eine Anmeldung zur Tagung "Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und zunehmende Gewalt" am kommenden Wochenende ist möglich unter der Telefonnummer 0228/9523205 und übers Internet auf der Homepage www.ev-akademie-rheinland.de.

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