Sechs Jahre Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch Ein Mann, der die große Bühne liebt

BONN · Am Dienstag verlässt Jürgen Nimptsch seine bislang wichtigste Bühne: Sechs Jahre nach seiner Wahl räumt er seinen Schreibtisch im Alten Rathaus. Nimptsch (61) will künftig keiner "bezahlten" Arbeit mehr nachgehen. Eine GA-Analyse zum Abschied.

 Entspannte Pose: Nimptsch bei einer Besichtigung der WCCB-Baustelle im Januar 2014. Bis zur Einweihung warteten noch viele Probleme.

Entspannte Pose: Nimptsch bei einer Besichtigung der WCCB-Baustelle im Januar 2014. Bis zur Einweihung warteten noch viele Probleme.

Foto: Volker Lannert

Auf großen Bühnen hat sich Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch stets wohl gefühlt. Etwa als Intendant und Sänger der Kölner Bühnenspielgemeinschaft "Cäcilia Wolkenburg" oder bei der Proklamation von Prinz und Bonna. Am Dienstag verlässt Nimptsch seine bislang wichtigste Bühne: Sechs Jahre nach seiner Wahl räumt er seinen Schreibtisch im Alten Rathaus. Nimptsch (61) will künftig keiner "bezahlten" Arbeit mehr nachgehen.

Er wird Ruheständler mit viel Zeit für seine in seiner Amtszeit schwer erkrankte Frau und eventuell auch mit Ambitionen für ein Ehrenamt, sagt er. Der General-Anzeiger zieht Bilanz des Wirkens von Jürgen Nimptsch.

Die Ausgangslage: Als Nimptsch 2008 als OB-Kandidat für die SPD antrat, hatte er die Beueler Gesamtschule zu einer dererfolgreichsten Schulen der Stadt gemacht und dafür über die Stadtgrenze hinaus Anerkennung eingeheimst. Er wusste, wie er sich und seine Schule ins rechte Licht rücken konnte. So gelang es ihm, Microsoft-Gründer Gates und Altbundeskanzler Schröder als Gäste an seiner Schule zu begrüßen. Der erfolgsverwöhnte Gesamtschuldirektor musste als OB aber schnell lernen, dass eine Stadtverwaltung mit rund 6000 Mitarbeitern eine ganz andere Hausnummer ist.

[kein Linktext vorhanden]Nimptsch trat nach seiner Wahl am 30. August 2009 ein schweres Erbe an. Das Leuchtturmprojekt World Conference Center Bonn (WCCB) war wie ein Kartenhaus zusammengebrochen. Viele fragten sich, ob nicht in Wirklichkeit der Skandal um das WCCB, der sich lange vorher hinter den Kulissen abgezeichnet hatte, der Grund war, dass seine Vorgängerin Bärbel Dieckmann (SPD) auf eine erneute Kandidatur verzichtete.

So beurteilen Bonner Jürgen Nimptsch
26 Bilder

So beurteilen Bonner Jürgen Nimptsch

26 Bilder

Viele weitere Baustellen warteten: Der städtische Schuldenberg lag bei 1,2 Milliarden Euro. Der Sanierungsstau, unter anderem beim Stadthaus, der Beethovenhalle und der Oper, war (und ist) groß. Seit 20 Jahren diskutierte der Rat über den Bahnhofsvorplatz; die Diskussion um das Festspielhaus war in vollem Gange.

Nimptsch startete voller Zuversicht und Elan. Viel Lob gab es für seine Antrittsrede im Rat am 29. Oktober 2009. Er bat um einen Vertrauensvorschuss und kündigte als eines seiner Lieblingsprojekte eine stärkere Bürgerbeteiligung an. Kenner der Kommunalpolitik ahnten: Bei der bunten Zusammensetzung des Rates mit schwarz-grüner Mehrheit dürfte die Gemengelage für alle, aber vor allem für den roten OB schwierig werden. Zumal das WCCB wie ein Damoklesschwert über der Stadt schwebte und die Ermittler im Stadthaus ein- und ausgingen.

