Muslime in Bonn Einladung an extremistischen Redner in Bonner Moschee sorgt für Unverständnis

Es gibt Äußerungen, die sind unmissverständlich. Zum Beispiel diese: "Dialog und Integration sind nur für dein Verderben", sagt der gepflegt wirkende Mann mittleren Alters. Der Bart ist sauber gestutzt, das weiße Hemd blütenrein.

Muslime in Bonn: Einladung an extremistischen Redner in Bonner Moschee sorgt für Unverständnis
Foto: Max Malsch

Bonn. Es gibt Äußerungen, die sind unmissverständlich. Zum Beispiel diese: "Dialog und Integration sind nur für dein Verderben", sagt der gepflegt wirkende Mann mittleren Alters. Der Bart ist sauber gestutzt, das weiße Hemd blütenrein. Der Mann redet in einem ruhigen, dozierenden Ton: "Wenn du ihren Anleitungen folgst, wirst du in dein Verderben laufen."

Im weiteren Verlauf des YouTube-Videos wird klar, wer mit "du" und "sie" gemeint ist: Hier die Muslime, dort Christen und Juden. "Sie werden nie zufrieden mit dir, Muslim, sein." Und dann sagt der Mann, kaum merklich die sonore Stimme hebend: "Sie wollen uns zu Kuffar (Ungläubige, Anm. d. Red.) machen, weil sie Diener des Satans sind und die Befehle des Satans praktizieren."

Der Mann heißt Ibrahim Abou Nagie, ist selbsternannter Prediger und Kopf einer Bewegung, die sich "Die wahre Religion" nennt. Die Gruppierung ist unter radikalen Muslimen bestens bekannt. Auch der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen hat DWR, wie sie in einschlägigen Kreisen genannt wird, auf dem Schirm. Zum Beispiel, wenn Abou Nagie bald in Bonn zu Gast sein wird: Bei einem Islam-Seminar in der arabisch geprägten Moschee Al-Mushinin im Schwarzen Weg im Stadtteil Beuel.

Winfried Semmler-Koddenbrock ist ein friedliebender Mensch. Der Pastoralreferent der katholischen Gemeinde St. Petrus in der Bonner Nordstadt bemüht sich seit Jahren um den interreligiösen Dialog. Oft genug wirbt Semmler-Koddenbrock um Verständnis für die Muslime und fordert Respekt für deren Glaubenspraxis.

Islamisten in BonnAuch wenn sich der Verfassungsschutz NRW zurzeit angesichts der aktuellen Bedrohungslage mit konkreten Bewertungen einzelner Städte zurückhält, so gilt Bonn doch seit Jahren als Ort, an dem sich Islamisten aufhalten und treffen. Das sei zum einen typisch für Großstädte mit Universitäten, wie der Verfassungsschutz im vorigen Jahr argumentiert hatte. Zum anderen führen Kenner der Szene die Konzentration von Islamisten auch darauf zurück, dass mit Einrichtung der von Saudi-Arabien finanzierten Fahd-Akademie in den 1990er Jahren fundamentalistische Muslime aus dem arabischen Raum nach Bonn zogen. Erstmals für bundesweite Schlagzeilen sorgte 2001 einer der Todespiloten des 11. September, Marwan Al-Shehhi, der eine zeitlang in Bonn lebte. 2003 geriet dann die Fahd-Akademie selbst in den Blick der Verfassungsschützer. Ein Lehrer der Schule hatte zum "Dschihad", zum "Heiligen Krieg" aufgerufen. Dann wurden bei einem Verdächtigen aus dem Umfeld der Schule auch noch Utensilien gefunden, die für die Herstellung von Bomben geeignet sein sollten, wie das ARD-Magazin "Panorama" 2003 berichtete. Die aus Bonn stammenden Brüder Chouka drohten 2009 in einem Video einen Anschlag in Deutschland an. Sie werden der Terrororganisation "Islamische Dschihad Union" zugerechnet. Auch der in Tannenbusch aufgewachsene Deutsch-Marokkaner Bekkay Harrach, der als mutmaßliches Al-Kaida-Mitglied gilt, machte voriges Jahr mit Drohvideos auf sich aufmerksam.

