Stadtrat Bonn braucht mehr Sozialwohnungen

BONN · Die soziale Lage in Bonn bleibt angespannt: 27.062 Menschen leben von Sozialleistungen, davon sind 9658 unter 18 Jahre alt (Stand: Ende 2013).

Stadtrat: Bonn braucht mehr Sozialwohnungen
Foto: STADT BONN

Betrachtet man allein die Summe, die die Stadt Bonn per Gesetz für Unterkunft und Heizung von Hartz-IV-Empfängern pro Jahr ausgeben muss, geht die Ausgabenkurve stetig nach oben: 2010 noch lagen die "Kosten der Unterkunft" bei 60 Millionen Euro, für dieses Jahr hat der Kämmerer 70 Millionen veranschlagt.

Diese Steigerung belegt vor allem, dass Mieten und Nebenkosten steigen. Hartz-IV-Empfänger, Geringverdiener, aber auch Familien mit durchschnittlichem Haushaltseinkommen buhlen um den knappen bezahlbaren Wohnraum in Bonn. Die Wohlfahrtsverbände sprechen davon, dass 5000 Wohnungen fehlen. Das Wohnungsamt der Stadt hat 3000 Wohnungssuchende auf der Warteliste.

Ein weiteres brennendes soziales Problem bleibt die Jugendarbeitslosigkeit: Der Arbeitsagentur Bonn zufolge waren im April 933 junge Leute zwischen 15 und 25 ohne Arbeit, 207 von ihnen (22 Prozent) sind Ausländer. Kaum Chancen auf einen Job haben vor allem Jugendliche ohne Schul- und Ausbildungsabschluss. So haben von den 933 Arbeitslosen rund 700 keine Ausbildung, 130 nicht einmal einen Schulabschluss.

Immerhin soll der Sozialhaushalt der Stadt, der sich auf 150 Millionen Euro beläuft, nicht gekürzt werden, sind sich Politik und Verwaltung einig. Allerdings besteht der Großteil ohnehin aus Pflichtausgaben. Die freiwilligen Leistungen, die die Stadt darüber hinaus überwiegend Kindern und Jugendlichen zugutekommen lässt, liegen im einstelligen Millionenbereich. Und Sozialexperten sind sich einig: Investitionen in Kinder- und Jugendarbeit ersparen spätere soziale "Reparaturkosten".

