Facebook-Seite "Ich lade dich ein" Bonner laden Neuankömmlinge zum Essen ein

Bonn · Mariya Ilcheva hat eine Facebook-Seite ins Leben gerufen, über die Bonner Neuankömmlinge in der Stadt zum Essen einladen.

 Jana Guttzeit (2. von links) lud die syrische Familie Diab zu sich nach Hause zum Essen ein. Inzwischen gab es auch schon einen Gegenbesuch.

Jana Guttzeit (2. von links) lud die syrische Familie Diab zu sich nach Hause zum Essen ein. Inzwischen gab es auch schon einen Gegenbesuch.

Foto: Privat

Jedes gute Märchen beginnt mit einem Aufbruch ins Unbekannte. Dann wird es ganz finster, bevor nach vielen Abenteuern der Held umso heller triumphiert. So erging es auch Mariya Ilcheva, die für einige Menschen in Bonn in diesen Tagen zur guten Weihnachtsfee wird. Mit ihrer unorthodoxen Initiative "Ich lade dich ein" bringt die 34-Jährige penible Deutsche und zögerliche Neuankömmlinge einander näher - mit bleibendem Erfolg. Schon manche Freundschaft hat Ilcheva auf diese Weise gestiftet.

Wenige Tage vor dem Fest sitzt die gute Fee hinter einem Latte Macchiato im Café Blau und schwingt ihren Zauberstab. Das ist ihre Facebook-Seite. Dort bringt sie Menschen zusammen, einfach so. Menschen wie Jana Guttzeit und Wassem Diab und seine Familie, die vor knapp zwei Jahren in die Stadt kam. Wassems Vater war Diplomat in der syrischen Botschaft in Kairo gewesen, sagte sich aber vom Assad-Regime los. Mit Frau und den Söhnen Wassem, Munip, Zakaria und Dhes kam er mit einem Visum nach Bonn. Die Jungs sprechen inzwischen erstaunlich gut Deutsch. Die Älteren bereiten sich aufs Studium vor, der Jüngste geht zur Realschule. "Aber wie soll man sich eigentlich integrieren, wenn man gar nicht weiß, wie die Deutschen leben", sagt der 22-jährige Wassem nachdenklich.

Seit einigen Wochen sieht er da klarer. Damals waren die sechs Diabs in der Küche von Jana Guttzeit und ihrer Eltern-WG zu Gast. Guttzeit ist Ergotherapeutin in Bad Godesberg, hat die beiden Söhne Tristan (4) und Ilja (1) und wie sie bedauert leider viel zu wenig Zeit, um sich regelmäßig in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. "Aber so ein Abendessen kriegt nun wirklich jeder hin", sagt sie, selbst wenn ihr das Kochen damals nicht optimal gelungen sei.

Nach ihrer Anmeldung auf der Facebook-Seite war ursprünglich nur eine Frau aus Syrien avisiert. Als die nicht konnte, kamen die Diabs, "und es war ein voller Erfolg". Vor allem den kleinen Ilja wollte jeder mal auf den Schoß nehmen. "Wir hatten ganz viele Fragen zu ihrem früheren Leben in Damaskus, zu den Gründen ihrer Flucht, zu ihren Plänen in Bonn", erzählt Guttzeit, "man kennt das doch sonst nur aus dem Fernsehen." Auf dem Gruppenfoto sieht man viele glückliche Menschen trotz all dem, was die Syrer erleben mussten.

"Ich hatte regelrecht etwas Angst vor den Deutschen", erzählt Mariya Ilcheva ihre Geschichte, wie sie aus der bulgarischen Heimat ins finstere Tal hinabgestiegen ist. Das Tal war Bonn im Jahr 2000. "Ich wollte zum Studieren nach Spanien. Aber dort war es zu teuer. Deshalb kam ich nach Deutschland - ohne Deutsch zu sprechen, ohne Freunde und Familie." In den ersten Jahren habe sie kaum Anschluss gefunden, nicht mal unter Kommilitonen. "Deutsche wollen alles geplant haben und sind sehr zurückhaltend. Sie wollen ja nicht stören. In Südeuropa verabredet man sich spontan auf der Straße. Das wäre hier fast undenkbar." Erst nach zwei Jahren machte Ilcheva ihren ersten privaten Besuch. Ein Arbeitgeber hatte eingeladen. "Da ging mir auf, dass die Deutschen gar nicht so kalt sind, wie wir im Süden glauben. Sie sind herzlich und interessiert."

Im Sommer 2014 hörte Ilcheva, die inzwischen für das bulgarische Programm der Deutschen Welle arbeitet, wie ältere Bulgaren junge Städter für ein Wochenende aufs Land einladen. "Die kennen das Landleben ja gar nicht mehr." Das inspirierte sie zu ihrem Projekt. Seit Juni bringt sie in Bonn Allteingesessene und Neulinge zusammen, ausdrücklich nicht nur Flüchtlinge. "Jeder Fremde tut sich doch schwer, Freunde zu finden." Aber auch mancher Bonner hat wenig Bekannte. Zwei Rollstuhlfahrer lernten über Mariyas Seite eine Frau aus Peru kennen und freundeten sich an. Eine Alleinstehende hat heute Abend einen jungen Syrer zu Gast. Auch wenn er Muslim ist, gehen sie zuerst zusammen in die Kirche. Dann wird gefeiert.

Auch die syrische Familie mit einem am Down-Syndrom erkrankten Kind ist demnächst eingeladen. 50 Abendessen oder Kaffeetrinken kamen schon zustande. Die Anfragen von Gastgebern übersteigen längst die Zahl der Eingeladenen, die Ilcheva und neuerdings ihre Helferinnen Pia Lorenz, Anna Sturmfels und Katja Schuler in Sprachschulen der Region für die Idee begeistern. Die Warteliste reicht bis ins Frühjahr.

Und was ist aus dem Essen in Jana Guttzeits Eltern-WG geworden? Am Nikolausabend waren die Bonner zum Gegenbesuch bei den Syrern, die in Sankt Augustin wohnen. Die selbst gebackenen Kekse hätten sie zu Hause lassen können. "Der Tisch bog sich vor Leckereien", berichtet Guttzeit. "Es war so wie unter alten Freunden. Wir sind jetzt neue Freunde."

Wer Neu-Bonner zu sich zum Essen einladen möchte, findet im Internet einen entsprechenden Fragebogen auf www.ichladedichein.org. Mariya Ilcheva und ihr Team fragen bei den Gästen Allergien und Speisevorschriften ab, damit Gastgebern und Gästen peinliche Überraschungen erspart bleiben. Über die Treffen wird berichtet auf facebook.de/ichladedicheinbonn

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