Interview mit Alfred Horn Der Bonner arbeitet als Entwicklungshelfer in Afghanistan

BONN · Ich lebe in zwei ganz unterschiedlichen Welten", sagt Alfred Horn. Knapp acht Monate des Jahres verbringt der Bonner im afghanischen Herat und arbeitet dort als Entwicklungshelfer für die Bonner Hilfsorganisation Help.

 Alfred Horn ist für die Bonner Organisation Help in Afghanistan tätig. Er kümmert sich um zurückgekehrte Kriegsflüchtlinge.

Alfred Horn ist für die Bonner Organisation Help in Afghanistan tätig. Er kümmert sich um zurückgekehrte Kriegsflüchtlinge.

Foto: Mühlens

Mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Provinz Herat ist dem Bonner eine große Ehre zuteil geworden - vor allem, weil er als Ausländer ausgezeichnet wurde. Mit Alfred Horn sprach Maximilian Mühlens über dessen spannende, aber auch gefährliche Arbeit in Afghanistan.

Was sind Ihre Aufgaben als Regionaldirektor?
Alfred Horn: Ich bin der verantwortliche Help-Vertreter in Afghanistan und im Iran und führe im Auftrag der Organisation verschiedene Großprojekte durch. Wir haben uns darauf spezialisiert, rückkehrwillige Afghanen auszubilden.

In den Iran sind die meisten Afghanen geflüchtet...
Horn: ... drei Millionen Afghanen leben derzeit im Iran. Wenn sie einen nicht gut bezahlten Job haben oder gar illegal arbeiten, geht es ihnen richtig dreckig. Viele Familien denken über eine Rückkehr nach Afghanistan nach. Darunter sind auch viele Frauen und Kinder, die alleine diesen Schritt wagen. Sie wollen nicht mehr Bürger zweiter, sondern Bürger erster Klasse sein - doch die Frage nach der Zukunft bleibt. Wir haben analysiert, die beste Art und Weise, den Menschen zu helfen, ist, ihnen eine Berufsausbildung anzubieten.

Wie muss man sich Ihr Ausbildungszentrum vorstellen?
Horn: Wir betreiben insgesamt sechs Ausbildungsstätten. Die größte ist in Herat-Stadt, zwei weitere sind in den Vororten sowie drei in kleinen Gemeinden auf dem Land. Insgesamt werden dort mehr als 1000 Menschen ausgebildet. Die Ausbildung dauert sechs bis acht Monate - diese wird am Ende von uns mit einem Zertifikat, das auch von dem zuständigen Arbeitsministerium unterzeichnet ist, bescheinigt. Unsere Nachforschungen haben ergeben, dass 75 Prozent unserer ehemaligen Auszubildenden einen Job haben und über ein gutes bis sehr gutes Auskommen verfügen.

Ist der Zulauf derer, die eine Ausbildung bei Ihnen machen möchten, hoch?
Horn: Der Zulauf ist sehr stark, wir könnten doppelt so viele Leute ausbilden, wenn wir die entsprechenden Mittel hätten. In unseren Auswahlverfahren werden alleinstehende Frauen und Kinder nicht abgewiesen, genauso wie Behinderte, die ausbildungsfähig sind. Bewerber mit einer ausgesprochen großen Motivation werden ebenfalls aufgenommen.

Wie gehen Sie mit der gefährlichen Lage in Afghanistan um?
Horn: Anschläge sind an der Tagesordnung. Wir helfen konfliktneutral und fragen nicht vorher, ob die Bittsteller Taliban sind oder ob sie Karsai wählen. Deshalb werden wir auch nicht angegriffen - ganz im Gegenteil, sie schützen uns. Sie sagen uns, falls es irgendwo brenzlig werden könnte - einen anderen Geheimdienst brauchen wir nicht. Seit sieben Jahren hatten mein Team und ich keinen Angriff erlebt.

[Zur Person]...da haben Sie aber Glück gehabt...
Horn: ...oh ja, aber wir sehen mit großer Sorge, dass das Militär über seine Befugnisse hinaus versucht, Entwicklungshilfe zu leisten. Selbst wenn es Ingenieure in ihren Reihen haben, sind diese dafür nicht ausgebildet.

Am schlimmsten ist es, wenn das Militär vorgibt, uns schützen zu wollen. Das geht nicht. Die Argumentation "Wir schützen, damit andere helfen können" ist vollkommener Schwachsinn. Das muss endlich mal klar gesagt werden.

Wenn Sie Hilfe auch den Taliban anbieten - gab es schon Kritik an Ihrer Arbeit?
Horn: Da hat sich bisher noch niemand vorgewagt, der würde dann aber auch robuste Antworten von mir bekommen. Wir helfen jedem - das ist unser Mandat.

Als erster Deutscher haben Sie eine Ehrenbürgerschaft in Herat erhalten. Eine große Ehre...
Horn: ... vor allem, weil es eine zivile Auszeichnung ist. Eine Vielzahl von Botschaftern und Generalen hat schon Orden bekommen - einen solchen hätte ich gar nicht angenommen. Aber die Ehrenbürgerschaft der Provinz und der Stadt, in der ich seit acht Jahren als ziviler Entwicklungshelfer arbeite, ist etwas, worüber ich mich sehr gefreut habe. Wenn Ausländer ein positives Renommee haben, dann sind es die Deutschen. Die Afghanen sind sehr deutsch-freundlich. Sie wissen, dass wir es mit ihnen ernst meinen.

Kommt bei Ihnen Wehmut auf, wenn Sie Bonn und den westlichen Luxus hinter sich lassen und nach Afghanistan reisen?
Horn: Ich habe Freunde, zwei Hunde und lebe für Herater Verhältnisse in einem schönen, fast schon gemütlichen Haus mit Hof und Garten. Ein sehr angenehmes Leben. (überlegt) Ich lebe in zwei Welten.Wenn ich wieder in Bonn bin, nehme ich mir mein Fahrrad, fahre durch die Stadt und kaufe mir eine gute Zeitung - setze mich in ein Café und trinke dort einen Espresso Macchiato.

Dies kann ich in Afghanistan nicht machen. Ich kann nicht einfach mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren - man würde sofort umgenietet werden. Gute Zeitungen gibt es nicht. Öffentliche Straßencafés, in denen man unbeschwert sitzen kann, sucht man vergebens. Einen Espresso Macchiato gibt es erst recht nicht.

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