  • Das sagt die CDU: "Wir werden uns weiter dafür einsetzen, dass der Wohnungsbau vorangetrieben wird", so Kreisvorsitzender Christos Katzidis. "Uns geht es auch darum, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wir haben die Vebowag finanziell so ausgestattet, dass Wohnsiedlungen gebaut werden. Wir setzen weiterhin auf Gespräche mit anderen Wohnungsbaugesellschaften. Zudem wird der Ankauf weiterer Belegungsrechte folgen." Zur Bildungsteilhabe meint Katzidis: "Ziel ist es, allen Kindern und Jugendlichen, auch solchen mit Migrationshintergrund, eine umfassende Bildungsteilhabe zu ermöglichen. Wir wollen die U 3- und die Ü 3-Betreuung weiter vorantreiben und hier insbesondere die Zahl an integrativen Plätzen erhöhen. Wir wollen den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf weiter ausbauen. Zudem wollen wir den Einsatz von Schulsozialarbeitern fördern."
  • Das sagt die SPD: "Mit kommunalen Instrumenten ist bei der Schaffung von Wohnraum auf jeden Fall mehr möglich als in der Vergangenheit", sagt Peter Kox, Vorsitzender des Sozialausschusses. "Wir fordern eine städtische Koordinationsstelle für Wohnungsbau, mindestens 30 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen bei jedem neuen Projekt und eine Stärkung der Vebowag. Außerdem soll die Stadt Grundstücke verbilligt an Investoren abgeben, die zudem für mindestens 15 Jahre gleichbleibende Mietpreise im höchsten mittleren Segment garantieren." In Sachen Bildungsteilhabe fordert Kox: "Damit alle Schüler den individuell bestmöglichen Abschluss schaffen können, brauchen wir ausreichend Kita-Plätze, Inklusion und flächendeckend Offene Ganztagsschulen, aber auch den Erhalt von Förderschulen, wo Bedarf besteht. Berufskollegs müssen besser ausgestattet, ausreichend Gesamt- und Sekundarschulplätze geschaffen werden. Herkunftssprachlicher Unterricht für Kinder mit Migrationshintergrund, Sprachförderung, Schulsozialarbeit und OGS plus gehören auch dazu."
  • Das sagen die Grünen: "Die kommunalen Möglichkeiten der Wohnungsbauförderung reichen nicht aus, wenn nicht auch der Bund einen Kurswechsel zu sozialer Wohnungspolitik vollzieht", sagt Fraktionssprecherin Doro Paß-Weingartz. "Darauf wollen wir jedoch nicht warten. Der Leerstand von mehr als 4500 Wohnungen und der zurückgehende Bestand an Sozialwohnungen tragen erheblich zu der Verknappung von Wohnraum bei. Zur Erleichterung der Mietsituation haben wir die Vebowag mit fünf Millionen Euro zusätzlichem Eigenkapital jährlich ausgestattet. Wir befürworten weitere städtische Beiträge zum sozialen Wohnungsbau, etwa durch Bereitstellung von Baugrund oder den weiteren Rückkauf von Belegungsrechten."
  • Zur Bildungsteilhabe meinen die Grünen, "dass jedes Kind die Möglichkeit haben muss, eine Kita zu besuchen, um dort auf die Schule vorbereitet zu werden. Besonders die Sprachförderung ist von großer Bedeutung. In der Schule sollte jedes Kind individuell betrachtet werden. Zudem wollen wir längeres gemeinsames Lernen, das bisher nur in Gesamtschulen angeboten wird. Um allen Kindern und Jugendlichen gerechtere Bildungschancen zu geben, sollten alle Schulen im Ganztag angeboten werden. Wichtig ist auch eine sozialpädagogische Begleitung insbesondere von Jugendlichen, die absehbar keinen Schulabschluss erreichen."
  • Das sagt die FDP: "Vom Grundsatz her reichen die Instrumente zur Schaffung von bezahlbaren und Sozialwohnungen", sagt Falk Kivelip, wohnungsbaupolitischer Sprecher. "Es ist eine Frage der Finanzierung. Die Stadt hat erst vor kurzem eine Kapitalerhöhung bei der Vebowag beschlossen. Die Politik ist aufgefordert, in genügendem Maße Bauland auszuweisen. In Bonn heißt zusätzlicher Wohnungsbau angesichts kaum noch vorhandener Bauflächen vor allem Verdichtung. Aber bei der Schaffung von bezahlbaren Wohnungen sollte nicht nur auf den öffentlichen Wohnungsbau, sondern auch auf private Investoren gesetzt werden", so Kievelip.
  • Zur Bildungsteilhabe sagt der jugendpolitische Sprecher, Achim Kansy: "Wir können es uns nicht leisten, auf die Potenziale und Beiträge von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern zu verzichten. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, aber auch der wirtschaftlichen Vernunft, jedem Kind einen Bildungsabschluss zu ermöglichen, der seinen Begabungen und seinem Fleiß entspricht. Wir investieren in Familienzentren, mehr Bildungsqualität in Kindertagesstätten und intensivere Betreuung in den Offenen Ganztagsschulen. Damit stärken wir die Qualität der individuellen Förderung für Kinder und damit die Ausbildungsperspektiven auch von Kindern aus bildungsfernen Familien. Zudem setzen wir auf flankierende Maßnahmen, die den Übergang von Schule zum Berufsleben erleichtern."
  • Das sagt die Linke: "Die Kommunalpolitik kann viel dafür tun, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht", sagt Holger Schmidt, planungspolitischer Sprecher der Linksfraktion. "Die schwarz-grüne Ratsmehrheit hat sich hier aber bislang jedem entsprechenden Antrag der Linksfraktion verweigert. Bei der aktuellen Stadtentwicklung spielt bezahlbarer Wohnraum nahezu keine Rolle. Natürlich könnten Land und Bund großzügiger sein.
  • Aber: Bonn muss die Kehrtwende für bezahlbaren Wohnraum selbst einleiten." Zur Bildungsteilhabe sagt Anatol Koch, schulpolitischer Sprecher der Linksfraktion: "Es geht darum, dass sich die herkunftsbedingten Unterschiede der Kinder nicht in unterschiedlichen Bildungschancen widerspiegeln. Die Gesamtschule ermöglicht dabei als einzige Schulform längeres gemeinsames Lernen. Bonn sollte schnell eine neue, sechste Gesamtschule gründen. Damit der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen ein Erfolg wird, müssen zudem alle Beteiligten massive Herausforderungen meistern. Hier muss notfalls auch mit städtischen Mitteln die konsequente Doppelbetreuung mit einer sonderpädagogischen Fachkraft in integrativen Klassen sichergestellt werden."
  • Das sagt der Bürger Bund: "Soweit die Stadt noch über Grundstücke verfügt, die für Mietwohnungen geeignet sind, sollten sie vorrangig dazu genutzt werden, um dort preisgünstige Wohnungen zu errichten", so Johannes Schott. "Daneben kann die Stadt Belegungsrechte erwerben. Ein weiterer Ansatz bietet nur noch die Satzung, mit der Leerstände und die Zweckentfremdung von Wohnraum verhindert werden können." In puncto Jugendarbeitslosigkeit gilt für den BBB, so Schott: "Kein Kind darf verloren gehen. Wichtigste Voraussetzung dafür sind ausreichende Sprachfähigkeiten. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Das Land muss uns mehr Geld bereitstellen, damit die Kitas dort, wo das Elternhaus nicht helfen kann, die sprachlichen Defizite der Kinder schon vor der Grundschule ausgleichen können. Und die Stadtverwaltung muss endlich alles daran setzen, dass die Chancen, die das Bildungs- und Teilhabepaket benachteiligten Kindern bietet, von deren Eltern auch zur Förderung ihrer Kinder genutzt werden.
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