Der OB als Macher: Die anfängliche Euphorie über den Neustart im Rathaus war rasch verflogen. Der WCCB-Skandal wuchs sich aus: Es kam zu ersten Verhaftungen und Anklagen. Die Staatsanwaltschaft nahm auch Ermittlungen gegen die Ex-OB Dieckmann und weitere städtische Mitarbeiter auf. Anstatt vertrauensvoller Zusammenarbeit, auf die Nimptsch gehofft hatte, gab es immer mehr Misstrauen zwischen OB, Ratsmehrheit, Opposition und Verwaltung.

Das lag nicht allein an den juristischen Irrungen und Wirrungen rund um das WCCB, bei dem Nimptsch sich auch immer wieder vorwerfen lassen musste, bei der Vergangenheitsbewältigung nicht genügend für Transparenz zu sorgen, sondern eher in Sachen Dieckmann und Friedhelm Naujoks, seinem damaligen städtischen Gebäudemanager und Parteifreund, ein SPD-Schutzprogramm zu fahren.

Mehrere Alleingänge Nimptschs brachten die Politik, aber auch Teile der Stadtgesellschaft und sogar eigene Parteifreunde gegen ihn auf: Die geballte Wut vieler Kulturfreunde bekam der OB schon bald zu spüren, als er 2010 nach einem Spitzengespräch mit Telekom, Post und Postbank das geplante Festspielhaus ohne große Rücksprache mit den Politikern auf Eis legte. Eine blutige Nase holte sich Nimptsch mehrfach mit seinen Vorschlägen zur Opernfusion mit Köln.

Nimptschs ebenfalls unabgestimmter Vorstoß, das Berlin/Bonn-Gesetz neu mit dem Bund zu verhandeln, sorgte nicht nur in Bonn, sondern auch in der Region für große Verärgerung. Viele werfen ihm vor, dadurch die Verhandlungsposition Bonns gegenüber dem Bund geschwächt zu haben. Sein Motto "zesamme stonn" funktionierte in der gesamten Zeit eigentlich nur in einem Punkt: Wenn es um den Zusammenhalt der demokratischen Kräfte gegen die rechtspopulistischen und rechtsextremen Gruppierungen ging, wie 2014 bei den Bogida-Aufmärschen in Bonn.

Der OB als Repräsentant: Da sind sich sogar seine größten Kritiker einig: Diese Rolle beherrscht Nimptsch aus dem Effeff. Er machte als Repräsentant der Stadt stets eine gute Figur. Inhaltlich gut vorbereitet, zudem ein ausgezeichneter Rhetoriker. Seine Auftritte im Karneval sind legendär, da war er sichtlich und vor allem hörbar in seinem Element. So verwundert es nicht, dass er sich auf seiner letzten Bilanzpressekonferenz von den Medienvertretern mit einer CD verabschiedete, auf der sein gesammeltes bönnsches Liedgut verewigt ist.

Der OB als Verwaltungschef: Hier fällt das Urteil eher negativ aus. Von vielen Beobachtern wird ihm vorgehalten, er habe die Verwaltung nicht im Griff gehabt. Festgemacht wird das unter anderem an der schleppenden Umsetzung von Sparbeschlüssen, etwa beim eigenen Personal. Nimptsch selbst fiel dabei Stadtdirektor Fuchs in den Rücken, als dieser - ursprünglich im Einvernehmen mit der Stadtspitze - zehn Stellen in den Bezirksverwaltungsstellen streichen wollte.

Auch wenn Nimptsch sich und seine Verwaltung in punkto Wirtschaftsförderung selbst lobt und darauf verweist, in seiner Amtszeit seien in Bonn jährlich 2600 neue Arbeitsplätze hinzugekommen: Der bevorstehende Wegzug der Zurich-Versicherung nach Köln - bisher einer der größten Gewerbesteuerzahler Bonns - sowie die Teilverlagerung Haribos in die Grafschaft treffen die Stadt hart. Angesichts von 2875 Terminen als Repräsentant in sechs Jahren (wie er selbst hat ausrechnen lassen) fragt man sich in der Tat, wie viel Zeit da noch für die Führung einer so großen Verwaltung bleibt.

