Winter in Bonn Erinnerungen an die Eiszeit auf dem Rhein

BONN · Vor 50 Jahren erlebte Bonn einen besonders strengen Winter. 1929 war der Rhein sogar zugefroren. Das kann heute praktisch nicht mehr passieren: Kraftwerke und Schiffe verhindern ein Zufrieren.

"Auf dem Rhein tanzen und flüstern die Schollen" titelte der General-Anzeiger im Januar vor 50 Jahren. Bonn war 1963 fest in den Klauen eines besonders eisigen Winters. Schiffe mussten die Schutzhäfen in Godorf und Oberwinter anlaufen.

Die Wasserschutzpolizei hatte am Ufer genug zu tun. Sie warnte Kinder davor, zu weit auf die Eisfläche zu laufen und legte Sonntagsjägern, die es auf Enten und Gänse abgesehen hatten, das Handwerk. Am Venusberg "ist ein Wintersportbetrieb wie auf dem Idiotenhügel von Ruhpolding", gab seinerzeit der städtische Pressereferent Auskunft.

In Höhe der Loreley hielten Eisbrecher die Fahrrinne frei. Sie hatten sich schon in einem anderen, sehr strengen Winter bewährt. 1956 mussten sie sich durch eine regelrechte Eiswüste schälen.

Die Befürchtung damals: Eis könnte die Enge wie einen Pfropfen verschließen und den Rhein aufstauen. Wenn dann der eisige Staudamm gebrochen wäre, hätte es nicht nur eine Flutwelle gegeben.

Die mitgerissenen Eisbrocken hätten schwere Schäden verursacht. Solch ein Szenario ist nach Auskunft des Wasser- und Schifffahrtsamtes Koblenz heute unwahrscheinlich. Eisbrecher "Wirbeley" war allerdings im vergangenen Winter auf der Mosel im Einsatz.

Manche Nachrichten von 1956 unterscheiden sich nicht von denen heute. Man liest von unzureichenden "Räumarbeiten des städtischen Fuhrparks" und von gefrorenen Weichen bei den Bahnen.

"Bei der Stadt wird ernsthaft die Anschaffung eines Schneepfluges erwogen", meldete der GA seinerzeit. Ein Leser berichtete von Seehunden im Rhein, die sich bei genauerem Hinsehen jedoch als schmutzig graue Eisschollen entpuppten.

Stöbert man weiter in Archiv und Wintererinnerungen, stößt man auf die berüchtigten "Steckrübenwinter" gegen Ende des Zweiten Weltkrieges und in den ersten Jahren danach. 1942 wurde mit -23,8 Grad die niedrigste Temperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen.

Doch die NS-Propaganda konzentrierte sich darauf, um Kleiderspenden für die Soldaten an der Ostfront zu werben. Kälte und Hunger im eigenen Land wurden totgeschwiegen. Auch die ersten Nachkriegswinter waren bitterkalt, "Kohlenklau" gehörte zum Alltag.

1929 mussten die Bonner Schulen wegen des Kohlenmangels sogar geschlossen werden. In diesem Winter fror der Rhein zum bisher letzen Mal zu. Historische Fotos zeigen, wie sich Spaziergänger und Eisläufer vor der Siebengebirgskulisse auf dem Fluss tummeln.

Es gibt verschiedene Faktoren, die dafür verantwortlich sind, dass der Rhein schon lange keine geschlossene Eisdecke mehr hatte. Kern- und Kohlekraftwerke sind sogenannte Wärmeeinleiter.

"Sie tragen jeweils auf einer Strecke von 10 bis 30 Kilometern deutlich messbar zur Erwärmung bei", erklärte Martin Keller von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz. Außerdem sei ein Klimaeffekt eingetreten: Das Rheinwasser sei im Schnitt ein Grad wärmer als noch vor 50 Jahren.

Auch die hohe Fließgeschwindigkeit und die Größe des Flusses sowie die mechanische Energie von rund 2000 Schiffsschrauben tragen dazu bei, dass sich im Rhein nicht so schnell große Eisstücke bilden. "Es müsste acht Wochen lang minus zehn Grad und kälter sein, damit der Rhein zufriert", sagte Keller.

Mitmachen: Haben Sie noch alte Fotos vom vereisten Rhein? Prima, dann schicken Sie uns Ihre Bilder an online@ga.de. Wir erstellen dann eine Fotostrecke und präsentieren die Fotos auf ga.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
August Macke, Waldrand, Öl auf Leinwand,
Der Macke vom Müll
Neue Folge des Crime-Podcasts „Akte Rheinland“Der Macke vom Müll
Zum Thema
Aus dem Ressort