Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" Doris Meyer: "Ich liebe Kinder über alles"

BONN · Die frühere Leiterin der Endenicher Grundschule, Doris Meyer, ist die gute Seele des Fördervereins "Sterntaler"

Für benachteiligte Kinder und Jugendliche setzt sich Doris Meyer seit vielen Jahren ein.

Für benachteiligte Kinder und Jugendliche setzt sich Doris Meyer seit vielen Jahren ein.

Foto: Horst Müller

Nur vier Wochen nach ihrem Lehrerexamen kamen Doris Meyer große Zweifel auf, ob sie denn den richtigen Beruf ergriffen hatte. Kaum von der Uni, war sie als 24-Jährige regelrecht ins kalte Wasser gestoßen worden und musste eine Klasse mit 21 lernbehinderten und verhaltensauffälligen Acht- bis Zwölfjährigen unterrichten. Kein Zuckerschlecken für die junge, kunstsinnige Pädagogin aus Wuppertal, die Musik, Deutsch und evangelische Religion studiert hatte und sich mit Problemen von Kindern auseinanderersetzen musste, die überwiegend aus sozialschwachen Familien stammten. Obendrein sprachen ihre Schüler nur bönnsch, was die Lehrerin anfangs kaum verstand.

Doch Doris Meyer hielt durch. Ihr Vater hatte sie damals überzeugt, nicht klein beizugeben, erzählt die heute 73-Jährige. Jahre später wurde sie an der Matthias-Claudius-Grundschule in Endenich, wo sie einst mit sich selbst und ihrer beruflichen Zukunft gerungen hatte, nach einigen Zwischenstationen an anderen Schulen, zunächst Konrektorin und dann Schulleiterin.

Heute lacht die Pädagogin über ihre Ängste von einst. "Ich liebe Kinder über alles, der Job war genau der richtige für mich" , sagt sie rückblickend. Ihr Mann und sie hätten sich auch gerne eigenen Nachwuchs gewünscht. Er war ihnen nicht vergönnt. "Vielleicht habe ich deshalb am liebsten immer ein erstes Schuljahr gehabt", sagt sie nachdenklich.

Nie mehr losgelassen haben sie ihre ersten Erfahrungen mit Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen. Nach Endenich zurückgekehrt, nahm sie mit der Leiterin der Kindertagesstätte an der Siemensstraße Kontakt auf. Eine Einrichtung, die mitten im sozialen Brennpunkt Endenichs liegt und wo Hilfe stets willkommen ist. Doris Meyer erfuhr, dass die Mittel für eine geplante Ferienfreizeit der Kita doch nicht ausreichten. "Da kam ich auf die Idee, eine Hilfsaktion ins Leben zu rufen", sagt sie, "das durfte doch nicht sein, dass diese Kinder in den Ferien nicht wenigstens ein paar Tage aus ihrem tristen Alltag herauskommen konnten". Sterntaler war geboren.

Gut 19 Jahre leitete Meyer als Vorsitzende den mittlerweile über die Stadtgrenze hinaus bekannten Sozialsponsoring-Verein für Kinder und Jugendliche in Bonn. "Anfangs hatten wir nur die Idee und kaum Geld" , erinnert sie sich. Wie einst als junge Lehrerin bewies sie erneut Durchhaltevermögen und ging anderen Leuten mit ihrem Anliegen "auch schon mal gerne auf die Nerven" , um an Spenden zu gelangen. Ihr selbst, das gibt sie freimütig zu, gingen die Armut der Kinder und die Rahmenbedingungen, unter denen sie leben mussten, oft an die Nieren. "Ich bin halt ein emotionaler Mensch."

Der Durchbruch gelang Meyer, als sie über eine Schülermutter Kontakt zu einer Bild-Journalistin in Hamburg erhielt, die die Idee von Sterntaler gut fand und spontan über die Zeitung rund 10.000 Mark an Spenden akquirierte. Als dann noch der in Endenich lebende Schauspieler und Springmaus-Gründer Bill Mockridge die Schirmherrschaft über Sterntaler übernahm, war das für den Verein ein großes Glück, sagt Meyer. Seither verwirklicht der Verein die verschiedensten Projekte, von der Ferienfreizeit über Hausaufgabenhilfe bis hin zu Bewegungsangeboten und Kursen zur Gewaltprävention an Bonner Schulen. Später weitete Sterntaler die zunächst auf Endenich begrenzte Unterstützung benachteiligter Kinder auch auf andere Stadtteile Bonns aus und wurde vor allem auch in Tannenbusch und Auerberg aktiv.

Doris Meyer gehörte auch zu denen, die in den 1990er Jahren das Thema arme Kinder in Bonn öffentlich und sich damit zunächst bei der Stadtverwaltung nicht beliebt gemacht hatten. "Das war für die Stadt ein rotes Tuch", erinnert sie sich, "das wollte man dort wohl nicht hören". Doch dann legten die Caritas und die Diakonie Zahlen auf den Tisch: Mehr als 10 000 Kinder lebten in Bonn in Familien, die Sozialgeld bezogen. Fakten, die letztlich alle überzeugten.

Heute sind es noch viel mehr. Meyer muss mittlerweile mit ihren Kräften haushalten. Im Sommer hat sie den Vorsitz an Arndt Hilse weitergeben. Der Leiter der Karl-Simrock-Hauptschule in Endenich ist in ihren Augen wie geschaffen für dieses Amt. Auch wenn sie nicht mehr die Geschicke des Vereins lenkt, "Sterntaler bleibt auch weiter mein Ding" , verspricht sie. Denn: Doris Meyer ist Sterntaler! Weitermachen will sie auf jeden Fall auch beim Trio LiteraTon, wo sie als Rezitatorin bei diversen Auftritten ihre Neigung zum Theater ausleben kann.

Das sagt Doris Meyer über Bonn

An Bonn gefällt mir, dass es ein reichhaltiges kulturelles Angebot in großen und kleinen Theatern, Kirchen und Büchereien gibt. Außerdem liebe ich die Fußgängerzone.

An Bonn vermisse ich die Veranstaltung "Bonner Sommer". Die hat mir immer sehr gut gefallen.

Typisch bönnsch sind für mich die lustigen Bucheckern mit ihren rheinischen Geschichten um "Fräulein Welsch".

Mein Lieblingsplatz ist die Rheinpromenade in Mehlem mit Blick auf das Siebengebirge.

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