Die Erfolge des OB: Dazu zählt in erster Linie die Fertigstellung des WCCB. Ebenso konnte die Stadt das neue Haus der Bildung, das Bibliothek und Volkshochschule unter einem Dach vereint, in Betrieb nehmen. Ein Projekt, das Nimptsch einst wegen der schlechten Haushaltslage auf den Prüfstand stellen wollte - und das am Ende mit 26,4 Millionen Euro deutlich teurer wurde als geplant.

Zu Nimptschs Erfolgsbilanz gehören auch die Vergabe des Nordfelds, die vielen neuen Kindergärten, die während seiner Amtszeit eingeweiht worden sind, sowie der Bau von zwei weiteren Gesamtschulen, mit dem der seit Jahren schwelende Streit um die Zahl der Gesamtschulplätze in Bonn endlich befriedet werden konnte.

Die Niederlagen des OB: Seit Amtsantritt ist Bonns Schuldenberg von 1,2 Milliarden auf rund 1,7 Milliarden Euro gestiegen. Tendenz weiter wachsend - trotz Haushaltssicherungskonzept und Steuererhöhungen. Nimptsch war es allerdings, der mit seinen Dezernenten immer wieder auf eine Haushaltssanierung drängte und vom Rat gebremst wurde. Seinem Vorschlag, die Grundsteuer B um 300 Hebesatzpunkte - als Befreiungsschlag - zu erhöhen, folgte die Ratsmehrheit nicht, sondern sie halbierte die Erhöhung. Ebenso wenig war die Ratsmehrheit bereit, mehrere Schwimmbäder zu schließen.

Mit der Absage der Post ist das Beethoven-Festspielhaus wohl ad acta gelegt. Nimptsch, der einst selbst kaum Realisierungschancen sah, hatte sich zuletzt für das Projekt sehr ins Zeug gelegt. Ebenso nicht gelungen ist es ihm, im Streit mit der Sparkasse um die 86-Millionen-Bürgschaft für das WCCB eine Einigung zu erzielen - der Gerichtsprozess läuft. Als Verlierer ging Nimptsch aus dem Streit um die Neubesetzung der Führungsetage bei den Stadtwerken heraus.

Im Gegensatz zu Schwarz-Grün wollte er an seinem Parteifreund Jürgen Reining als Mitgeschäftsführer des Konzerns festhalten. Seine letzte Niederlage könnte der OB im Streit um das Viktoriakarree im Nachhinein kassieren, wenn das laufende Bürgerbegehren womöglich die von ihm ausdrücklich unterstützte Planung für ein Einkaufszentrum samt Unibibliothek zunichte machen sollte.

Das Fazit: Für Nimptsch gehen sechs turbulente Jahre zu Ende, die nicht von Harmonie geprägt waren. Vor allem mit der schwarz-grünen Ratsmehrheit, die bis zur Kommunalwahl im Mai 2014 im Stadtrat den Ton angab, geriet er oft in Streit. In seiner Erklärung zum Verzicht auf eine erneute Kandidatur vor einem Jahr rechnete er mit Schwarz-Grün öffentlich ab. Er selbst war aber auch mit anderen nicht zimperlich.

Etwa, als Generalintendant Bernhard Helmich ihn einen "einsamen Sektierer" nannte oder der Generalmusikdirektor Stephan Blunier dem OB im Zoff um die Kulturgelder "Volksverhetzung" vorwarf. Beide seien damals, so ließ der scheidende Oberbürgermeister jetzt die Öffentlichkeit in seiner 96-seitigen Abschlussbilanz wissen, nur "knapp an einer Kündigung vorbeigeschrammt". Ein Satz, der zeigt, woran es dem OB am meisten mangelte: an diplomatischem und politischem Geschick.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort