Nur 34 neue Beamte "Die Kollegen sind am Ende"

BONN · Polizeigewerkschafter warnen vor Überlastung der Bonner Behörde: Die Pressesprecher des Bonner Polizeipräsidiums neigen nicht dazu, sich unnötig weit aus dem Fenster zu lehnen. Es hat also etwas zu bedeuten, wenn Robert Scholten formuliert, dass die geplante Verstärkung mit jungen Beamten im September "deutlich unter den Erwartungen" bleibt.

Das NRW-Innenministerium weist den Bonnern 34 frisch ausgebildete Polizisten zu - den sogenannten "Nachersatz" für pensionierte oder versetzte Beamte. Fest eingeplant hatte das Präsidium aber nach den Erfahrungen und Regierungs-Signalen vergangener Jahre mehr als 50 neue Polizisten. 2013 waren es 55 Beamte, in den beiden Jahren davor 47 und 41.

Jetzt müsse die Personalplanung "teilweise angepasst" werden, so Scholten. Dabei ist seit Jahren auch in Düsseldorf bekannt, dass die Bonner Polizei unter einem speziellen Problem leidet: Sie hat ein besonders hohes Durchschnittsalter von rund 50 Jahren. Nur 125 der 1184 Vollzugsbeamten sind jünger als 30 Jahre.

Deshalb liegt die Krankheitsquote vergleichsweise hoch, und es gibt viele Polizisten, die nur eingeschränkt verwendungsfähig sind, keine Nacht- und Schichtdienste mehr absolvieren können. Sie fehlen auch bei Festnahmeaktionen oder der Bekämpfung der Straßenkriminalität. Nach Angaben des Personalrates betrifft das knapp 200 Polizisten.

Die Zuweisungsquote des Innenministeriums sei zweifellos statistisch korrekt berechnet, sagt Sprecher Scholten. Die besondere Situation der Bonner Polizei sei damit aber "nicht ausreichend berücksichtigt". Deshalb habe Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa einen Brief ans Ministerium geschrieben und um ein klärendes Gespräch gebeten.

Die Bonner Polizeigewerkschafter sind in höchster Alarmbereitschaft. "Mit Entsetzen und Enttäuschung" reagieren Udo Schott, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), und sein Amtskollege Hermann-Josef Borjans vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) auf den Erlass aus Düsseldorf. Dieser sei ein "Rückschlag für die Sicherheit in der Region".

Beide weisen darauf hin, dass 32 Bonner Beamte bis September 2015 planmäßig in Pension gehen und sieben weitere in andere Behörden versetzt werden - unterm Strich ein Minus von fünf Beamten trotz "Nachersatz". Bonn als Salafisten- und Einbrecher-Hochburg brauche aber mehr Polizei und nicht weniger.

Viele Beamte seien längst an ihrer Leistungsgrenze. Das Raubkommissariat etwa schiebe Hunderte von Überstunden vor sich her, berichtet Kripo-Mann Borjans. In anderen Bereichen sehe es nicht besser aus. "Die Situation demotiviert die Kollegen. Die sind zum Teil einfach am Ende." Was die Gewerkschafter besonders beunruhigt: Der Höhepunkt der Pensionierungswelle ist noch nicht einmal erreicht, sondern wird erst in drei, vier Jahren kommen.

Reaktionen aus dem Landtag

Der Bonner Landtagsabgeordnete Rolf Beu (Grüne) geht davon aus, dass das Innenministerium die zur Verfügung stehenden Polizisten "sachgerecht" in ganz NRW verteilt hat. Er betont aber auch, dass das Land seine Personalkosten massiv reduzieren müsse, um das Neuverschuldungsverbot ab 2020 einzuhalten. Das jüngste Urteil des NRW-Verfassungsgerichtes zur Besoldungserhöhung für Beamte erschwere die Situation.

Heftige Kritik am Innenministerium kommt dagegen von Joachim Stamp: "Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass die Bonner Polizei offenbar nicht ausreichend verstärkt werden soll", sagt der FDP-Landtagsabgeordnete. Er werde dazu eine Kleine Anfrage an die Landesregierung stellen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort