Ansturm auf Winterreifen

Nach der gesetzlichen Neuregelung brauchen Autofahrer Geduld beim Umrüsten. Nach dem ersten Schnee und der Winterreifenpflicht erleben viele Reifenhändler in Bonn einen wahren Kundenansturm. In den Werkstätten herrscht Hektik. "Hier brennt die Luft", sagt ein Mitarbeiter.

 Winter-Wechsel: Jürgen Thoren hat wie andere Mitarbeiter bei Reifenhändlern in Bonn und der Region momentan viel zu tun.

Winter-Wechsel: Jürgen Thoren hat wie andere Mitarbeiter bei Reifenhändlern in Bonn und der Region momentan viel zu tun.

Bonn. Nach dem ersten Schnee und der Winterreifenpflicht erleben viele Reifenhändler in Bonn einen wahren Kundenansturm. In den Werkstätten herrscht Hektik. "Hier brennt die Luft", sagt ein Mitarbeiter. Er habe absolut keine Zeit für ein Gespräch. Peter Dott, Geschäftsführer der Firma Reifen Richelshagen, hat bereits erste Lieferprobleme ausgemacht: "Es kommt zu Verzögerungen um sechs bis acht Wochen für bestimmte Reifengrößen." Spezielle Marken seien bereits vergriffen.

Wer am Montag versuchte, einen Reifenhändler anzurufen, musste zum Teil viel Geduld aufbringen. Die Leitungen waren dauerbesetzt.

Herbert Walter, Geschäftsführer von Euromaster Bonn in der Godesberger Allee, glaubt, dass die Engpässe bei den Reifen durch das neue Gesetz größer werden. "Reifen sind teilweise sogar ausverkauft." Fakt sei auch, dass die Reifen teurer würden, weil sie rar seien.

M+S-Reifen M+S steht für Matsch und Schnee. Diese Reifen sind seit den 50er Jahren auf dem Markt und kennzeichnen den Reifen in der Regel als wintertaugliches Fabrikat. Die Bezeichnung ist aber gesetzlich nicht geschützt und kann daher auch auf nicht wintertauglichen Reifen angebracht werden. Insbesondere chinesische Hersteller verwenden dieses Symbol auch auf Sommerreifen. Die Industrie hat darauf reagiert und das Schneeflocken-Symbol eingeführt. Dieses Symbol wird von der amerikanischen Straßenbehörde an Reifen vergeben, die in einem Test eine gewisse Mindesttraktion auf Schnee und Eis erreichen. Im Unterschied zu Sommerreifen sind sie nicht nur mit einem einfachen Profil, sondern zusätzlich mit Lamellen ausgestattet. (dab)Dott begründet die Lieferengpässe mit der Tatsache, dass Winterreifen nicht mehr nachproduziert würden, weil die Industrie schon mitten in der Sommerproduktion stecke. Darüber hinaus hätten die Hersteller in diesem Jahr nicht mit einem großen Wirtschaftsaufschwung gerechnet und zu wenig produziert.

Händler beruhigen aber die Autofahrer und sagen, es bestehe kein Grund zur Panik. Die Kunden würden bedient, könnten aber keine großen Ansprüche mehr an Fabrikate und Preise stellen, denn die Auswahl werde sich jetzt auf die teureren Marken oder die Billigprodukte aus China beschränken.

Von Produkten aus Asien rät Jacqueline Grünewald, Pressesprecherin des ADAC in Köln, allerdings ab: "Rechtlich betrachtet reicht es aus, mit Reifen zu fahren, die M & S gekennzeichnet sind. Ein Knöllchen bekommt man nicht, aber man muss sich fragen, ob die Reifen auch sicher sind."

Grünewald rät, beim Kauf darauf zu achten, dass auf den Reifen das Schneeflockensymbol mit einem dreizackigen Berg zu sehen ist. Sie kritisiert, dass der Gesetzgeber nicht festgelegt habe, welche Anforderungen ein Winterreifen tatsächlich erfüllen muss. Es sei ein hehres Ziel, das nun auf europäischer Ebene nachzuholen.

Stefan Zeidl (39) aus dem Rhein-Sieg-Kreis hat an seinem Wagen Winterreifen aufgezogen. "Ich habe immer Wert darauf gelegt, seit ich den Führerschein habe. Es geht schließlich um Sicherheit." Tobias Wilhelm hat bisher keine Notwendigkeit gesehen, sich Winterreifen zuzulegen.

Der 25-Jährige aus Bad Oldesloe, der am Montag in Bonn unterwegs war, sagt: "Ich habe neue Sommerreifen drauf. Die tun ihr Ding doch auch im Winter, zumal es bei uns in Norddeutschland nur selten schneit." Nach der neuen Gesetzeslage sieht er allerdings Handlungsbedarf: "Jetzt komme ich wohl nicht mehr um Winterreifen herum."

Meinung Lesen Sie dazu auch " So gesehen: Reifen wechseln"Ganz spezielle Erfahrungen hat ein Autofahrer aus Meckenheim gemacht. Der 45-Jährige fährt noch auf Sommerreifen, "zum ersten Mal in meinem Leben, und das, weil ich seit Oktober auf Winterreifen warte. Angeblich konnte sie der Händler bisher nicht besorgen. Morgen sollen sie endlich aufgezogen werden." Der Autofahrer ist verärgert: "Ich komme aus der Eifel, ich weiß, wie wichtig Winterreifen sind."

Die Bonner Polizei begrüßt die neue Regelung, fordert aber für bessere Kontrollen eine eindeutige Kennzeichnung der Winterreifen. "Bisher wird im Alltag kaum kontrolliert. Fehlende Winterreifen fallen eigentlich nur bei Verkehrsunfällen auf, und dann ist es zu spät", sagt Udo Schott, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bonn.

Zudem sei nicht einsehbar, dass Busse mit mehr als acht Sitzplätzen und Lkw mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht die Winterreifenpflicht schon erfüllten, wenn lediglich auf den Antriebsachsen Allwetterreifen montiert seien. Frank Richter, für Verkehrspolitik verantwortliches Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands der GdP, mahnt ebenfalls eine eindeutige Kennzeichnung von Winterreifen an und spricht davon, dass die Politik wiederum "ins Rutschen" geraten sei.

Technische Richtlinien seien ausgeblendet worden, und die Polizei werde so bei den winterlichen Kontrollen erneut aufs Glatteis geführt.

Umrüsten müssen auch Mietwagenfirmen. Bastian Schmeling, Fachberater für Taxi und Mietwagen bei der Rheinischen Kraftwagengesellschaft in Bonn, sagt: "Wir müssen dem Kunden Reifen für jede witterungsbedingte Lage anbieten. Zur Zeit hat der komplette Fuhrpark Winterbereifung. Kommt ein Kunde, dem der Mehrpreis zu teuer ist, muss er auf einem Formular unterschreiben, dass er Sommerreifen haben möchte. Kommt es zu einem Unfall, greift die Autoversicherung nicht. Er wird für alles belangt."

Trotz des momentanen Kundenansturms in den Werkstätten: Bedient werden Kunden auf jeden Fall, sagen Bonner Händler. Die Autofahrer müssten nur Wartezeiten von sieben bis neun Tagen einplanen.

Einen Tipp hat Markus Hensel. Der Mitarbeiter von Brunn Autoland sagt: "Die Saison geht immer von A wie April bis O wie Oktober." Damit wüssten die Autofahrer genau, wann die richtige Zeit für einen Reifenwechsel sei.

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