"Die Politik ist mutlos"

BONN · In der Politik fehlen der Mut und die Fähigkeit, die weltweite Finanzkrise wirklich in den Griff zu bekommen. Auch deshalb, weil die Regierungen selbst Teil des Problems sind und Verantwortung dafür tragen.

 "Hochfrequenzhandel regulieren": Transparency-Chefin Edda Müller gestern im Bonner Uniclub.

"Hochfrequenzhandel regulieren": Transparency-Chefin Edda Müller gestern im Bonner Uniclub.

Foto: STECH

In der Politik fehlen der Mut und die Fähigkeit, die weltweite Finanzkrise wirklich in den Griff zu bekommen. Auch deshalb, weil die Regierungen selbst Teil des Problems sind und Verantwortung dafür tragen. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International Deutschland, und der frühere Bundesaußenminister Klaus Kinkel, Vorsitzender der Deutsche Telekom Stiftung, waren sich gestern Abend im Bonner Uniclub in diesem Punkt einig. Auf Einladung der Bonner Akademie für Sozialethik und Kultur diskutierten Experten unter Moderation von Akademie-Direktor Martin Booms die Frage nach der Verantwortung in der Finanzkrise.

Liegt sie bei den Staaten, weil die Finanzmärkte zu wenig reguliert wurden, und weil sie selbst die hohe Staatsverschuldung zugelassen haben? Liegt sie bei den Banken, die auf Teufel komm raus Gewinne maximieren wollen? Liegt sie bei deren Mitarbeitern, die auf Boni hoffen? Liegt sie bei den Bankkunden, die selbst von Gier getrieben sind? Liegt es gar an einem falschen Wertesystem der Wirtschaft insgesamt? In der Diskussion bekamen alle ihr Fett weg.

Applaus der rund 100 Zuhörer erhielt Rechtsanwalt Julius Reiter: "Von moralischen Appellen halte ich nichts, aber sehr viel von soliden Haftungsgrundlagen". Reiter kritisierte, Bankberater hätten beim Verkauf der Finanzprodukte gegenüber ihren Kunden immer noch erheblichen Wissensvorsprung: "Informationsasymmetrie endet aber immer in Marktversagen." Müller forderte energische Regulierungsschritte etwa beim Hochfrequenzhandel. "Bankprodukte müssen einfacher werden." Die häufig computergestützten Mechanismen im Finanzsystem seien auf Intransparenz und Unverantwortlichkeit zugeschnitten. Stephan Schüller, Chef des Bankhaus Lampe, räumte ein: "Das Problem liegt auch in Verhaltensweisen und Wertesystemen in der Finanzbranche". Es müsse zu einer "massiven Verhaltensänderung" kommen.

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