Fall Marc Metzger "Ein Wochenende kann zur Tortur werden"

BONN · Der Rückzug von Marc Metzger stimmt die Kollegen der Karnevalsszene nachdenklich. Peter Brings beispielsweise rät zu weniger Auftritten. Die Welle des Bedauerns und des Mitgefühls für Marc Metzger ist enorm.

Willibert Pauels alias "Ne bergische Jung" sitzt vor dem Saal der Stadthalle Bad Godesberg. Er hat die rote Clownsnase neben eine Schale mit Knabberzeug gelegt, der Hut liegt daneben, die Haare hängen strähnig in die Stirn. Pauels zieht an einer Zigarette und blickt auf den Boden, kaum jemand würdigt ihn eines Blickes.

Aus dem Saal dringt dröhnendes Gelächter, ein Tusch jagt den anderen. Plötzlich geht die Türe auf. Ein junger Mann kommt heraus. Er trägt ein gelb-rot kariertes Clownskostüm und eine überdimensionierte Brille, er wirkt erschöpft, aber zufrieden.

Er heißt Marc Metzger, ist 38 Jahre alt und als "Dä Blötschkopp" der gefeierte Superstar des rheinischen Karnevals. Sofort ist er umringt von Autogrammjägern, sie lassen ihm kaum Gelegenheit, Clownsfrack gegen Winterjacke zu tauschen. Sie zücken ihre Handys und Metzger reißt für jedes Foto die müden Augen auf.

Auch Pauels freut sich, die beiden Karnevalisten kennen sich, endlich jemand, der mit ihm redet. Während Metzger Autogramme verteilt, klagt Pauels ihm sein Leid, wie schwierig es ist, als Büttenredner immer zuletzt auf die Bühne zu müssen.

Fast genau ein Jahr ist diese Szene alt, so geschehen im Januar 2012 bei der Prunksitzung des Godesberger Stadtsoldatencorps. Metzger war seinerzeit auf der Höhe des Erfolgs, Pauels bescheinigten die Boulevardzeitungen einen "traurigen Absturz". Wenige Monate später sagte der "Bergische Jung" alle Auftritte der aktuellen Session ab.

Begründung: Depressionen. Er begab sich in ärztliche Behandlung. Mittlerweile hat sich Pauels erholt. Bis Aschermittwoch gönnt er sich allerdings noch eine Pause. Ab März tourt er wieder auf kleinen Bühnen. "Ich gehe davon aus, dass Willibert in der Session 2014 wieder auf der Narrenbühne steht", sagte Horst Müller, Geschäftsführer der Eventagentur "Alaaaf.de".

Doch auch auf den "Blötschkopp" müssen die Jecken in dieser Session verzichten. Der Humormarathon hat Spuren hinterlassen. Nach eigenen Angaben leidet der Liebling der Karnevalisten unter einem "Burn out". Wer einmal erlebt hat, wie der Arbeitsalltag eines Karnevalisten während der Session aussieht, den wird diese Diagnose nicht wundern.

Lustig ist er nur für das Publikum, für den Künstler ist er vor allem geprägt von Erfolgsdruck, Terminstress, viel Kölsch, ungesundem Essen und distanzlosem Publikum. "Das ist Raubbau am Körper", so fasste Metzger vergangenes Jahr seine Gewalttour durch die Sitzungssäle zusammen. Er rundet das Programm mit vielen Zigaretten und Kaffee ab. Hinzu kommt seine Multiple-Sklerose Erkrankung, an der er seit Jahren leidet, die er aber erst vor wenigen Wochen der breiten Öffentlichkeit publik machte. Insider wussten längst davon.

Ausfall von Marc Metzger stimmt Kollegen nachdenklich

Der krankheitsbedingte Ausfall Metzgers löst Nachdenklichkeit bei den Kollegen aus. Peter Brings, Kopf und Stimme der Kölschrockband Brings, warnt: "Bei aller Begeisterung: Nur über die Anzahl der Auftritte lässt sich die mentale und körperliche Belastung reduzieren. Wir treten an Wochenenden nur noch maximal auf sechs bis sieben Bühnen auf. Mehr geht nicht, ohne die Gesundheit zu riskieren."

Peter Brings weiß, wovon er redet: Vor zwei Jahren brach er auf der Bühne des Maritim Hotels in Köln zusammen. Die Ärzte diagnostizierten Kreislaufzusammenbruch aufgrund einer verschleppte Bronchitis.

Der 48-Jährige nahm daraufhin Dampf aus der Karnevalsmaschine: "Ein Wochenende in so einer kurzen Session wie dieser kann zur Tortur werden. Für mich ist es immer sehr belastend, unentwegt von Saal zu Saal zu reisen. Es gibt keine Garderoben für die Wartezeit vor dem Auftritt. Man steht im Foyer, jeder quatscht einen an." Die Band hat sich einen großen amerikanischen Van mit Kühlschrank und Fernseher angeschafft, um dort in Ruhe die Zeit bis zum nächsten Auftritt verbringen zu können.

Comedian und "Werbefachmann" Bernd Stelter lebt nach der Maxime: Kein Auftritt nach 24 Uhr, Sport treiben, sich gesund ernähren und während der Woche keinen Alkohol trinken. Der 51-Jährige weiß nach fast 25 Jahren Bühnenpräsenz: "Disziplin ist im Karneval extrem wichtig.

Bernd Stelter: "Der Stress im Karneval macht nicht krank"

Abends nach dem letzten Auftritt einen Absacker an der Theke kann ich mir nicht mehr leisten. Ich muss jedes weitere Jahr mehr investieren, um das Niveau halten zu können." In seinem Haus in Bornheim hat sich Stelter ein Fitnessstudio eingerichtet. Fünf Mal pro Woche trimmt er sich dort fit. Auf Tour meidet er Fast-Food-Ketten, isst lieber einen Salat mit Fisch oder Fleisch im Restaurant.

Die Diskussion, die nach dem Aus für Marc Metzger entbrannt ist, geht für Stelter in die falsche Richtung: "Der Stress im Karneval macht nicht krank. Sicherlich steht man vor dem Sessionsstart unter Druck und fragt sich: Kommt man mit dem neuen Programm beim Publikum an? Aber nach zwei, drei Auftritten legt sich diese Unsicherheit. Der Applaus und das Schulterklopfen der Zuschauer motivieren und stärken den Künstler - vorausgesetzt er ist grundsätzlich fit für die Session."

Guido Cantz: Kein Alkohol in der Session

Bei Entertainer Guido Cantz macht sich Stress schnell bemerkbar. Er wird dünnhäutig, ungerecht, hat keine gute Laune. Aber er weiß damit umzugehen: "Wichtig ist eine seriöse Terminplanung, damit Stress erst gar nicht aufkommt." Der Porzer achtet sehr darauf, dass er ausreichend schläft, Sport treibt, keinen Alkohol in der Session trinkt. Zusätzlich lässt er sich Vitamin-Infusionen vom Arzt verabreichen.

"Ein vernünftiger Lebenswandel gehört für mich zu einem professionellen Verhalten dazu", sagt Cantz. Seine Tipps für Stressbewältigung lauten: Zeit mit der Familie verbringen, Entspannen in der Sauna oder bei der Massage, sich mit Freunden treffen, die nichts mit Fernsehen und Bühne zu tun haben.

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