Jetzt aber scheint auch für den Kirchenmann, der sich im "Arbeitskreis Muslime und Christen im Bonner Norden" engagiert, das Maß voll zu sein: Die Einladung "solcher Leute" wie Abou Nagie sei eine Belastung für den christlich-muslimischen Dialog. "Die Veranstaltung irritiert mich. Wer öffentlich auftritt, sollte eine klare Position gegen Gewalt beziehen." Diese klare Position vermisst Semmler-Koddenbrock bei Abou Nagie.Die Absage an Gewalt vermisst auch der Verfassungsschutz: "'Die wahre Religion' zählen wir zum so genannten Mainstream-Salafismus", sagt Carola Holzberg vom NRW-Verfassungsschutz und verweist auf den jüngsten Zwischenbericht ihres Hauses. "Der Mainstream-Salafismus ist eine missionarisch tätige, vordergründig Gewalt ablehnende ... Strömung innerhalb des salafistischen Spektrums", heißt es dort.

Eines haben nach Erkenntnis des Verfassungsschutzes alle Salafisten gemein: Sie wollen zurück zu den Wurzeln, sehnen sich nach einem Ur-Islam, der das herrschende politische System und deren Repräsentanten ablösen soll: In den arabischen Staaten die "ungläubigen" Handlanger der Amerikaner, wie Abou Nagie sie bezeichnet, und in Europa die demokratischen Systeme: "Sie sollen durch einen 'wahren islamischen Staat' abgelöst werden", so der Verfassungsschutz.

Und die Protagonisten dieses Systemwechsels sollen die europäischen Muslime sein. Denn "der Sieg wird aus Europa kommen", schwört Abou Nagie seine Glaubensbrüder in einem anderen Video ein. Zielgruppe der DWR sind in erster Linie jüngere Muslime und deutsche Konvertiten, hat die Innenbehörde Hamburg festgestellt. Die Behörden der Hansestadt haben im Sommer den Trägerverein der Taiba-Moschee verboten und dem Gotteshaus damit die Grundlage entzogen.

In der Taiba-Moschee hatten im April die gleichen Vertreter der "Wahren Religion" in einem Islam-Seminar gepredigt, die auch Ende Dezember in der Bonner Al-Mushinin-Moschee als Referenten auftreten werden. "Die Auswahl der Referenten ist ein weiterer Beleg für die extremistische Ausrichtung der Moschee", befand die Hamburger Behörde.

Trotz dieser klaren Einschätzung der Verfassungsschützer zeigt sich der Bonner Rat der Muslime unbeeindruckt. Stattdessen betrieb er am Mittwoch eine allgemeine Medienschelte und sprach von einem Generalverdacht, unter den Muslime aufgrund der "undifferenzierten Medienberichterstattung" gestellt würde.

In seiner am späten Nachmittag veröffentlichten Pressemitteilung jedenfalls ging der Muslim-Rat nicht auf das Seminar in Beuel an sich ein, sondern bekannte sich zum Grundgesetz als die "berechtigende und verpflichtende Ordnung des gemeinsamen Zusammenlebens in Deutschland". Bei "stichhaltigen Nachweisen gesetzlicher Verfehlungen" plädiere die Al-Mushinin-Moschee für die konsequente Anwendung geltenden Rechts, schreibt der Rat ausweichend, ohne auf die Extremismus-Vorwürfe der Referenten auch nur mit einem Wort einzugehen.

Nur so viel: "Sämtliche Veranstaltungen der Mitglieder des Rats der Muslime sind öffentlich zugänglich. Jeder mag sich ein eigenes Bild und eine eigene Meinung über die dem Rat angeschlossenen Organisationen machen", lautet die indirekte Einladung auch an Nichtmuslime, vom 31. Dezember bis 2. Januar am Seminar in der Moschee teilzunehmen.

Klare Worte hingegen findet die Bonner CDU. Sie verurteilt "die Einladung fundamentalistischer Prediger in die Al-Mushinin-Moschee". Sie fordert den Verein auf, "die Prediger umgehend auszuladen, dauerhaft von ihnen Abstand zu nehmen und ihre Islam-Seminare auf Grundlage der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu gestalten". CDU-Chef Philipp Lerch: "Seminare wie diese schaden dem interreligiösen Dialog."

An Dialog und Verständigung ist Prediger Abou Nagie aber nicht interessiert. Für ihn gibt es nur ein Entweder-Oder, Gläubige oder Ungläubige. Dazu zählt er auch all die Muslime, die nicht seinen Ansichten folgen, selbst wenn es sich um muslimische Gelehrte handelt: "Möge Allah sie vernichten oder rechtleiten", lautet sein Urteil.

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