Bonner Köpfe Darf's ein bisschen Kunst sein?

BONN · Er heißt Paul. Klein ist er, steht auf dürren Beinchen etwas wackelig vor mir, der Blick leicht verwirrt, die lange Nase reicht fast bis zum Boden. Die Nase: ein Ast. Die Beine: zwei Paar rostige Schrauben. Die Augen: Muttern. Der Schöpfer: Jens Mohr.

Wer an der Heerstraße 114 das grüne Tor passiert hat, läuft über Gras und Erde auf ein weiß getünchtes Hinterhaus zu. Das "Atelier 114". Dort arbeitet Jens Mohr seit fast zehn Jahren. Darin ist alles ein Raum. Nur kurz schweift der Blick nach rechts in die kleine Kaffeekochecke, dann wird er angesaugt vom wilden Zentrum: mitten auf dem Boden ein Berg aus Plastik, Eisen, Holz, aus Kanistern und Ästen, Dosendeckeln und Flaschen, Schläuchen, Sonstigem. Jens Mohr nennt ihn nur "den Haufen".

Drumherum, darüber, davor und dahinter versammelt sich die so ziemlich schrägste Partygesellschaft, die man sich vorstellen kann. Katzen und Hunde macht man aus, Vögel oder jedenfalls fliegende Gesellen gibt es auch. Und etliche weitere, die alle aus einer anderen Region des Landes Fantasien stammen.

Alle Mitglieder des skurrilen Skulpturenparks entstammen "dem Haufen", aus ihm sind sie hervorgegangen, quasi geboren worden. Das geht so: Der 42-Jährige setzt sich an oder in den Haufen und kramt. Hier findet er eine Nase, dort den Korpus. Einen ehemals weißen Plastikkanister zum Beispiel, von der längeren Anwesenheit an einem vergessenen Ort - Keller, Sperrmüll, Rheinufer - zartrosa eingefärbt. Und irgendwo lugt der zartgrüne Kunststoffschnabel eines Schuhanziehers heraus: Der Kopf ist gefunden. So geht es weiter, es wird geschweißt, geklebt, verdrahtet, und am Ende steht ein kleiner Fiffi, ein bisschen Hund, ein bisschen Katze. Ein Vierbeiner.

Den kennt man derzeit in Bonn, denn er ist das Aushängeschild der diesjährigen "Cheap Art Sensation". Einer Kunstausstellung, die perfekt die Philosophie ihres Organisators Mohr verkörpert: Kunst aus allem erschafft er und Kunst für jeden. Genau das bieten auch "Cheap Art" und ihre vornehmere Schwester "Cheap Art de luxe".

Wie der Name schon sagt, wird hier Kunst gezeigt, die für Herrn und Frau Jedermann erschwinglich ist: Bei der "Sensation" in der Preisspanne von einem bis 100 Euro, bei der "de luxe" von 100 bis 1000 Euro. Künstler aus Bonn und dem Rest der Republik zeigen ihre Werke. Alles ist zu finden: Zeichnung und Malerei, Objekte, Fotografie. Eine Kirmes des Kreativen, platziert im Kult 41 und in der Fabrik 45 in der Altstadt.

"Eigentlich", sagt Jens Mohr, "habe ich die Cheap Art in Bonn ins Leben gerufen, weil ich für mich selbst ein Forum schaffen wollte." Die Kunst und Jens Mohr - eine zwangsläufige Verbindung war das nicht. Geboren in Siegburg, der Vater Elektroinstallateur, die Mutter Hausfrau. Drei Geschwister, zwei älter, ein Zwillingsbruder.

Bauzeichner hat Mohr gelernt. "Ich hatte im Kunstunterricht viel Spaß. Aber es war nicht so nach dem Motto: Ohne Kunst kann ich nicht leben."

Die Kunst hat sich "eingeschlichen" in sein Leben, sagt er. Mit Anfang 20 fing er an, Teilzeit zu jobben, "um der Kunst Raum zu geben". Leben konnte er erst sechs, sieben Jahre später von ihr. "Zuerst habe ich jeden vermeintlich freien Tag an der Kunst gearbeitet - drei Tage Job, die restlichen Tage Kunst."

In Endenich hatte er sein erstes Atelier, zusammen mit Hans Langner. Dem "Birdman". Mohr zeigt alte Bilder vom Atelier - da ist er, der erste "Haufen". Während Langner Vögel zu seinem Motiv erklärte, fand Mohr im Neuerschaffen aus Weggeworfenem seine Kunstform.

In der "Galeria Galeano" hat Mohrs Kunst einen Stammplatz. Martha Gimenez, Chefin der Altstadt-Galerie, liebt seine Kunst-Wesen, überall sind sie in der Galeria zu entdecken. Bei der "Cheap Art" ist Mohr Künstler und Organisator in einem. Gut 50 Künstler sind bei der 15. Veranstaltung dabei, darunter auch "Birdman" Hans Langner.

Die "Cheap Art" lässt jede Art Kunst zu - und jede Art Besucher sowieso. Kinder haben genauso Spaß wie Erwachsene. Besonders beliebt bei allen: die "Wundertüte" - Kunst-Stücke in der Zehn-Euro-Tüte. Ein kleiner Einstieg in die große Welt der Kunst.

Cheap Art Sensation & Cheap Art de luxe haben Samstag ab 18 Uhr im "Kult 41" (Sensation) am Hochstadenring und in der "Fabrik 45" (de luxe) an der Viktoriabrücke geöffnet. Weitere Informationen auf www.cheapart-bonn.de.

Typisch bönnsch

Das sagt Jens Mohr über Bonn:

  • An Bonn gefällt mir am besten die Altstadt, weil es dort eine kleine, aber feine alternative Szene gibt
  • Ich vermisse manchmal einen etwas raueren Stil in Bonn - die Stadt und ihre Lebensart ist mir ein bisschen zu "aufgeräumt"
  • Mein Lieblingsplatz ist das Rheinufer, vor allem das Stück zwischen "Bahnhöfchen" und Nordbrücke auf der Beueler Seite
  • Typisch bönnsch ist für mich, dass man in Bonn schnell ankommt - die Stadt ist überschaubar, bietet aber viele Möglichkeiten, wenn man sie entdecken will
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